"Keine g'mahte Wiesen für ÖVP"

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Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SP) gibt sich trotz schlechter Umfragewerte der SPÖ und Politikverdrossenheit zuversichtlich, dass der nächste Kanzler Werner Faymann heißen wird. Er erinnert an seinen eigenen ersten Wahlkampf.

Schlechte Umfragewerte, die der SPÖ ein Dasein als mittelgroße Partei unter 30 Prozent voraussagen, beindrucken Hans Niessl (noch) nicht. Betont optimistisch und gegenüber Werner Faymann loyal gibt sich der 57-jährige ehemalige Hauptschuldirektor vor dem Parteitag. Niessl, seit 2000 Landeshauptmann, über Faymann, dessen Nähe zur Kronenzeitung und über die EU-Skepsis nach der Schengenerweiterung.

Die Furche: Herr Landeshauptmann, am 8. August soll Werner Faymann am SPÖ-Parteitag zum neuen Parteivorsitzenden gewählt und als Kanzlerkandidat eingeschworen werden. Ist die parteiinterne Krise nun überwunden oder brodelt es noch verdeckt weiter?

Hans Niessl: Diskussionen sind in einer Demokratie grundsätzlich etwas Positives. Es gab einen Wechsel an der Parteispitze, wie er immer wieder passiert. Wir haben mit Werner Faymann einen hervorragenden Kandidaten als Bundesparteivorsitzenden, der in den letzten Tagen sehr gute Interviews und Vorschläge zu wichtigen Themen gemacht hat, zum Beispiel zur Teuerung. Die SPÖ-Burgenland wird ihn zu 100 Prozent unterstützen, damit die SPÖ stimmenstärkste Partei und Werner Faymann Kanzler wird.

Die Furche: Besteht wirklich Anlass zu solchem Optimismus? Laut dem SPÖ-nahen Meinungsforschungsinstitut IFES lag die SPÖ Mitte Juli bei 21 bis 23 Prozent.

Niessl: Ich spreche aus eigener Erfahrung und erinnere an das Jahr 2000, Landtagswahlen im Burgenland: Der Bank Burgenland-Fall (Kreditskandal, der zu vorzeitigen Landtagswahlen führte, Anm.) sorgte für eine schlechte Ausgangslage für die SPÖ. Die meisten Beobachter waren der Meinung, die SPÖ wird die Wahlen verlieren und erstmals die ÖVP den Landeshauptmann stellen. Und wir haben bei den Wahlen letztendlich dazugewonnen.

Die Furche: Die Politikverdrossenheit ist zurzeit aber enorm. Es muss doch schwierig sein, Funktionäre in eine Aufbruchsstimmung zu versetzen.

Niessl: Vor drei bis vier Wochen war die Stimmung - um es offen zu sagen - schlecht. Jetzt wird sie aber von Woche zu Woche besser. Unsere Mitarbeiter und Sympathisanten haben gemerkt, das ist keine g'mahte Wiesen für die ÖVP, und sie sind motiviert. Sie wissen, was auf dem Spiel steht und sind bereit, für Werner Faymann einen kurzen und intensiven Wahlkampf zu bestreiten. Ich bin schon neugierig auf die Umfragen Ende August zu Beginn des Intensivwahlkampfes. Ich bin mir sicher, dass die SPÖ von diesem schwachen Start heraus deutlich zulegen wird.

Die Furche: Im Wahlkampf werden viele Feindbilder bedient und Ängste geschürt, wie in der jüngsten Debatte um angeblich straffällig gewordene Asylwerber (siehe unten). Ähnlich ist es beim Thema Schengenöffnung, dort haben Sie Ängste geschürt. Laut Innenministerium ging die Kriminalität seit der Öffnung der Grenzen zu den östlichen Nachbarn aber zurück.

Niessl: Ein Drittel der Straftaten im Burgenland ist unmittelbar an der Grenze erfolgt: etwa illegale Übertritte, Aufgreifen von Autoschmugglern oder gesuchten Verbrechern etc. Dort, wo ein Drittel aller Delikte registriert wurde, wird nun nicht mehr kontrolliert. Dass sich nun die Statistik deutlich gebessert hat, ist daher nicht verwunderlich. Frau Fekter und ihr Vorgänger Günther Platter sollen den Menschen schon die Wahrheit sagen: dass nämlich direkt an der Grenze weniger kontrolliert wird. Wir fordern daher, dass es bei der Polizei im Burgenland eine Personalstandsgarantie gibt. Eine Fortsetzung des Assistenzeinsatzes des Bundesheeres begrüßen wir natürlich, aber zu sagen, der Assistenzeinsatz bleibt, aber dafür kommen 500 Polizisten weg, das wird es nicht geben. Da werden wir uns massiv wehren. Ich kann das Argument nicht mehr hören, dass das Burgenland umgelegt auf die Bevölkerungszahl die meisten Polizisten hat. Die Exekutive im Burgenland leistet Arbeit im Sicherheitsbereich für ganz Österreich und für die EU.

Die Furche: Aber die Öffnung des Schengenraums bedeutet auch Positives. Burgenland hat zudem als Ziel-1-Gebiet sehr viel von der EU profitiert. Auf der anderen Seite ist die EU-Skepsis in Österreich so hoch wie nie zuvor. Was tun?

Niessl: Wir bekennen uns zu Europa. Ich sage das auch in allen Reden und Dankesworten, dass sich das Burgenland dank der Unterstützung der Europäischen Union und mit dem Fleiß der Burgenländer so entwickeln konnte. Aber man kann so nicht Politik machen, dass man in Brüssel über die Bürger einfach drüberfährt. Bürgernähe ist in Brüssel vielleicht manchmal ein gesprochener Satz, aber wird nicht gelebt. Die Leute haben nicht den Eindruck, dass die Zuständigen in Brüssel tatsächlich die Interessen des Mittelstandes vertreten.

Die Furche: Das klingt auch sehr nach dem Üblichen: Die in Brüssel sind immer schuld. Was tun in Österreich Lokalpolitiker und aufwärts, um diese Skepsis zu beheben?

Niessl: Wenig bis nichts.

Die Furche: Auch Sie?

Niessl: Ich habe bereits gesagt, dass ich bei fast jeder Rede und bei Spatenstichen, wo EU-Gelder geflossen sind, darauf hinweise. Die Burgenländer wissen das auch, aber sie sind dagegen, dass jede EU-Kritik gleich als Majestätsbeleidigung gewertet wird. Warum wird nicht - und hier setzt mein Vorwurf an Außenministerin Ursula Plassnik an - regelmäßig über die Vor- und Nachteile der EU informiert? Nur immer schön zu reden, das ist auch nicht richtig. Ich habe auch überhaupt kein Problem, wenn man sagt, über wichtige Verfassungsänderungen in der EU soll das Volk befragt werden. Denn dann sind alle gezwungen, Farbe zu bekennen und umfassend zu informieren.

Die Furche: Inhaltlich stehen Sie also hinter dem umstrittenen Schwenk in Richtung EU-Skepsis von Werner Faymann und Alfred Gusenbauer: Aber hätten Sie das auch in Form eines Leserbriefes an die "Kronenzeitung" bekanntgegeben?

Niessl: Inhaltlich gibt es eine 100-prozentige Unterstützung von den Sozialdemokraten im Burgenland. Über die Form kann man diskutieren. Hätte man es anders gemacht, hätte man vielleicht noch besser punkten können.

Die Furche: Und wie sehen Sie das Nahverhältnis Faymann und "Kronenzeitung"?

Niessl: In der Vergangenheit hat niemand die Frage gestellt, welche Nähe andere Politiker zu Wirtschaftskonzernen aufweisen, zum Beispiel jene von einer großen Bank zu ÖVP-Politikern.

Die Furche: Da müsste man einmal über die Parteien- und Wahlkampffinanzierung im Allgemeinen diskutieren. Aber dennoch: Ist es für Sie nicht bedenklich, dass Faymann offenbar die Gunst der "Kronenzeitung" braucht?

Niessl: Früher haben immer alle in der SPÖ gejammert, dass alle Medien gegen uns sind. Nun schreibt einmal ein Medium neutral - weil die "Kronenzeitung" wird niemals nur positiv über die SPÖ berichten - und dann passt es wieder nicht.

Die Furche: Haben Sie das nicht als Anbiederung empfunden?

Niessl: Man braucht sich nicht anbiedern, wenn man Freundschaften hat.

Die Furche: Faymann hat zwar vielleicht mächtige Günstlinge, aber ist er wirklich der beste Mann in der SPÖ?

Niessl: Ich kenne in der SPÖ keinen Besseren.

Die Furche: Wagen Sie eine Prognose für das Wahlergebnis am 28. September?

Niessl: Wir haben über 30 Prozent und liegen vor der Volkspartei.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

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