Kim kennt seine Grenzen

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Aidan Foster-Carter, führender Korea-Experte an der University of Leeds, zum Atompoker mit Kim Jong Il.

Die Furche: Ist Nordkorea gefährlicher als der Irak?

Adain Foster-Carter: Das Gefahrenpotenzial ist höher, weil es wahrscheinlich nukleare Waffen gibt. Die Situation ist dennoch nicht so brisant, weil Nordkorea keine Verbindungen zu Terroristen zu haben scheint und bisher nicht als Aggressor aufgetreten ist. Ich glaube aber nicht, dass Kim Jong Il zur Waffe greift. Er kennt seine Grenzen und weiß, würde er die überschreiten, wäre das sein Ende. Kim ist kein Selbstmörder.

Die Furche: Wie bewerten Sie die US-Politik gegenüber Nordkorea?

Foster-Carter: Es gibt derzeit keine klare Strategie in die eine oder andere Richtung, was ich für unverantwortlich halte. Von Beginn an agierte die Bush-Administration unklug in der Nordkorea-Frage. Man kann nicht als einzige Supermacht einen Staat wie diesen öffentlich ächten, indem man ihn in die Achse des Böse einreiht. Damit ist Washington nicht an einem Dialog interessiert. Verschärft wird die Situation durch Amerikas Kriegsabsicht gegen den Irak. Es ist nachvollziehbar, dass Kim Jong Il davon ausgeht, der Nächste zu sein.

Die Furche: Kritiker werfen der US-Regierung unzureichendes Verständnis für den Nahen Osten vor. Wie steht es mit Nordkorea?

Foster-Carter: Nordkorea ist ein Dinosaurier, der die Welt bedroht und seine Leute tyrannisiert. Auch Clinton hat militärische Mittel erwogen, aber schließlich verstanden, dass nur eine Politik aus Druck und Dialog hilft. Die Bush-Administration unterteilt die Welt in Gute und Böse. Genau diese Methode führt im Falle Nordkoreas zu Konfusion.

Die Furche: Wie ernst sind die Drohgebärden von Kim Jong Il?

Foster-Carter: Geht man nach der Rhetorik, wären wir seit 20 Jahren im Krieg. Damit will ich nichts verharmlosen. Das Regime wirft ständig mit Drohungen um sich, deshalb weiß man nicht, wann es wirklich ernst ist. Umso beunruhigender ist der Bruch im Dialog mit den Amerikanern.

Die Furche: Kann da die Europäische Union helfend einspringen?

Foster-Carter: Da sich die USA zurückzogen, haben sich die Europäer in Nordkorea engagiert - lange bevor die Situation eskalierte. Nun fühlen sich die Europäer betrogen. Doch das eigentliche Problem ist, dass sich alle - vor allem in Washington - bestätigt fühlen, die schon immer sagten, man kann Nordkorea nicht trauen. Damit wird es schwierig für die EU, die Amerikaner für einen Dialog zu gewinnen. Die Krisen in Sachen NATO und Irak erleichtern diese Aufgabe auch nicht.

Die Furche: Was können China und Russland erreichen?

Foster-Carter: Ich halte beide Staaten für wesentlich wichtiger als Europa. Unter Putin hat Russland die Beziehungen zu Nordkorea kultiviert. Unklar ist, wieviel Substanz es dort gibt. China hält die Nordkoreaner durch Unterstützung am Leben. Deshalb hat China mehr Einfluss und ist die Schlüsselfigur im Konflikt.

Die Furche: China reagiert aber doch noch eher zögerlich ...

Foster-Carter: Das hat nichts zu bedeuten. Es ist nicht chinesischer Stil, öffentlich die Führung in internationalen Konflikten zu übernehmen. Doch gibt es Anzeichen dafür, dass im Hintergrund viel passiert. Die Chinesen wollen weder nukleare Waffen noch Wettrüsten auf der koreanischen Halbinsel. Bislang wissen wir nicht, welche Richtung der neue Regierungschef Hu Jintao einschlagen wird. Vom Koreakrieg hat seine Generation nicht viel mitbekommen. Damit fehlen sentimentale Beziehung zum Nachbarn. Wir dürften eine pragmatischere, aber auch schärfere Haltung erwarten. Noch wird die alte Linie beibehalten, um koreanische Flüchtlingsströme und amerikanische Truppen an chinesischen Grenzen zu vermeiden. Sollte das koreanische Regime weiter provozieren, werden die Chinesen die Schrauben viel enger anziehen.

Die Furche: Könnte man so das zynische Spiel des Diktators beenden?

Foster-Carter: Angemessener Druck von den Chinesen könnte kurzfristig viel bewirken. Andererseits glaube ich, dass nur "Belohnung" langfristig erfolgreich ist. Es müsste eine Art letztes, großes Paket an die Nordkoreaner geben, die dafür endgültig abrüsten. Das Paket 1994 war nicht groß genug. In meinen pessimistischen Momenten denke ich, dass es nichts gibt, um das Problem Nordkorea zu lösen. Nach dem Koreakrieg haben wir das Land isoliert. Dann gab es den Dialog mit Clinton. Jetzt können Kritiker sagen: Das hat auch nicht geholfen. Allerdings waren wir fünf Jahrzehnte Hardliner und haben nur ein paar Jahre den Dialog geführt. Durch die Isolation haben wir auch dazu beigetragen, dass Nordkorea so geworden ist, wie es ist. Wir müssen einen Mittelweg finden. Doch bei Nordkorea wird es kein Patentrezept geben.

Die Furche: Welchen Einfluss hat Südkorea auf seinen Nachbarn?

Foster-Carter: Keinen großen. Nordkorea kooperiert stellenweise mit seinem Nachbarn, etwa indem es Grenzen öffnet. Pjöngjang hat aber deutlich gemacht, dass in nuklearen Angelegenheiten Südkorea nichts mitzureden hat.

Die Furche: Was hilft Südkoreas "Sonnenscheinpolitik"?

Foster-Carter: Ich bin ein Anhänger dieser Politik. Anders als in Deutschland vor 1989 gab es zwischen Nord- und Südkoreanern keine Kontakte. Dank Kim Dae-Jungs Politik ist die totale Separation aufgeweicht worden - nicht nur auf politischer, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene. Die Sonnenscheinpolitik hat nicht die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen gelöst. Relativ gesehen hat es aber bedeutende Schritte vorwärts gegeben.

Die Furche: Wie sollte die Bush-Administration agieren?

Foster-Carter: Einfach gesagt, schwer zu tun. Die Amerikaner sollten sich unbedingt mit den Nordkoreanern an einen Tisch setzen. Jeden Tag wächst das Problem, denn die Nordkoreaner könnten Plutonium produzieren.

Die Furche: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Konflikt eskaliert?

Foster-Carter: Die Situation wird sich in den nächsten ein bis zwei Monaten nicht verbessern. Die USA sind völlig fokussiert auf Irak. Sie wird Korea nicht die nötige Aufmerksamkeit widmen. Doch Pjöngjang wird nicht bis zum Äußersten gehen. Die werden sich vorerst auf Rhetorik beschränken. Auch sehe ich nicht die Gefahr, dass Kim Jong Il sich unter Terroristen mischt. Er ist jenseits jeglicher Ideologie und schätzt ein gutes Leben.

Die Furche: Was würde nach einem Abgang Kim Jong Ils passieren ?

Foster-Carter: Alles wäre dann offen. Wir haben manche Zusammenbrüche des Regimes falsch prognostiziert. Nun jedoch ist alles fragiler. Es gibt Hungersnot. Es ist unklar, ob Kim Jong Ils Söhne als Nachfolger aufgebaut worden sind. Ein Kollaps des Regimes ist damit vorstellbar. Nach außen präsentieren die Nordkoreaner eine geschlossene politische Front, hinter den Kulissen gibt es harte Machtkämpfe, etwa mit dem Militär. Ein plötzlicher Abgang Kim Jong Ils wäre sehr destabilisierend und unter Umständen noch gefährlicher als die jetzige Situation.

Das Gespräch führte Heike Kreutz-Arnold.

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