Kinderärztin für das verletzte Nach-Pinochet-Chile

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Der Sieg der Sozialistin Michelle Bachelet bei den Präsidentenwahlen in Chile verstärkt den "Linksruck" in Lateinamerika. Wie der Venezolaner Hugo Chavez, der Brasilianer Luiz Lula da Silva, der Uruguayer Tabare Vasquez, der Argentinier Nestor Kirchner oder der Bolivianer Evo Morales hat auch die frühere Kinderärztin sich die Ausmerzung der Not der Armen, der Minderheiten und Benachteiligten auf die Fahnen geschrieben.

Bachelet ist aber keine Populistin: "Ich bin gegen diese Dämonisierung der Entwicklung in Lateinamerika. Es gibt keine Achse des Bösen hier." Die Drohung komme nicht von diesen demokratisch gewählten Politikern, so Bachelet, "sondern von der Armut, der mangelhaften Integration der Ureinwohner, von Drogenhandel und Völkerwanderungen", versichert sie.

Neoliberale Linksaußen?

Der chilenische Politikwissenschaftler Guillermo Holzman glaubt, dass Bachelet auch als bekannte "Linksaußen" das erfolgreiche neoliberale Modell ihres Vorgängers Ricardo Lagos kaum antasten wird. "Wir machen eine kulturelle Revolution durch", meint Universitätsprofessor Roberto Méndez aus Santiago. Vor zehn Jahren hätte die zweifach geschiedene Agnostikerin Bachelet eine Präsidentenwahl nie gewonnen, versichert er. Bachelet wird durch die Mehrheit ihres Bündnisses in beiden Kammern des Parlaments eine Machtfülle haben, wie kein anderer Präsident im nachautoritären Chile. Leicht wird sie es in ihrem Land deshalb aber nicht haben. "Wir werden ein zweites Spanien, wo jetzt sogar Homosexuelle heiraten dürfen", klagt die Grundschullehrerin Inés mit Tränen in den Augen im vornehmen Viertel Las Condes. Gott wolle so etwas nicht. Taxifahrer Alvaro, auch konservativ-katholisch, ist sicher: "Eher endet die (Bachelet) wie Salvador Allende, merkt euch das."

Bachelets Vater ist der legendäre Luftwaffengeneral Alberto Bachelet, der während des Pinochet-Putsches loyal zu Allende stand. Er wurde 1973 ins Gefängnis gesteckt und gefoltert, bevor er hinter Gittern an Herzversagen starb. Auch Michelle und ihre Mutter wurden in den Kellern der gefürchteten dina, der politischen Polizei des Regimes, drei Wochen lang gefoltert. Beide flohen unmittelbar danach über Australien in die ddr. Sie lebte dann lange Zeit in Ost-Berlin und Leipzig im Exil, bevor sie ihr Medizinstudium in den usa fortsetzte. Erst nach dem Sturz von Pinochet kehrte Bachelet in ihre Heimat zurück, wo sie sich in Organisationen von Angehörigen der Diktaturopfer engagierte.

Symbol für Versöhnung

Michelle Bachelet arbeitete viel hinter den Kulissen und brauchte lange, bis sie bekannt wurde. Als Gesundheits-und Verteidigungsministerin des früheren Präsidenten Ricardo Lagos zeigte sie sich durchsetzungsstark. Sie machte den Schlangen vor den öffentlichen Krankenhäusern ein Ende und leitete eine weit reichende Reform der Streitkräfte ein. Ihre Anhänger sehen sie als Symbolfigur für Versöhnung und Erneuerung in einer von der Pinochet-Militärherrschaft noch sehr geprägten Gesellschaft. Mit Michelle Bachelet gibt es übrigens ab März elf Länder - von insgesamt 192 - mit einer Frau als Staats-oder Ministerpräsidentin. WM/APA

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