Klima: Donald Trumps Wahl als Ansporn

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Das Ziel der Klimakonferenz von Marrakesch, die Versprechen von Paris Wirklichkeit werden zu lassen, hat durch die US-Wahlen einen herben Dämpfer erlitten. Wie groß der Dämpfer tatsächlich ist, hängt vor allem von anderen Ländern ab, wie zum Beispiel China.

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Das Ziel der Klimakonferenz von Marrakesch, die Versprechen von Paris Wirklichkeit werden zu lassen, hat durch die US-Wahlen einen herben Dämpfer erlitten. Wie groß der Dämpfer tatsächlich ist, hängt vor allem von anderen Ländern ab, wie zum Beispiel China.

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Als die Klima-Verhandler in der vergangenen Woche in Marrakesch, Marokko, zusammenkamen um die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Klimakonferenz von Paris in Angriff zu nehmen, wurde ihr Enthusiasmus schnell gebremst. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten und deren Auswirkungen war so ziemlich das einzige Tagesthema. Eine Trump-Präsidentschaft ist tatsächlich schlecht für die USA, schlecht für demokratischen Diskurs, schlecht für die Demokratie, schlecht für die globale Staatengemeinschaft und schlecht für den Planeten. Wie schlecht sie für das Weltklima tatsächlich ist, soll im Folgenden ausgelotet werden.

Für Klimaschutz auf Landesebene in den USA selbst bedeutet Präsident Trump, unterstützt von einem republikanischem Kongress, nichts Gutes. Allerdings hebt dies eine allgegenwärtige Wahrheit hervor, die leicht von den Schlagzeilen verborgen wird: Egal wie viele positive Schritte die USA unter Präsident Barack Obama getätigt hat, all diese Schritte zusammengenommen sind nur der Anfang dessen was es bräuchte, um die Welt in die richtige Richtung zu lenken.

Wenn man Trump beim Wort seiner Wahlversprechen nimmt, dann hieße das viele Rückschritte und Absagen in wichtigen Bereichen des Klimaschutzes. In der Folge würden die Emissionen in den USA steigen und die Politik in diesem Bereich um gut ein Jahrzehnt zurückgeworfen. Aber wie schlimm ist das, wenn man die Analyse breiter anlegt? Nicht ganz so wie erwartet.

Ziele und Wahrscheinlichkeiten

Das Pariser Abkommen sieht eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs bei einem Plus von zwei Grad Celsius verglichen mit dem vorindustriellen Niveau vor. Längerfristig beschreibt es ein Ziel von 1,5 Grad. Diese Ziele werden dann oft in aufwändig konstruierte Emissionsbudgets umgerechnet, die festlegen, wie viele Milliarden Tonnen die Welt emittieren darf, will man eine bestimmte Temperaturschwelle nicht überschreiten.

All diesen Berechnungen ist gemeinsam, dass sie auf Wahrscheinlichkeiten beruhen. Klimaforscher wissen dies natürlich. In politischen Diskussionen gehen die Wahrscheinlichkeitsangaben meist verloren. Wir müssen uns also klar sein, dass es nicht möglich ist, ein bestimmtes Temperaturniveau zu erreichen. Es ist nie ganz klar, ob ein Emissionsbudget, das mit 2 Grad Erwärmung in Verbindung gebracht wird, nicht eigentlich 1,8 oder 2,2 Grad bedeutet. Ebenso können wir katastrophale Temperaturanstiege von 4 bis 6 Grad gänzlich ausschließen. Die Unsicherheiten sind enorm.

Nichts davon lässt uns übrigens im Ungewissen darüber ob sich der Planet tatsächlich erwärmt, oder ob wir Menschen daran schuld sind. Er tut es, und wir sind verantwortlich. Weiters ist klar, dass Klimawandel gravierende negative Auswirkungen mit sich bringt. Diese Tatsachen versteht eine Mehrheit weltweit. Die US-Regierung muss dies ebenso verstehen.

Ein Blick auf die großen Unsicherheiten rückt aber auch jede US-Klima-Aktion - oder auch das Nicht-Handeln der USA -in eine neue Perspektive. So würden etwa die direkten Auswirkungen einer Änderung der US-Klimapolitik (etwa indem die USA unter Trump im Laufe des nächsten Jahrzehnts ein oder zwei Milliarden Tonnen Kohlendioxidemissionen mehr ausstoßen würden als unter einer anderen Administration), in den Unsicherheiten der Klimaberechnung untergehen.

Ebenso wichtig ist es festzustellen, dass einem (momentanen) Nachlassen der Klimapolitik auf US-Bundesebene viel positivere Trends entgegenstehen. Denn für viele wichtige Politiken sind die US-Bundesstaaten zuständig. Nehmen wir nur einmal Florida als Beispiel. Am selben Tag, an dem die Bevölkerung Floridas mehrheitlich für Trump als Präsidenten stimmte, stimmte sie gegen Kürzungen im Solarenergiebereich.

Natürlich können die Bundesstaaten nicht alles an Versäumnissen der Regierung in Washington wieder wettmachen, aber in vielen Bereichen sind sie Vorreiter und Vorbereiter einer breiteren zukünftigen Entwicklung. Während also die Trump-Regierung einen gewaltigen Schritt zurück darstellt, sind die Aktionen auf Bundesstaatsebene äußerst positiv. 47 der 50 Bundesstaaten unterstützen erneuerbare Energien direkt. Kalifornien hat auch ein Emissionshandelsgesetz und setzt sich auch sonst ambitionierte Klimaziele. Diese Maßnahmen sind sowohl ein Bollwerk gegen allzu negative Aktionen auf Bundesebene, sie stellen aber auch Musterbeispiele für eine künftige umfassende Politik einer US-Regierung in einer Post-Trump-Ära.

Dazu kommen technologische Trends, die überwiegend in die richtige Richtung zeigen. Die drei Haupttreiber der jüngsten Emissionsminderungen in den USA waren der Umstieg von Kohle auf Erdgas, der rasche Einsatz kohlenstoffarmer Energiequellen und die Verringerung der Nachfrage. Alle drei wurden bis zu einem gewissen Grad politisch auf den Weg gebracht. Zum Beispiel war die Umstellung von Kohle auf Gas das Ergebnis früherer Investitionen in die Grundlagenforschung und die Entwicklung von Fracking-Technologien. Es benötigt weitere staatliche Initiativen, um technologische Fortschritte in allen Bereichen herbeizuführen. Allerdings sind einige der bereits bestehenden Trends nur mehr schwer zu bremsen.

Die Preise für Solar-Photovoltaik-Panels sind um über 80 Prozent innerhalb von fünf Jahren gesunken. Das war teils durch Produktionssubventionen in China und Verkaufssubventionen in Deutschland der Fall.

Das Vorantreiben neuer nuklearer Technologien liefert einen ähnlichen Hoffnungsschimmer. Hier ist allerdings tatsächlich die Politik gefragt, um die derzeitige Nuklearflotte zu erhalten und die Entwicklung fortschrittlicher modularer Reaktoren zu ermöglichen. Hier gibt es auch etwas Hoffnung auf US-Regierungsebene. Unterstützung für die notwendigen Gesetzesreformen ist ein Anliegen beider Parteien, obwohl es natürlich unter Umweltschützern umstritten ist. Wenn die USA dem Pariser Abkommen eine Absage erteilen, dann ist also entscheidend, wie andere, Europa und China etwa darauf reagieren und was auf längere Sicht geschieht. Wenn beispielsweise China oder sogar die EU die US-Wahl zum Anlass nehmen, ihre eigenen Klimabestimmungen aufzuweichen, wären die Folgen dramatisch. Die Treibhausgaskonzentrationen würden spürbar ansteigen.

Aber die Diskussionen von Marrakesch zeigen in die Gegenrichtung. Wenn China mit seine Plänen, die eigenen Kohlenstoff-Emissionen zu begrenzen, fortfährt und weiter in kohlenstoffarme Energiequellen investiert, wenn es also die Verweigerung der USA nutzt, um sich selbst in die globale Führungsrolle zu hieven, dann sind die Auswirkungen der US-Verweigerung relativ gering. Wenn die EU ebenso ihre Politiken stärkt, quasi als Gegenpol zur USA in den nächsten vier Jahren, dann könnten sich unter Umständen die Folgen der Trump-Wahl für das Klima sogar als positiv erweisen - vor allem natürlich aus langfristiger Sicht.

Worum es letztlich geht

Letztlich geht es beim Klimaschutz weniger um die absoluten Emissionszahlen als um die langfristigen Trends. Während die atmosphärischen Treibhausgas-Konzentrationen immer noch steigen, hat sich die Zunahme des Anstiegs tatsächlich verlangsamt. Alljährliche globale Emissionen steigen schon seit drei Jahren nicht mehr an. Das ist zum großen Teil dem Zusammenwirken von ehrgeizigen Klimapolitiken und billigen sauberen Technologien auf der ganzen Welt zu verdanken. Ein Präsident Trump wird solchen Bestrebungen freilich nicht viel abgewinnen können. Allerdings besteht Hoffnung, dass eine Kombination der Aktionen auf US-Bundesstaatsebene, technologischen Trends und globalen Bestrebungen die negativen Auswirkungen auf kurze Sicht minimieren. Die Zeichen aus Marrakesch deuten jedenfalls darauf hin, dass der Rest der Welt den politischen Rückschritt in den USA eher als Ansporn anstatt als Ausrede in Sachen Klimapolitik sieht.

Die Autoren sind Klimaexperten und Wissenschafter an der Harvard University, Original geschrieben für Foreign Affairs, Übersetzung: Oliver Tanzer

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