7118849-1996_26_08.jpg
Digital In Arbeit

Kommt die Gleichstellung?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Homöopathie sei eine der aussichtsreichsten nichtkonventionellen J'herapien, stellt der „Europäische Ausschuß für 1 Iomöopathie” in seinem Bericht über die „Homöopathie in Europa” fest. Zahlreiche gut kontrollierte klinische und experimentelle Studien unter streng wissenschaftlichen Kriterien beweisen, „Homöopathie bietet auch dort noch Behandlungsmöglichkeiten, wo konventionelle Behandlungen versagen oder nur Stillstand erreichen”. Dazu kommt die wachsende Vorliebe der Bevölkerung für diese Heilmethode - in Europa läßt sich be- ' reits jeder dritte Patient mit Homöo-pathika kurieren. Dies bestätigt, „daß die Homöopathie einen Platz im System des europäischen Gesundheitswesens verdient”. Zudem sind die Medikamente mit 50 bis 80 Schilling pro Fläschchen verhältnismäßig billig.

Die Arzneien stammen aus dem Mineral-, Pflanzen- und Tierreich. Selten werden sie im „Rohzustand” verwendet. Sie werden vielmehr in zeitaufwendigen Arbeitsschritten verdünnt und „verschüttelt”. Immer wird jedoch nur eine Arznei verordnet. „Komplexmittel”, die aus mehreren Arzneien zusammengesetzt sind, haben daher in der klassischen Homöopathie nichts zu suchen. Es gilt das Grundprinzip: Gleiches wird mit Gleichem geheilt. Das heißt, man verwendet Substanzen, die Krankheitssymptome beim Gesunden hervorrufen, zur Heilung ebendieser Symptome am Kranken.

Das Schwierigste ist die Arzneifin-dung. Die Erhebung der Krankengeschichte dauert mitunter mehrere Stunden. Dazu kommt noch eine gründliche klinische Untersuchung und ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt. Anhand des individuellen Persönlichkeits- und Krankenbildes verschreibt dann der homöopathische Arzt jene Arznei, die dem Patienten am besten entspricht.

In Österreich wird die Homöopathie nur von Ärzten ausgeübt, denn „die Ausübung der Homöopathie durch nichtmedizinisch qualifizierte Behandler ist nicht wünschenswert und kann mit Risken für die Gesundheit des Patienten verbunden sein”, warnt die Europäische Kommission für Homöopathie.

In Österreich gibt es derzeit rund 350 geprüfte Homöopathen. Mehr als 50 Prozent von ihnen betreiben eine Kassenpraxis. Doch was soll's, von den Kassen werden derzeit 80 Schilling ersetzt - für ein Gespräch, das nicht selten eine Stunde und mehr dauert. Die Forderung der „Österreichischen Gesellschaft für homöopathische Medizin” (ÖGHM) nach Honorarersatz in Höhe von 300 bis 800 Schilling wie bei den Psychotherapeuten überrascht daher eigentlich niemanden.

Neben dem leidigen Geld haben die Homöopathen in Österreich zudem Probleme mit der wissenschaftlichen Anerkennung. Dazu Susanne Diez, Pressesprecherin der ÖGHM: „Es ist verständlich, daß die sogenannte Naturwissenschaft ihre Probleme mit der Homöopathie hat. Tatsache ist zwar, daß Homöopathie wirkt, aber wie sie wirkt, das können wir nicht beweisen”. Dazu wären großangelegte wissenschaftliche Studien nötig. „Die einzigen, die so etwas auf die Beine stellen könnten, sind die Pharmafirmen”, meint Diez. „Diese aber sind wenig interessiert, weil homöopathische Arzneien meistens sehr billig sind.”

Auch das Verständnis von Krankheit und Gesundheit liegt quer zum üblichen schulmedizinischen Denken: Krankheit wird in der Homöopathie als dynamische Verstimmung gesehen. Die Arznei gibt Energie zur Lebensveränderung, die in Entwicklungsschritten vor sich geht - manchmal schnell, oft aber über Jahre. Entwicklung und Reifung- ist das Ziel. Homöopathen sehen die Menschen erst dann als gesund, wenn sie „in ihrer Persönlichkeit reif” sind.

Zu Optimismus - aus der Sicht der österreichischen Homöopathen - ist dennoch Anlaß. Der Oberste Sanitätsrat, ein Gremien hochkarätiger Wissenschafter, wird sich im Herbst mit der Homöopathie befassen. Vorsichtig formuliert stehen die Chancen gut, daß die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie Bestätigung finden wird. Der jahrhundertelange Streit Schulmedizin gegen Homöopathie könnte dann ein Ende finden und einem Miteinander zum Wohle des Patienten Platz machen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung