Konvent-Tagebuch ohne Schnickschnack

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Caspar Einem hat den Österreichischen Nationalrat im EU-Konvent vertreten. Geärgert hat ihn vor allem das mangelnde Interesse an seiner Arbeit im Hohen Haus. Jetzt rächt er sich mit einem ausführlichen Konventtagebuch.

Caspar Einem geht es wie den meisten Tagebuchschreibern: ein langer Arbeitstag, ein ausgiebiges Abendessen - es wird spät, aber statt der verdienten Bettruhe wartet das Tagebuch und fordert noch seinen Anteil vom Tag. Wundert's, wenn das Resümee dann manchmal sehr kurz und sehr bündig ausfällt: "Ein ernster und guter Abend. Anstrengend auch."

Caspar Einem hat noch etwas zweites mit vielen Tagebuchschreibern gemeinsam: Ausdauer und Konsequenz. Als Ergebnis dieser Anstrengung liegt jetzt sein Konventtagebuch "Die Quadratur der Sterne" vor. Der Titel ist ein gelungenes Wortspiel und fasst die Aufgabe und das Ergebnis des "Konvents zur Zukunft Europas" gut zusammen: das Unmögliche versucht, das Mögliche erreicht.

EU-Gruppenegoismus

Als Buchautor kann es Einem nur Recht sein, dass sich die Ratifizierung des Verfassungsvertrags verzögert hat; sein Tagebuch erscheint somit genau zu dem Zeitpunkt, in dem wieder Bewegung in die Verfassungsdebatte kommt. Aber auch als Mitglied des Konvents war für Einem der Ende letzten Jahres gescheiterte EU-Gipfel über die Verfassung der Union nicht ausschließlich ein Malheur: "Dadurch wurde allen deutlich, dass dieser Weg der Optimierung entlang des jeweiligen Egoismus nur scheitern kann." - "Jetzt braucht es", meint Einem, "ein wenig, allerdings auch nicht zu viel, Zeit und eine ruhige Präsidentschaft, die versucht, die Scherben aufzuheben und wieder zusammensetzen." Hinzu gekommen ist noch der Terror von Madrid, der Regierungswechsel in Spanien und das Nachgeben der Polen - Europa rückt zusammen, sucht und findet Kompromissformeln und ein schneller Abschluss der Verfassungsgebung scheint mit einem Mal wieder möglich.

Blick hinter die Kulissen

"So schrieben wir Europas Verfassung" - bei Einem ist der Untertitel des Konventtagebuchs wörtlich zu nehmen: Der SP-Europasprecher hat fleißig am Verfassungstext mitgeschrieben. "Seine" Artikel sind aufgelistet, dazu eine Rede vor dem Städtebund und die SPÖ-Positionen im Konvent - Texte von einem Spezialisten für sehr interessierte Leser.

Dazwischen eingestreut das eigentliche Tagebuch: "Konvent. Zuerst stellt Giscard d'Estaing die neuen Artikel 24 bis 33 vor, jedoch ohne die Artikel zur GASP, zur Verteidigungspolitik und zu Justiz und Inneres. Dann diskutieren wir die Artikel 7 bis 16 ..." Ein anderer Tag beginnt so: "Konvent. In der Rednerliste wäre ich Nr. 16 gewesen. Aber dann ..." Und am folgenden Tag: "Der zweite Konventstag. Dehaene führt heute den Vorsitz..." Aufhören tun die Konventstage mit einem Arbeitsessen, nur einmal versäumt Einem den Termin, "weil ich nicht weiß, wo es stattfindet".

26 Plenarsitzungen, 1.812 Wortmeldungen, 5.436 Minuten Redezeit und 5.900 Änderungsanträge - das meiste davon hat Einem in sein Tagebuch gepackt, ohne Schnickschnack, einfach so wie es war: viele Fragen, noch mehr Antworten, viel Ärger, manchmal Zorn, viel Inkompetenz, manchmal schlicht Dummheit - Europäische Union eben. Warum etliche das Buch trotzdem schätzen werden, ist schwierig zu sagen, hängt vielleicht mit dem Geist zusammen, mit dem es der Autor geschrieben hat und mit dem es von EU-Interessierten gelesen wird.

Zur Verfassung meint Einem: "Sie ist nicht die einzige und beste, die denkbar ist. Sie sollte aber die sein, die heute politisch möglich und damit Grundlage für bessere Politik von morgen ist." Auch Einems Tagebuch ist nicht das beste, das denkbar ist, aber bislang das einzige, das einen Blick hinter die Kulissen des Konvents erlaubt. Und Einem verspricht ja nur die Quadratur der Sterne und nicht die aller Tagebücher.

DIE QUADRATUR DER STERNE

So schrieben wir Europas Verfassung

Von Caspar Einem, Kremayr & Scheriau, Wien 2004, 320 Seiten, geb., e 25,-

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