Kriegstrend im Wahllokal
50.000 Soldaten der NATO proben den Ernstfall, in den Rebellengebieten wird gewählt: Welchen Wert haben Friedensübereinkommen für den Konfliktherd Ukraine?
50.000 Soldaten der NATO proben den Ernstfall, in den Rebellengebieten wird gewählt: Welchen Wert haben Friedensübereinkommen für den Konfliktherd Ukraine?
Das eigentliche Ereignis dieser Tage für die Ukraine fand nicht in der Ukraine statt. Und auch nicht in der Ostukraine, wo sich die von Russland unterhaltenen Rebellen selbst wählen ließen, ein Urnengang, der von Ablehnung bis Verurteilung seit Sonntag die europäischen Regierungen und Leitungsgremien beschäftigte. Das eigentlich bedeutende Ereignis ereignete sich in Norwegen. Besser gesagt, es ereignet sich dort seit Oktober und bis 23. November.
Die NATO-Staaten ziehen dort insgesamt 50.000 Mann ihrer Streitkräfte zusammen, in einem der größten Manöver seit dem Ende des Kalten Kriegs. Es ist Teil eines derzeit noch virtuellen Krieges zwischen dem Nordatlantik-Bündnis und der russischen Armee. Und es geht dabei, neben vielen wichtigen Agenden, auch um ein Was-wäre-wenn-Spiel (... wenn die Russen einmarschieren). Und weil am Ende die Reaktionsfähigkeit der Truppen nicht nur trainiert, sondern vor allem demonstriert wird, ist es ein wichtiger Teil der Realpolitik der Abschreckung.
Virtueller Krieg, reale Drohung
Das Manöver wird mehr als 100 Millionen US-Dollar kosten. 31 NATO-und Partnerländer kooperieren dabei. Der Manöverraum ist entsprechend umfassend: Mittel-und Ostnorwegen, die umliegenden Gebiete des Nordatlantiks und der Ostsee, einschließlich Island und des Luftraums von Finnland und Schweden. Rund 150 Flugzeuge, 65 Schiffe und bis zu 10.000 Fahrzeuge sind beteiligt.
Der Gegner ist nicht nur virtuell Russland und die Bedrohung fühlen seit der Besetzung der Halbninsel Krim in der Ukraine alle baltischen Staaten. Offizielles Ziel deshalb: "Sicherstellen, dass die NATO-Streitkräfte ausgebildet sind, in der Lage sind, zusammenzuarbeiten und bereit sind, auf jede Bedrohung aus allen Richtungen zu reagieren."
Das alles sind die Nebenwirkungen des seit 2014 offen ausgetragenen Konflikts um die Osthälfte der Ukraine. Die ebenfalls groß angelegten Manöver der Russen und schließlich auch die "illegalen" Wahlen in den besetzten Gebieten der Ukraine zeigen vor allem eines: Das Minsker Abkommen, das geschlossen wurde, um eine Deeskalation voranzubringen, ist wirkungslos. Vor allem da, wo es Wirkung zeigen sollte -in dem Säbelrasseln der beiden großen Militärblöcke.
Bei den vom Westen als illegal eingestuften Wahlen in den ostukrainischen Rebellengebieten haben sich wie erwartet Siege der dort amtierenden "Präsidenten" abgezeichnet. In der prorussischen "Volksrepublik" Donezk kam Denis Puschilin nach Auszählung von 27 Prozent der Stimmen auf 57 Prozent, wie die dortige Wahlkommission am Sonntagabend erklärte. In der Region Lugansk entfielen nach Auszählung von 31 Prozent der Stimmen 70 Prozent auf Leonid Pasetschnik.
Verstoß gegen Abkommen
Der 37-jährige Puschilin führt die "Volksrepublik" Donezk übergangsweise, seitdem sein Vorgänger Alexander Sachartschenko im August bei einem Anschlag getötet wurde. Der 48-jährige Pasetschnik übernahm die Amtsgeschäfte in Lugansk von Igor Plotnizki, der im November 2017 gestürzt worden war. Beide haben im Wahlkampf versprochen, engere Beziehungen zu Moskau zu knüpfen.
Die EU und die USA sehen in den Wahlen im Industriegebiet Donbass einen Verstoß gegen die Minsker Friedensvereinbarungen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilten die Wahlen. (tan/ag)
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