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Während im Kinofilm "The Motorcycle Diaries" Che Guevara auf seiner Reise vom Medizinstudenten zum Revolutionär wird, ist in Kuba selbst von den Gedanken der Revolution nicht mehr viel zu finden. Die totale Che-Vermarktung.

Mit dem Devotionalienkitsch rund um den Helden der kubanischen Revolution aufräumen will der Film "Die Reise des jungen Che", der kürzlich auch hierzulande angelaufen ist. Der Road Movie, basierend auf den Aufzeichnungen "Diarios de Motocicleta" des 23-jährigen Ernesto Guevara de la Serna, schildert tatsächlich einen jungen Idealisten und Abenteurer, der auf seiner Reise durch Lateinamerika das Elend erblickt und revolutionäre Wurzeln schlägt.

Wer allerdings heutzutage nach Kuba reist, erlebt das pure Gegenteil. Dort blüht das Nostalgie-Geschäft mit dem einstigen Helden der Revolution, der aus einem behüteten Leben in Buenos Aires ausbrach und an der Seite des Jesuiten-Schülers Fidel Castro die kubanische Revolution zum Erfolg führte. Ob Che eine Kultfigur für politische Eliten der 68er Generation oder eine Ikone für Sozialromantiker geworden ist, kümmert die Ladenbesitzer in Havanna, Varadero und Holguin wenig.

Hauptsache, die Touristen kaufen. Und sie kaufen, egal, woher sie kommen. Es müssen ja nicht immer Rum und Zigarren sein. Die Souvenir-Geschäfte auf der Karibik-Insel sind prall gefüllt mit T-Shirts in allen Farben. Meist ist es das berühmte Foto von Alberto Korda, das 1960 den Drei-Peso-Schein zierte und heute auf den Leiberln prangt: der schwarzlockige Che mit dem unverkennbaren Barett auf dem Kopf. Mützen, Wimpel, Teller, Aschenbecher. Memorabilia, wohin das Auge blickt.

Fotos vom Fotografen Che

Vor allem mit Che-Plakaten und -Büchern sind die Läden gut bestückt. Ein Renner ist der Bildband "Che Guevara", herausgegeben vom Che-Biografen Jean Cormier Eyheraguibel, in dem die "Fotografos de la Revolucion" den Helden in allen Stationen seines Lebens festhalten, auch mit den Companeros Fidel Castro und Camilo Cienfuegos. Neben Alberto Korda haben ihn Raul Corrales, Chinolope, Roberto Salas und andere in - vor allem schwarz-weiße - Porträts gebannt. Der fotogene Che liebte es gar nicht, geknipst zu werden. Salas hat dafür eine simple Erklärung - weil "der Che" selbst Fotograf war.

Jeder der Porträtisten erzählt seine Geschichte, wie er Guevara traf, unter welchen Umständen er ihn ablichtete. So beschreibt Korda, wie er zu seinem nachmals berühmten Bild des Revolutionärs kam: "Ich hebe den Kopf nicht, bewege nur meine Leica ... Dann erscheint das harte, anklagende Gesicht des Che. Sein Ausdruck ist so imponierend, dass ich fast unwillkürlich zurückweiche, und im Bruchteil einer Sekunde drücke ich auf den Auslöser ... Es ist das Foto."

Was macht(e) die Faszination des Che aus? Das offizielle Kuba zeichnet ihn heute als die Inkarnation des "reinen" Helden. So schreibt ein Reiseführer der Tourismusbehörde, das Korda-Foto spiegle seinen "reinen und intensiven Blick, den vollkommensten Ausdruck des revolutionären Ideals". Che lernte Fidel über dessen Bruder Raul kennen, er gesellte sich schließlich zu den Rebellen, die den Diktator Fulgencio Batista stürzten. Kein Wort über das spätere Zerwürfnis der Revolutionäre. Che ging in den 60er Jahren in den Kongo und dann nach Bolivien, heißt es lediglich.

Heute steht Che - diesen Spitznamen verdankt er seinem "Porteno"-Akzent vom Rio de la Plata - in seiner Wahlheimat wieder im Zentrum offizieller Ehrungen. Diese Verehrung des argentinischen Revolutionshelden wird auch von Fidel Castro geduldet. Dass die beiden vor rund 40 Jahren in Unfrieden auseinander gingen, spielt keine Rolle. In Santa Clara wurde dem Helden der Schlacht von 1958 ein Mausoleum errichtet, als dessen Gebeine aus Bolivien überführt wurden - 30 Jahre nach seinem Tod 1967. "Hasta la victoria siempre" steht unter der Statue Ches zu lesen, der 39-jährig starb.

Che über der Nationalbank

Auf der Plaza de la Revolucion, wo Fidel Castro vor Millionen Kubanern die Paraden abnimmt, ist weithin das Konterfei seines einstigen Mitkämpfers Che Guevara zu erblicken - über der Nationalbank, die er lenkte, bevor er sich mit Fidel überwarf. Am diesjährigen 1. Mai hing ein kämpferisches Transparent mit dem Spruch "Jeder Kubaner - eine Armee" daneben. Der Maximo Lider hat offenbar nie gewagt, das Bild abzunehmen. Von der "reinen Revolution" sprach der alte Recke im Kampfanzug mit brüchiger Stimme. Fast wäre Fidel vor kurzem durch einen spektakulären Sturz selbst zum Mythos geworden.

"Wir verstehen etwas von den Menschenrechten. Wir haben keine Todesschwadrone und keine außergerichtlichen Verfahren", wetterte der Alt-Revolutionär. Hingegen begingen die USA und ihre Verbündeten jedes Jahr einen "Völkermord", sie führten "brutale Bombardements" im Irak aus und hätten "viele Schwarze und Latinos" bei ihren Truppen. Der Hass gegen Kuba sitze tief. Tausende Zuhörer, unter ihnen viele in roten T-Shirts mit Che-Emblem, fächelten mit Papierfähnchen Zustimmung. Bruder Raul stand drunten im Volk, erste Reihe fußfrei.

"Das alles kommt mir vor wie die Sowjetunion in den 30er Jahren", meinte ein Russe, der der Parade am 1. Mai im Kreise westlicher Journalisten beiwohnte. "Die Verherrlichung der Welt der Arbeit in groß angelegten Spektakeln." Verwundert ist er dennoch über die kapitalistische Vermarktung der "Marke Che". Was sich auf der Karibik-Insel abspiele, sei der direkte Wandel vom Kommunismus zum Konsumismus.

Auch Ausländer haben mittlerweile das einträgliche Geschäft mit Che entdeckt. Auf dem "Che Guevara Trail" können Touristen heute den Spuren des Revolutionshelden folgen. Der deutsch-französische Veranstalter bietet sechs- bis achttägige Rundreisen, die zu diversen Schauplätzen auf der Zuckerinsel führen. Che wird auf seinem abenteuerlichen Weg durch die Sierra Maestra begleitet - "von der Landung der Granma bis zu seiner Ernennung zum Comandante". Auch Kontakte mit Familienmitgliedern Guevaras sollen eingeplant werden.

Dekadenz statt Revolution

Ein anderer Reiseveranstalter hat sich auf das Havanna der legendären 50er Jahre spezialisiert. In diesem Programm geht es eher dekadent denn revolutionär zu. Hemingway und Oldtimer, Cabaret Tropicana und Salsa verspricht der Prospekt, den Duft von Mafia, Ron und Cigarillos. Doch ohne Che geht es auch hier nicht. "Golfen Sie - wie einst Fidel und Che!", lockt die Broschüre. Im Shop des noblen Golfclubs Xanadu auf Varadero hängt tatsächlich ein Bild des Golfers Che - freilich im olivgünen Overall -, der gerade zum Schlag ausholt.

Neben Che Guevara gibt es die "Miami Five", die so etwas wie einen Kultstatus auf Kuba genießen. Es sind dies fünf Kubaner, die 2001 in den USA wegen Spionage und Verschwörung zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Jedes größere staatliche Hotel besitzt seine Devotionalienecke mit den Bildern der fünf Männer und Aufrufen, in denen ihre Unschuld beteuert wird. Aber mit der Wiederwahl von US-Präsident George Bush stehen die Chancen wohl schlecht, dass die fünf in absehbarer Zeit nach Kuba ausreisen dürfen, um dort als Helden gefeiert zu werden.

Die Autorin ist Leiterin der APA-Außenpolitik-Redaktion.

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