Kurze Chronik einer langen Solidaritätskrise

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EU, Bund, Länder, Bezirke und Gemeinden: Wie die Verantwortung für die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten hin-und hergeschoben wird und es an nachhaltigen Lösungen mangelt.

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EU, Bund, Länder, Bezirke und Gemeinden: Wie die Verantwortung für die Flüchtlinge aus Kriegsgebieten hin-und hergeschoben wird und es an nachhaltigen Lösungen mangelt.

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Die langwierige Geschichte der Unterbringungskrise liest sich wie ein Report des kollektiven Scheiterns. Dabei wäre gerade heuer, wo im ersten Halbjahr so viele Flüchtlinge in Österreich angekommen sind wie im gesamten Vorjahr, eine Zusammenarbeit aller Player dringend nötig. Weil das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen völlig überlastet ist, lässt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ab Mitte Mai Zelte aufbauen -in Thalham, Traiskirchen, Linz und Salzburg. Von nachhaltiger Entlastung kann aber keine Rede sein: Mittlerweile sind über 3900 Menschen in Traiskirchen untergebracht, Hunderte haben kein Dach über dem Kopf. Das Innenministerium startet den Aufruf an die Bevölkerung, Unterkünfte für Asylsuchende zur Verfügung zu stellen. Mitte Juni beschließt Mikl-Leitner, keine neuen Asylverfahren mehr einzuleiten und nur mehr Rück-und Abschiebungen, sogenannte "Dublin-Fälle", zu bearbeiten. Sie verteidigt diese Maßnahme als "Warnsignal an die EU-Mitgliedsstaaten", und kritisiert, dass Österreich wegen der schnellen Asylverfahren "zu einem Magnet" geworden sei. Dem widerspricht Anny Knapp, Obfrau der Asylkoordination Österreich: "Seit eineinhalb Jahren werden vom Innenministerium keine statistischen Auskünfte über Anzahl und Art der Erledigungen in Asylverfahren bekannt gegeben." Bei der Asylkoordination langen immer wieder Beschwerden über den Stillstand bei Asylverfahren, insbesondere bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, ein.

Verpflichtende Quoten nötig

Ende Juni schlägt Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) eine Bezirksquote vor, um die Flüchtlinge fair auf die Bezirke zu verteilen. Einige ÖVP-Landeshauptleute, darunter Erwin Pröll (Niederösterreich), Josef Pühringer (Oberösterreich) oder Günther Platter (Tirol) lehnen das aber ab. Nach dem gescheiterten Asylgipfel wird der Ton zwischen Bund und Ländern rauer. Statt Zelten stehen nun Container zur Diskussion. Nach wie vor erfüllen nur Wien und Niederösterreich ihre Quote. Nun erhofft man sich von den sieben neuen Verteilerzentren in den Ländern eine Entlastung der Erstaufnahmestellen Traiskirchen und Thalham. Das niederösterreichische Verteilerzentrum kommt ins Lager Traiskirchen, das überfüllt bleibt. Traiskirchens SPÖ-Bürgermeister Andreas Babler protestiert und fordert weiter ein bundesweites Aufteilungsgesetz für Flüchtlinge: "Die 15a-Vereinbarungen zwischen Ländern und Bund haben seit 2004 nie funktioniert."

Indessen plant die EU, insgesamt 60.000 Flüchtlinge anhand eines Verteilungsschlüssels in den EU-Staaten zu verteilen. Mikl-Leitner akzeptiert Österreichs Quote von 1657 Flüchtlingen nicht, will maximal weitere 400 Personen aufnehmen. Weiterhin fehlen EU-weit fast 8000 Plätze. Das UN-Flüchtlingshilfswerk rechnet mit einem Anstieg allein der Syrienflüchtlinge auf 4,3 Millionen bis Jahresende. Es wird kein Weg an einem neuen EU-Asylsystem mit verpflichtenden Quoten und mehr Solidarität vorbeiführen.

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