Auschwitz-Dienstausweis von Maria Stromberger - In der neuen Österreich-Ausstellung in Block 17 des Museums Auschwitz- Birkenau sind auch einige Erinnerungstücke an Maria Stromberger, wie dieser Dienstausweis, zu sehen. - © APM Bildarchiv, Gedenkstätte Auschwitz

KZ-Oberschwester Engel

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Maria Stromberger wird als Krankenschwester im KZ Auschwitz zur Heldin der Mitmenschlichkeit – und danach vergessen. Nun erinnert der Vorarlberger Historiker Harald Walser an sie in einem Buch.

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Maria Stromberger wird als Krankenschwester im KZ Auschwitz zur Heldin der Mitmenschlichkeit – und danach vergessen. Nun erinnert der Vorarlberger Historiker Harald Walser an sie in einem Buch.

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Es war in einer Zeit, an einem Ort, wo zu quälen und zu töten als oberste Pflicht „für Führer, Volk und Vaterland“ befohlen wurde. In dieser Un-Zeit, an diesem Un-Ort war es für Maria Stromberger „moralische Verpflichtung als Mensch, für Leidende etwas zu tun, welche durch meine Nation in diese Situation gebracht worden sind“. Das Zitat aus einem Brief 1946 an die Verlobte des von Stromberger geretteten polnischen KZ-Häftlings Edward Pyś zeigt, warum die österreichische Krankenschwester nicht ins System passte – nicht in der Nazi-Zeit, aber auch nicht in das sich hinter seiner Opferthesen-Lebenslüge versteckende Österreich in den Jahren danach.

Sie werde nicht einmal zum Schein etwas tun, was ihrer Überzeugung widerspreche, wies sie einmal die Aufforderung von Auschwitz-Häftling Pyś zurück, der vorschlug, sie solle ihn zum Schein in Gegenwart von SS-Aufsehern maßregeln, weil ihr Wohlwollen gegenüber den KZ-Gefangenen zu offensichtlich sei. Angesichts derartig sturem Gutsein grenzt es an ein Wunder, dass ein moralisch gerader Mensch wie Stromberger diese Jahre an diesem verbogenen Ort überleben konnte.

Engel mit Schutzengel

Harald Walser betitelt seine Biografie über die KZ-Krankenschwester „Ein Engel in der Hölle von Auschwitz“. Pyś hatte seine Retterin und die vieler anderer Häftlinge so geadelt. Nach der Lektüre des Walser-Buches muss man hinzufügen, dass Stromberger noch mindestens einen menschlichen Schutzengel an der Seite hatte: Standortarzt Eduard Wirths hielt mehrmals seine schützende Hand über Stromberger, wenn diese vom SS-Personal wegen ihrer Menschlichkeit angezeigt wurde. In der Endphase des Vernichtungslagers ließ er sie wahrscheinlich mithilfe einer Scheindiagnose als „Morphinistin“ versetzen und damit aus der Gefahrenzone bringen. Auch andere KZ-Überlebende attestierten Wirths, „er sei, insgesamt ein anständiger Mensch gewesen und habe vielen geholfen“. Doch bei der Erfüllung des NS-Rassenwahns gegen Juden kannte er kein Pardon. Er organisierte die Selektionen und schickte die Menschen ins Gas.

Anhand der akribisch recherchierten Beschreibung von Strombergers Biografie gelingt es dem Vorarlberger Historiker und langjährigen Grünen Nationalratsabgeordneten Walser mit seinem Buch auch, die Funktionsweise der Auschwitzer Todesmaschinerie darzustellen. Vor allem das Gegeneinander zwischen der Politischen Abteilung, der auf Terror und Spitzelwesen setzenden „Lager-Gestapo“, und der auf einen reibungslosen Arbeits- und Tötungsablauf bedachten Lagerleitung, spielt in Walsers Darstellungen eine wichtige Rolle. Genauso wie es der Widerstandsbewegung im Lager gelang, diese Konkurrenz für sich zu nützen. Dabei kam Maria Stromberger eine zentrale Rolle zu.

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