Land mit falschem Namen

Werbung
Werbung
Werbung

Das Militärregime in Burma hat dem Land nicht nur seine demokratisch gewählte Regierung gestohlen, die Junta verbietet sogar die rechtmäßige Landesbezeichnung.

Eine Fahrt durch Yangon ist eine Zeitreise in die Vergangenheit: Es gibt kaum Hochhäuser in der Hauptstadt Burmas, nur vereinzelt moderne Autos und in den Abendstunden werden die Straßen marginal beleuchtet. Die Fassaden der alten Kolonialhäuser deuten darauf hin, dass die Stadt früher ein blühendes Wirtschafts-Zentrum war. Heute wuchert vielerorts der Schimmel: Über 40 Jahre Diktatur haben ihre Spuren hinterlassen.

Auch wenn es Touristen heute erlaubt ist das Land zu bereisen - von einer wirklichen Öffnung ist Burma weit entfernt. Der Großteil der Bevölkerung ist arm und lebt von der Landwirtschaft, die soziale Situation ist fatal: Die Regierung gibt jährlich etwa zehn Cent pro Person für Gesundheit aus, andererseits werden 40 bis 50 Prozent des Budgets für Militärausgaben verwendet. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitiert vom aufkommenden Tourismus. "Ein Großteil fließt in die Taschen der Generäle", sagt Margot Pires vom Austrian Burma Center.

Zwei Nationalhelden Aung

1962 riss General Ne Win in einem Militärputsch die Macht an sich und orientierte das Land auf einen "Burmesischen Weg zum Sozialismus". Die Junta dekretierte im Juni 1989, dass das Land auch in Fremdsprachen "Myanmar" heiße; die oppositionelle Demokratiebewegung unter der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi lehnt dies ab.

Als der Druck der Opposition zu groß wurde, kam es 1990 zu freien Wahlen, die das Wahlbündnis rund um Aung San Suu Kyi gewann. Die Tochter eines burmesischen Nationalhelden genießt große Sympathie im Volk und erreichte damals über 70 Prozent der Stimmen. Aber bis heute weigert sich das Militär die Macht zu übergeben. Auch die Tatsache, dass Aung San Suu Kyi 1991 den Friedensnobelpreis erhielt, änderte daran nichts. Sie wurde mehrmals inhaftiert und unter Hausarrest gestellt. Viel zu gefährlich ist den Machthabern die Forderung nach Demokratie. Sie sind vollauf damit beschäftigt, ihre eigenen Privilegien zu bewahren.

Menschen zweiter Klasse

"Es kommt vor, dass Militärs beim Zwischenstopp ein Flugzeug betreten, Passagiere zum Aussteigen zwingen und deren Sitzplätze einnehmen. Die betroffenen Passagiere können dann erst am nächsten Tag weiterreisen", erzählt der katholische Priester John Naw Lawn. Er arbeitet im Norden des Landes und hat Flugerfahrung mit Myanmar Airways. Als Angehöriger der Kachin-Minderheit und als Christ ist er es gewohnt, von Offizieren und Bürokraten als Mensch zweiter Klasse behandelt zu werden. "Die Regierung hätte gerne ein Volk, ein Land mit einer Religion", meint er. "Sie wollen nicht sehen, dass Myanmar aus sieben Nationalstaaten und über 100 Volksgruppen besteht."

Minderheiten wie die Kachin, die Karen oder die Mon leiden im Vielvölkerstaat Myanmar alle unter ähnlichen Problemen: Sie wurden im 19. Jahrhundert von den Engländern in den künstlichen Staat Burma eingegliedert und werden seit damals von der dominanten Gruppe der Birmanen innerhalb des Staates an den Rand gedrängt. Das bedeutet bis heute: Zwangsumsiedlungen, verpflichtender unentgeltlicher Arbeitsdienst, Massenvergewaltigungen, Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten und keine Bildung.

"Wir haben keine Religionsfreiheit, die Regierung tut nichts für die Bildung unserer Jugend, aber unser größtes Problem ist die Zerstörung unseres Lebensraumes" sagt John Naw Lawn, steigt aus dem Jeep und deutet auf ein Fluss-Delta. Dort wo der Mali Hka und der Nmai Hka zusammenfließen, sah das Flussbett vor zwei Jahren völlig anders aus. "Dann kamen Bagger-Schiffe, die nach Gold suchten und wühlten alles um. Seither ist der Fluss vergiftet, weil beim Goldabbau Quecksilber zurückbleibt. Wie sollen wir ohne Wasser überleben?"

Hier im Norden des Landes, nur etwa 50 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt, wird die Tragik der Minderheiten deutlich. Die Regierung ist am Wohl dieser Menschen nicht interessiert, verkauft das Land und seine Rohstoffe an chinesische Konzerne und erhält im Gegenzug günstige Waffenlieferungen. Es gibt keinerlei nachhaltige Investitionen von denen auch die Bevölkerung profitieren würde. Es ist purer Raubbau an der Natur, der darauf abzielt, die Lebensader dieser Menschen zu treffen. Die Umweltorganisation "Global Witness" bestätigt, dass täglich 180 Lkws beladen mit Teakholz die Grenze nach China passieren. "Wenn unser Land zerstört ist, sind auch wir am Ende", sagt John Naw Lawn.

Das kleine Volk der etwa 1,2 Millionen Kachin spürt seit Jahrzehnten sowohl den Druck des burmesischen Regimes als auch die Macht der chinesischen Konzerne und Händler. Vor einigen Jahren kämpfte noch eine Unabhängigkeitsarmee für ihre Rechte, aber die Führer dieser Rebellenarmee haben sich mit der Situation arrangiert: Sie wurden zu "Warlords" die sich am Geschäft mit Gold und Teakholz beteiligen. Nichts von diesen Erlösen erhält das Volk der Kachin.

Kinder zum Soldatendienst

Was kann die Kirche helfen? John Naw Lawn war während des Bürgerkrieges in den Bergdörfern, Kinder aus seiner Pfarre wurden zum Soldatendienst gezwungen. Er wird wütend, wenn er über die Willkür der Behörden spricht und über die Vertreter der Unabhängigkeitsarmee, die das Volk verraten haben. "Das einzige, was uns helfen kann, ist Bildung für unsere Jugend", sagt der Leitet eines Kollegs für junge Kachin, die sich auf die Aufnahmeprüfung an der Universität vorbereiten.

Schulen waren es auch, die dem Christentum vor 50 Jahren halfen, in dieser Gegend Fuß zu fassen. Die ersten Missionare kamen zwar bereits 1873 aus Paris, aber erst die irischen Columban-Missionare erwarben sich durch die vielen kleinen Dorfschulen das Vertrauen der Menschen. Und was kann den Kachin heute in ihrem Freiheitskampf helfen? "Nicht unbedingt Geld", sagt John Naw Lawn, "wir brauchen das Gefühl, dass sich jemand für uns interessiert, dass wir nicht unbeachtet von der Weltöffentlichkeit unseren Überlebenskampf führen müssen."

Der Autor ist Mitarbeiter von Jugend eine Welt, Don Bosco-Aktion Austria.

Weitere Infos:

www.austrianburmacenter.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung