Werbung
Werbung
Werbung

In Sparpaketszeiten hat Föderalismus-Kritik Hochkonjunktur. Kann Österreich sich neun Bundesländer leisten? Wie groß ist das Sparpotenzial? Was würde sich ändern, wenn die Länder abgeschafft werden? Ein Gedankenexperiment.

Manchmal wird man auch positiv überrascht. Letzte Woche etwa, als die Bundesländer, oft als Blockierer verschrien, viel früher als angekündigt ihre grundsätzliche Zusage zum Sparpaket abgaben. Mit 5,2 Milliarden Euro beteiligen sich die Bundesländer an der Budgetkonsolidierung. Details werden erst diese Woche bei der Konferenz der Finanzreferenten besprochen.

5,2 Milliarden klingt nach einer ordentlichen Summe, doch der erste Eindruck täuscht: Das Sparpaket gewährt ihnen nämlich eine großzügige Schonfrist. Einsparungen im größeren Stil sind erst ab 2014 nötig, bis dahin decken die zusätzlichen Steuereinnahmen nämlich fast den gesamten Konsolidierungsbetrag. Jeder dritte Steuereuro geht gemäß Finanzausgleich an die Bundesländer, und so reduzieren Solidarbeitrag, Umwidmungsabgabe und Co. gleichzeitig den Sparbetrag der Länder um die Hälfte. Das ärgert Angelika Mlinar, die Bundessprecherin des Liberalen Forums: "Den Finanzausgleich müssen wir neu diskutieren“, sagt sie, "es geht nicht, dass die Länder verlangen, und der Bund prompt liefert.“

Betriebskosten: 300 Millionen

In Zeiten von Sparzwang und Staatsschuldenkrise hat Föderalismus-Kritik Hochkonjunktur. Ob die politische und verwaltungstechnische Gliederung Österreichs in neun Bundesländer, wie es Hans Kelsen 1920 in der Verfassung festschrieb, noch zeitgemäß ist, wird seit Jahrzehnten diskutiert. Auf kaum einem Gebiet hat es so viele Reformvorschläge gegeben wie zur Neugestaltung des Föderalismus. Und auf keinem wurden sie so halbherzig verwirklicht.

Lieblingsargument für die Abschaffung des Föderalismus ist der Kostenfaktor. Simpel gerechnet: Neun Landeshauptleute kosten pro Monat je 16.000 Euro, ihre Stellvertreter 15.500 Euro. Dazu leistet sich Österreich 79 Landesräte für je 14.700 Euro, 18 Landtagspräsdemten um 9.000 Euro, 450 Landtagsabgeordnete um 6.500 Euro und 62 Bundesratsabgeordnete zu je 4.000 Euro. Mit dem administrativen Personal und den Kosten der Parteienförderung auf Landesebene summieren sich die Betriebskosten auf mindestens 300 Millionen im Jahr. Könnte dieser Betrag bei Abschaffung der Bundesländer das Budget sanieren, Schulen finanzieren oder in die Wissenschaft fließen? "Nein“, meint Peter Bußjäger, Leiter des Instituts für Föderalismus in Innsbruck, "auch wenn man keine Provinzregierungen hätte, bräuchte es in den Regionen Apparate, die Aufgaben erfüllen. Die würden auch etwas kosten.“

Mehr echte Subsidiarität

Ähnlich sieht das Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, der den Staat am liebsten radikal umbauen würde (siehe rechts). Ihm geht es deshalb nicht so sehr ums Sparen, sondern primär um Modernisierung. Plass will zwar die Bundesländer abschaffen, aber keine plumpe Zentralisierung: "Wir brauchen keinen Föderalismus mit neun Subzentren, sondern stattdessen mehr echte Subsidiarität. Über prinzipielle Werte soll es bundesweit gültige Rahmengesetze geben. Auf lokaler Ebene sollen Gemeinden, Schulen, Kindergärten und Spitäler aufgewertet werden und mehr Autonomie erhalten.“

Ein straffes einheitsstaatliches System würde sich zuerst im ländlichen Raum auswirken, meint Peter Bußjäger: "In zentralistisch organisierten Staaten dünnt die Infrastruktur an Land aus. Das führt zu dramatischen Bevölkerungsabnahmen und die Dörfer sterben aus.“ Besonders unangenehm würde sich der länderlose Staat im Alltag auswirken, wenn die Bürger etwa weite Wege ins nächste Spital hätten, weil die medizinischen Einrichtungen reduziert werden.

Diese Sorge teilt Angelika Mlinar nicht. "Bei Krankenhäusern kommt eine andere Logik zum Tragen als beim Greißler“, hält sie dagegen. "Im derzeitigen System wird der Bevölkerung eine Versorgung vorgespielt, die es so gar nicht gibt.“ Gerade die vielzitierten Spitäler-Zwillinge in der Nähe von Landesgrenzen brächten für die Bevölkerung nämlich nicht nur finanzielle Belastungen, sondern auch Einbußen bei der medizinischen Behandlung. Mlinar erzählt von drei nahe gelegenen Krankenhäusern, deren gynäkologische Abteilungen allesamt nicht in der Lage wären, Geburten ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad abzuwickeln, weil ihnen schlichtweg die Erfahrungswerte fehlen.

Die Österreicher stehen ihrem Föderalismus gespalten gegenüber. Eine letzten Juni für den Standard durchgeführte Umfrage ergab, dass 62 Prozent den Landeshauptmann für unverzichtbar halten. Am Landtag hängen hingegen nur 43 Prozent. Das könnte daran liegen, dass sich die Länderparlamente nicht häufig zu Sitzungen treffen und dann nur wenige und meist recht unwesentliche Beschlüsse fassen. "Die Landtage müssen sich bis zu einem gewissen Ausmaß selber finden“, räumt Bußjäger ein. Wirkliches Problemkind aber, da sind sich Bußjäger und die Föderalismus-Kritiker einig, ist der Bundesrat: "Das ist eine missglückte Einrichtung, die wir seit 90 Jahren mitschleppen und bei der wir bisher noch keine Reform geschafft haben“, befindet Bußjäger. Reformvorschläge für die zweite Kammer des Parlaments gäbe es jedenfalls genug. Wenn Österreich auf dem Reißbrett neu gegründet würde, sähen die Strukturen bestimmt anders aus. An historisch Gewachsenem und regionalen Identitäten wird aber auch im 21. Jahrhundert noch erbittert festgehalten. "Die regionale Identität bildet sich durch das Gefühl, dass das Bundesland etwas Besonderes ist. Und das kann nur durch Autonomie erzielt werden. Dafür braucht man Landtage und Landesregierungen“, sagt Bußjäger. Er befürchtet daher die Aushöhlung der Länderkompetenzen: "Föderalismus bringt nur dann Vorteile, wenn man tatsächlich entscheiden kann. Sonst leistet man sich wirklich nur Strukturen, die viel kosten.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung