Lebensgeld als Lebensansporn

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Bedingungsloses Grundeinkommen nur als Instrument der Armutsbekämpfung zu sehen, ist zuwenig, meint der liberale Nationalratsabgeordnete Alexander Zach und setzt damit die Furche-Debatte zum Thema fort.

Mehr als die tausend Worte, die Margit Appel und Markus Matterbauer in der Furche (Nr. 36/2007) über das Grundeinkommen geschrieben haben, sagte das Bild aus, das den Beitrag schmückte: Ein offensichtlich obdachloser Mann schläft auf einer Parkbank. Solche Bilder prägen sich ein. Sie bestätigen das Vorurteil, dass vom Grundeinkommen vor allem die sozialen Randgruppen profitieren. Keine Frage: Das bedingungslose Grundeinkommen soll existenzsichernd wirken und den in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 festgeschriebenen Anspruch auf Lebenshaltung garantieren.

Frau Appel und Herr Matterbauer konzentrieren sich jedoch viel zu stark auf die Funktion des Grundeinkommens als Mittel der Armutsbekämpfung. Sie lassen die befreienden und belebenden Aspekte des Grundeinkommens völlig außer Acht. Denn das bedingungslose Grundeinkommen ist die Antwort auf eine zentrale Herausforderung der Zukunft: Es sichert die soziale Absicherung für alle und ermöglicht gleichzeitig eine weitere Flexibilisierung der Arbeits- und Lebenswelt.

Dass sich unsere Arbeitswelt stark verändert, ist kein Geheimnis. Der klassische Vollzeitarbeitsplatz verschwindet: Das "Normalarbeitsverhältnis", also eine fixe Anstellung mit vielen Rechten und Vorteilen, wird immer öfter abgelöst durch projektbezogene, zeitlich befristete Anstellungen, freie Dienstverträge und neue Selbständigkeit.

Unfreiwillig selbständig

Das deutsche Fraunhofer-Institut prognostiziert in einer Studie über die Zukunft der Arbeit, dass 2050 nur noch vierzig Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland unbefristet angestellt sein werden. Der Rest wird auf Basis von Zeitverträgen arbeiten (knapp die Hälfte) oder selbständig tätig sein. Überhaupt: Die Zahl der nicht fix Angestellten verdoppelt sich in den nächsten vier Jahrzehnten auf knapp zwanzig Prozent. "Irgendwann wird nicht mehr klar sein, wer Arbeitnehmer ist und wer Unternehmer", beschreibt der Arbeitsmarktforscher Hilmar Schneider diesen offenkundigen Trend.

Schon jetzt wächst die Gruppe der Neuen Selbständigen und Ein-Personen-Unternehmer in Österreich beträchtlich. Viele von ihnen schätzen die daraus resultierende Flexibilität und Selbständigkeit. Es sind aber immer mehr darunter, die sich ihren beruflichen Status nicht selbst aussuchen können. Beide Gruppen - die Freiwilligen und die Unfreiwilligen - sind davon betroffen, dass unser derzeitiges Sozialsystem nicht auf sie ausgerichtet ist. Es ist längst an seine Grenzen gestoßen. Dennoch glauben Regierung, Gewerkschaft und Kammern weiterhin, mit den alten Instrumenten die sozialen Sicherungssysteme von morgen gestalten zu können. Sie wollen das Neue ins Korsett des Alten zwängen. Das wird nicht gehen.

Wie hilflos die Regierung mit den neuen Herausforderungen der Arbeitswelt umgeht, verdeutlicht Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Er schlägt vor, eine Arbeitslosenversicherung für Selbständige einzuführen, erklärt aber im gleichen Atemzug, dass diese wohl kein wirklicher Renner werde. Warum sollte es auch? Sein Vorschlag widerspricht dem Wesen der Selbständigen: Arbeit haben sie genug - nur viel zu oft resultiert daraus zu wenig oder gar kein Einkommen.

Die geplante Mindestsicherung der Regierung wird die Probleme vieler Selbständiger auch nicht lösen. Denn auch sie kennt nur das Bemühen um die alte Festanstellung. Wer sich zum Beispiel auf den Weg in die Selbständigkeit machen will, wird keinen Anspruch auf Unterstützung haben. Benachteiligt sind auch die Künstlerinnen und Künstler, deren soziale Absicherung durch eine bürokratische Künstler-Sozialversicherung nicht abgedeckt ist.

Antwort auf neue Arbeitswelt

Das bedingungslose Grundeinkommen hingegen ist eine adäquate Antwort auf die neue Arbeitswelt: Es minimiert das Risiko, ohne jegliche finanzielle Mittel dazustehen, wenn man sich auf etwas Neues einlässt. Im Gegenteil: Es spornt an, sich mit etwas zu beschäftigen, wofür man (noch) nicht bezahlt wird, weil man weiß, dass man vom Grundeinkommen zumindest seine Miete, seinen Strom und sein Essen bezahlen kann.

Mit dem Grundeinkommen kann man die Durststrecke überwinden, bis aus einer Idee ein Geschäftsmodell wird. Kurzum: Das kreative Potenzial in unserer Gesellschaft könnte sich endlich entfalten und eine neue Generation von Gründerinnen und Gründern könnte entstehen. Wie viele Menschen gibt es, die untertags einen stupiden, unbefriedigenden Job erledigen, um in ihrer freien Zeit unentgeltlich an dem zu arbeiten, was ihren Fähigkeiten entspricht?

Gut für Gleichberechtigung

Das einheitliche Grundeinkommen für alle Menschen von Geburt an würde es also ermöglichen, unserer Gesellschaft neue Impulse zu entlocken und die Wirtschaft mit neuen Ideen zu beleben. Abgesehen davon hätte es auch zahlreiche andere positive Effekte - zum Beispiel für die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen: Durch das Grundeinkommen wären etwa auch nicht erwerbstätige Frauen automatisch finanziell abgesichert. Sie wären endlich materiell unabhängig und eigenständig und nicht mehr von einem "Familienerhalter" abhängig.

Während in Österreich also noch versucht wird, mit zahlreichen Stützkonstruktionen und Hilfsmitteln die neue Arbeitswelt in alte Schemata zu pressen, wird auf europäischer Ebene an etwas Neuem gearbeitet: Ohne große mediale Beachtung begannen die EU-Arbeitsminister Anfang Juli an einem grundlegend neuen europäischen Sozialmodell zu arbeiten. Dabei sollen liberalisierte Arbeitsgesetze und ein garantiertes Grundeinkommen kombiniert werden. Vorbild ist das dänische "Flexicurity-Modell". Die Prüfung dieses Ansatzes wurde im Abschlussdokument explizit angeführt.

Die Vorteile des Systems brachte der liberale dänische Arbeitsminister Claus Frederiksen auf den Punkt: "Wir können nicht, wie einige europäische Länder glauben, Arbeitsplätze sichern. Aber wir können den Menschen ein Einkommen sichern." Das entspricht exakt der bis dato unerkannten Funktion des bedingungslosen Grundeinkommens: Es wird zum Lebensgeld für Lebensunternehmerinnen und-unternehmer.

Der Autor ist Bundessprecher des Liberalen Forums (LIF) und seit 2006 Abgeordneter zum Nationalrat; http://alexzach.at

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