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Leere Staatskasse?

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Der Bund hat zuwenig Geld. Es fehlen ihm etliche hundert Millionen Schilling, um die im Dezember anfallenden Ausgaben bestreiten zu können. Die Steuereingänge reichen hierzu nicht aus. Das hätte man aber wissen müssen und hat es sicher auch gewußt. Denn die Steuereinnahmen für 1960 wurden etwas stark überschätzt. Aber darum geht es letzten Endes nicht, sondern es geht darum: War die bisherige österreichische Finanzpolitik falsch oder nicht und birgt die gegenwärtige Situation Gefahren für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes oder nicht?

Zunächst ist einmal festzuhalten, daß die Schwierigkeiten des Bundes nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommen, sondern schon seit geraumer Zeit kritische Stimmen, nicht nur in Österreich, auf eine gewisse Einseitigkeit der Finanzpolitik hingewiesen haben. Man kann nämlich nicht nur über die Ausgabenseite des Budgets Konjunkturpolitik zu treiben versuchen, sondern es muß auch die Einnahmenseite beachtet werden. Freilich ist das ein dornenvoller Weg, der auf größte politische Widerstände 6tößt. Aber in der Praxis ist von einer konjunkturpolitischen Väriierung der Einnahmen ohnedies keine Rede. Was man tun hätte sollen, wäre nicht mehr gewesen, als denselben Weg zu gehen, den andere europäische Staaten ebenfalls gegangen sind, nämlich: gewisse steuerliche Begünstigungen langsam abzubauen und eine aktivere Kapitalmarktpolitik zu treiben. Aber dazu ist es sicher noch nicht zu spät, nur müßte man sich langsam dazu entschließen, e i n neues finanzpolitisches Konzept zu entwickeln. Darüber, daß auf der Ausgabenseite eine gewisse Mäßigung angebracht ist, brauchen wohl nicht allzu viele Worte verloren zu werden. Vor allem muß nicht jedes Jahr von neuem Parkinsons Gesetz glänzend bewiesen werden. Aber wo sind denn die Fachleute im Parlament, die überhaupt abschätzen können, zum Beispiel welche Personalanforderungen gerechtfertigt sind und welche nicht? Die lendenlahmen Budgetdebatten zeigen jedenfalls, daß die österreichische Volksvertretung sich des Budgetbewilligungsrechtes schon lange begeben hat, die entscheidenden Fragen werden nicht einmal gestreift.

Sicherlich ist die gegenwärtige Situation nicht gerade angenehm, sie wird aber um so unangenehmer, je falscher sie — wie das gegenwärtig geschieht — in der Öffentlichkeit interpretiert wird. Vor einem Jahr hätte sie überhaupt keine Schwierigkeiten bereitet und wäre auch gar nicht diskutiert worden, denn der flüssige Bankenapparat wäre froh gewesen, wenn der Bund einige hundert Millionen Schilling mehr verlangt hätte. Heute ist das etwas anders. Die Liquidität des Bankenapparates hat abgenommen. Die Mindestreserven wurden erhöht, die Zahlungsbilanz ist passiv, und es gibt bessere Geschäfte, als dem Bund Geld zur Verfügung zu teilen.

Aber nun die bange Frage: Wird es eine stärkere Geldentwertung geben, wird die Inflation schneller zu schleichen beginnen? Sie kann, muß aber nicht. Wenn die Konjunktur sehr gut ist, und wir wollen hoffen, daß es so bleibt, besteht diese Gefahr immer. Besonders groß ist sie aber dann, wenn der psychologische Multiplikator zu wirken beginnt und jeder so handelt, als wäre eine stärkere Geldentwertung unvermeidlich. Es ist richtig, daß man in einer günstigeren Situation sein kann, als es der Bund derzeit ist. Es ist aber ebenso richtig, daß die Schwierigkeiten, diese Situation zu meistern, nicht unüberwindlich sind, vor allem wenn mit Entschlossenheit und Sachkenntnis an die Lösung der Probleme herangegangen wird.

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