Leeres Grab in Berlin

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Im Zentrum Berlins wurde am Dienstag dieser Woche das Denkmal für die ermordeten Juden Europas eröffnet. Zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz ragen 2700 riesige Betonstelen in den Himmel. Das Denkmal soll nicht einfach und bequem umgangen werden können, es erschließt sich erst beim verwirrenden Durchgang - so die Überlegungen von Peter Eisenman, dem Architekten.

Dieses Denkmal war lange und heftig umstritten. Seit beinahe zwanzig Jahren geht der Streit hin und her, bis zuletzt gab es Auseinandersetzungen wegen der Beteiligung der Firma Degussa, die auch am Holocaust profitiert hatte, und wegen der gegen den Willen Eisenmans eingerichteten Räume unter dem Stelenfeld.

Zu den Befürwortern des Denkmals zählte von Anfang an der renommierte Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel. Er bezeichnete das Berliner Denkmal als ein "leeres Grabmal". Diese Formulierung lässt aufhorchen. Sie erweckt für an der Bibel geschulte Ohren Assoziationen zum christlichen Glauben, in dessen Zentrum ebenfalls ein leeres Grab, das Grab Jesu, steht. Mit dieser Assoziation kommt ganz grundlegend zum Ausdruck, dass Christinnen und Christen ohne Judentum nichts von Jesus verstehen können.

Das gilt nun aber nicht nur für die Vergangenheit der neutestamentlichen Zeitgeschichte und Bibelwissenschaft. Es gilt auch heute: Millionen Jüdinnen und Juden sind im Zeichen eines Kreuzes ermordet worden. Die mitschuldigen Kirchen haben durch ihren Antijudaismus Jesus verraten. Die Verbindung des Geschicks Jesu mit dem Geschick der Opfer des Holocaust bedeutet, der Holocaust kann von Kirchen und Theologie nicht umgangen werden. Erst nach dem Durchgang durch die eigene Geschichte von Scham und Schuld können sie sich wieder auf Jesus berufen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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