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Legalisierter Unfug

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Der haltlose Zustand einer zum Teil schon praktizierten Rufbereitschaft soll nun als Normalzustand verankert werden.

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Der haltlose Zustand einer zum Teil schon praktizierten Rufbereitschaft soll nun als Normalzustand verankert werden.

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Die Gesundheitsministerin Christa Krammer plant ernsthaft, an Wochenenden, in der Nacht und an Feiertagen nur mehr einen Arzt für ein gesamtes Spital Dienst versehen zu lassen. Man muß sich zu Recht fragen, was hinter diesem Plan steckt. Österreich hat zur medizinischen Grundversorgung rund 90 Standardspitäler, die vorwiegend der Versorgung der ländlichen Bevölkerung dienen. Frau Minister Krammer geht offensichtlich davon aus, daß in diesen Spitälern eben an Wochenenden, in der Nacht und an Feiertagen weniger Bedarf an Fachärzten besteht. Sie denkt allen Ernstes, daß etwa in der Nacht weniger Unfälle oder akute medizinische Notfälle auftreten. Doch das ist ein Trugschluß! Trotzdem, so die Ministerin, reiche ein Facharzt pro Spital.

Den „normalen” Dienst sollen noch nicht berufsberechtigte Turnusärzte versehen. Also Ärzte, die erst ausgebildet werden! Der diensthabende Turnusarzt muß erst entscheiden, ob er den Facharzt rufen soll. Hier geht es nicht um Minuten, hier geht es um Augenblicke, die über Leben und Tod entscheiden können.

Es wurde gesagt, daß die Bufbereitschaft auch bisher bereits funktioniere. Das stimmt zum Teil, da einige Bundesländer ein Gesetz nicht vollziehen und keine Fachärzte einstellen. Jetzt soll dieser haltlose Zustand aber zum Übel aller Beteiligten auch noch im Gesetz als Normalzustand verankert werden! Wir Ärzte haben uns immer für eine durchgehende Anwesenheit von Fachärzten auf allen Spitälern ausgesprochen. Im Interesse der Patienten werden wir von dieser Forderung auch nicht abgehen. Seit die Ärzteschaft vom Plan der gesetzlichen Verankerung der Rufbereitschaft erfahren hat, wurde alles versucht, um diesen gesundheitspolitischen Wahnsinn nicht Realität werden zu lassen. Vorerst wurde unseren Warnungen nur wenig Glauben geschenkt. Es wurde uns im Gegenzug unterstellt, wir spielten mit den Ängsten der Bevölkerung. Jeder, der sich mit dieser Frage ernsthaft beschäftigt hat, weiß, daß das nicht stimmt. Es ist unsere Pflicht als Ärzte für das Wohl der Patienten zu sorgen.

Allen politische Aussagen zum Trotz hält die Ärzteschaft daran fest, daß die geplante fachärztliche Bufbereitschaft zu deutlichen Qualitätsverlusten in der medizinischen Grund-Versorgung führen wird. Die Spitalsärzte haben in den vergangenen Tagen im Interesse der Patienten dafür gekämpft, daß dieser politische Unfug nicht Gesetz wird. Nun hoffen manche, wir hätten diesen Kampf verloren. Das stimmt jedoch nicht. Es war zwar nicht möglich, die Minister der Bepublik Österreich von ihrem Vorhaben abzubringen. Wir setzen aber auf das Verantwortungsbewußtsein und die Kompetenz der gewählten Volksvertreter.

Von der Bundesregierung wurden weitere Gespräche angeboten. Wir werden dieses Angebot selbstverständlich wahrnehmen. Doch aufgrund des bisher Geschehenen wissen wir, daß Frau Minister Krammer nicht mehr unser Ansprechpartner ist. Sie hat bisher unsere Bedenken nicht akzeptiert und wird es daher auch in Zukunft nicht tun. Sie hat öffentlich eingestanden, daß sie dem Druck der Bundesländer nachgegeben hat und auf deren Wunsch die Rufbereitschaft geplant hat. Wir werden mit Regierungsmitgliedern ernsthafte Gespräche im Namen der Patienten führen. Aber sicher nicht mehr mit Bundesministerin Christa Krammer alleine.

Noch besteht eine reelle Chance, daß die Bufbereitschaft nicht Gesetz wird. Das Parlament hat die Möglichkeit, den Fehler der Bundesregierung zum Wohl der Patienten zu korrigieren. Ich bin mir sicher, daß das auch geschehen wird. Jede Österreicherin und jeder Österreicher, der Bedenken gegen diese Aushöhlung der medizinischen Grundversorgung hat, sollte sich daher in den nächsten Tagen an die Abgeordneten des österreichischen Nationalrates wenden. Bei der geplanten fachärztlichen Bufbereitschaft ist das sicherlich im Interesse jedes einzelnen.

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