Liberaler Grandseigneur und freier Geist

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Der geistreiche Grandseigneur und langjährige Doyen des österreichischen Bankwesens, noch geboren in der Welt von gestern, ist 90: Niemand sieht Heinrich Treichl das an, und niemand hört es ihm an, wenn er seine gepflegte und aristokratische Stimme erhebt. Er hat sich die Freiheit genommen, immer zu sagen, was er sich denkt, und dies mit einer Eloquenz in mehreren Sprachen, der lediglich sein verstorbener Weggefährte Ockermüller, ein anderer Herr an der Spitze der ehemaligen Länderbank, auf Lateinisch oder Altgriechisch Paroli bieten konnte. Heinrich ist zuerst ein Meister des Geistes und der Sprache, der Geld wie jeder gute Bankier nie als Selbstzweck sah.

Treichl besitzt die Eigenschaften einer charismatischen und überzeugenden Persönlichkeit, vor allem zwei: das Fascinans, welches viel mit Erotik zu tun hat. (Man sagt ja auch, dass Erotik und Macht eng zusammenhängen.) Und das Energicum als kraftvolle Lebendigkeit, die Leidenschaft und Ausdruck eines starken Willens ist.

Diese Energie hat sich "Heini" wie wir Freunde sagen durften, bis heute bewahrt. Er gab mir in meiner frühen Zeit als Bankmanager einmal den Rat, nur ja fit zu bleiben , das sei "das Wichtigste für einen Bankdirektor". Natürlich nicht nur für diesen, aber natürlich auch für die vielstündige Gamsjagd im Schnee, die er noch im für andere hohen Alter ohne Atemnot und Muskelkater meisterte.

Für die österreichische Bankenszene der siebziger und achtziger Jahre ist sein Konflikt vor allem mit dem Feindbild Zentralsparkasse legendär. Er löste den Durchbruch des vollen Wettbewerbs zwischen den "Sektoren" vor allem um "die Passivseite", also die Privatkunden und ihre (billigen) Einlagen aus. "Wettbewerb macht fröhlich", pflegte Treichl zu sagen. Wie Friedrich A. v. Hayek, dessen nach ihm benanntes Institut die Ehre seiner Präsidentschaft erfährt, glaubt Treichl an das Fortschritt bringende "Entdeckungsverfahren" des Marktes und die "spontane Ordnung", welche der Wettbewerb immer wieder zu schaffen vermag.

Sein Traum wäre schon damals gewesen, im Wettbewerb um Größe und Bedeutung für den Finanzplatz Österreich die Creditanstalt und die Erste zu einer bürgerlich-liberalen Bank zusammenzuführen. Aus vielen Gründen war dieser Weg verschlossen. Und als er geöffnet wurde, waren wir beide nicht mehr in der Schar jener Wanderer, deren Bergführer immer die Mühen der Ebene vor Augen hatten. Bleistift um Bleistift wurde Mitte der neunziger Jahre gespitzt, hauptsächlich um zu berechnen, warum sich das alles nicht rechnen kann. Ein Zyniker ist, so hätte Heinrich vielleicht mit Oscar Wilde gesagt, wer von allem den Preis und von nichts den Wert kennt. Der Untergang der stolzen CA traf ihn schwer.

Treichls scharf geschliffenes Wort drang manchmal wie ein Pfeil in das erstaunte Ohr, wohl auch aus Freude des Homo ludens am intellektuellen Spiel. Vielleicht hat er "um des Reimes willen" auch manchmal überzogen: War es bei allem Zorn ziemlich, den Eigentümervertreter seiner Bank und obersten Bankenaufseher öffentlich einen "Parvenu" zu nennen? Wäre in der heutigen Zeit der vordringenden Corporate Governance noch ein Ausspruch wie dieser möglich: "In der Deutschen Bank sucht sich der Vorstand seinen Aufsichtsrat aus, darum ist die Bank ja auch so gut geführt"? (damals übrigens von Alfred Herrhausen).

Alfred ist ein wichtiger Name des Stammes der Treichl: Heinrichs Vater Alfred begründete den Finanzplatz Liechtenstein (Bank in Liechtenstein 1921!), Enkelsohn Alfred als eines der Kinder von Andreas ist für ihn Stolz und Freude über eine andauernde Familienkette, die auch seinen berühmten Großvater Heinrich Ferstel einschließt. Das gleichnamige Palais verdankt ihm seine Rettung. Mächtig stolz ist er auf seine Söhne, die es beide "zu etwas gebracht haben". Michael ist Investmentbanker und Schlossherr in England, der jüngere Andreas herrscht gar über ein Reich von Millionen Kunden im Gebiet der ehemaligen k.u.k. Monarchie und führt die Erste Bank so, dass auch ich als einer seiner Vorgänger und Vorkämpfer meine Freude daran habe.

Seine Freunde und ich wünschen dem "Geburtstagskind", gestärkt von den gleichen Quellen, aus denen er ein Leben lang getrunken hat, rüstig und fröhlich auf die hunderste Lebensmeile zuzuschreiten.

Hans Haumer, ehemals Generaldirektor der Erste Bank, heute Verwaltungsratspräsident der CapitalLeben Versicherung, Vaduz.

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