Lobbying für Menschenrechte

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Die europäische Menschenrechtsstadt Graz ist Ausgangspunkt mehrerer Initiativen, die weltweit die Menschenrechtserziehung fördern.

Graz ist nicht nur europäische Kulturhauptstadt, sondern ebenso europäische Menschenrechtsstadt. Mitte Mai bot Graz in diesem Zusammenhang den Rahmen für das 5. Außenministertreffen des Netzwerkes für menschliche Sicherheit (HSN). Dieses Netzwerk von derzeit 13 Staaten aus Nord und Süd, Ost und West ist aus der erfolgreichen Kampagne für eine Anti-Personenminenkonvention entstanden und hat auch beim Zustandekommen des Internationalen Strafgerichtshofes eine wichtige Rolle gespielt. Es bildet heute in den Vereinten Nationen eine Lobby für Themen, die den Menschen in den Mittelpunkt der internationalen Politik stellt. Im Jahr 2002/2003 stand es unter österreichischem Vorsitz, wobei als Schwerpunktthemen die Menschenrechtserziehung und der Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten gewählt wurden.

Als Ergebnisse der Tagung wurde eine Grazer Deklaration der Prinzipien der Menschenrechtserziehung der menschlichen Sicherheit als auch ein Handbuch für Menschenrechtserziehung vorgestellt, das weltweit eingesetzt, einen konkreten Beitrag zur Verbesserung der Kenntnis der Menschenrechte und ihrer Verwirklichung leisten soll. Beide Dokumente waren durch das Europäische Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ETC) in Graz erarbeitet worden.

Menschenrechtserziehung

Angesichts der 2004 zu Ende gehenden Dekade der Vereinten Nationen für die Menschenrechtserziehung wird die wichtige Rolle von Nichtregierungsorganisationen für die Verbreitung der Kenntnis der Menschenrechte betont, ohne deshalb die Staaten aus ihrer Hauptverantwortung zu entlassen. Besonders hervorgehoben wird die Bedeutung der Menschenrechtserziehung für die Stärkung der menschlichen Sicherheit. Dies gilt für den Bereich der Konfliktprävention als auch den Bereich des gesellschaftlichen Wiederaufbaus nach Konflikten. Menschenrechtserziehung stärkt die Gesellschaft durch die Förderung einer "Kultur der Menschenrechte", in welcher man auch alltägliche Konflikte auf Grundlage menschenrechtlicher Werte und Verfahren austrägt. Nichtdiskriminierung, insbesondere im Bereich der Geschlechter ist ebenso anzustreben wie die Intensivierung des kulturellen Dialogs.

Menschenrechtsstädte

Als neuartige Formen des Menschenrechtslernens nennt die Deklaration unter anderem den Prozess der Entwicklung von Menschenrechtsstädten, die sich dazu verpflichten, die Kenntnis der Menschenrechte zu stärken und die Stadtpolitik an den Menschenrechten zu orientieren. Anlass dazu ist die Erfahrung, dass der lokalen Ebene bei der Umsetzung der Menschenrechte und der menschlichen Sicherheit eine zentrale Rolle zukommt. In den letzten Jahren haben Rosario in Argentinien, Thies in Senegal, Kati in Mali, Nagpur in Indien, aber auch Graz sich zu Menschenrechtsstädten erklärt.

Während im Süden naturgemäß Entwicklungsprobleme im Vordergrund stehen, sind es in Graz vor allem Fragen der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung sowie der Menschenwürde von Frauen, Kindern, der älteren Generation sowie von Migranten. Neue Methoden des Menschenrechtslernens kommen dabei zum Einsatz, die die Menschenrechte im Hinblick auf ihre Bedeutung im Alltag vermitteln.

Diesem Zweck dient auch das englischsprachige Manual unter dem Titel "Understanding Human Rights", das weltweit eingesetzt werden soll. Es enthält eine auch für Nichtjuristen verständliche Einführung in das System der Menschenrechte und bietet anhand von 13 ausgewählten Menschenrechten in Form von Modulen einen pädagogisch unterstützten Einstieg in konkrete Fragen des Menschenrechtsschutzes. Dabei wurde in einem neuen methodischen Ansatz auf den Zusammenhang zwischen Menschenrechten und menschlicher Sicherheit, aber auch eine interkulturelle Perspektive besonderer Wert gelegt. Mit Hilfe von Autoren aus dem Süden haben die Herausgeber versucht, eine eurozentrische Darstellung zu vermeiden und einem gesamtheitlichen Ansatz zu folgen, in welchem die Freiheit von Armut und das Recht auf Gesundheit denselben Stellenwert haben wie das Verbot der Folter und unwürdigen Behandlung oder das Recht auf ein faires Verfahren.

So verfassten Menschenrechtstrainer aus Indien das Modul über Armutsbekämpfung, aus Argentinien kam ein Beitrag über Frauenrechte und aus Mali ein gerüttelt Maß an afrikanischer Weisheit in Form von Sprichwörtern zu verschiedenen Menschenrechten, wie: "Ich bin (deshalb) ein menschliches Wesen, weil deine Augen mich als ein solches erkennen." Auch die Meinungs- und Medienfreiheit, die Religionsfreiheit und das Verbot der Diskriminierung, die demokratischen Freiheiten, das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung finden Behandlung. Weitere Module beschäftigen sich mit den Menschenrechten von Frauen und den Rechten des Kindes.

Alle Module sind einheitlich aufgebaut: nach einem anschaulichen Beispiel für typische Verletzungen des Menschenrechts werden dessen wichtigste Inhalte und die Instrumente der Verwirklichung als Basiswissen angeboten. Darauf folgt eine Vertiefung in Form von Problemfällen, Beispielen guter Praxis und interkultureller Aspekte. Dazu gibt es Übersichten und Chronologien sowie Vorschläge für pädagogische Hilfen, wie Rollenspiele, Debatten, Literatur und Internetquellen. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Sergio Vieira de Mello, betonte, dass ein Staat, der den Schutz der Menschenrechte stärke, damit auch seine Sicherheit verbessere, während Staaten, die gravierende Menschenrechtsverletzungen zuließen, damit auch ein Problem für die internationale Sicherheit schaffen würden.

Aktionsplan für Graz

Für das Außenministertreffen war ganz bewusst Graz als Tagungsort ausgewählt worden, weil die europäische Kulturhauptstadt sich 2001 auch zur ersten europäischen Menschenrechtsstadt erklärt hat. Graz war somit auch als ein Ort von Interesse, in dem man versucht, die Ziele und Prinzipien der "großen Politik" auf lokaler Ebene umzusetzen. Der Prozess zur Entwicklung einer Menschenrechtsstadt ist zwar noch lange nicht abgeschlossen, doch wurde ein Anfang in Form eines auf breiter Basis erarbeiteten Aktionsplanes gemacht, der im Oktober dieses Jahres auch im Rahmen eines vom ETC veranstalteten internationalen Symposiums an der Universität Graz mit Teilnehmern aus Menschenrechtsstädten erörtert werden soll. Und Anfang September gibt es in Graz, wiederum von ETC organisiert, eine weltweit einzigartige Internationale Sommerakademie über "Menschenrechte und menschliche Sicherheit". Damit Graz seinem Ruf gerecht wird, nicht nur als europäische Kultur-, sondern ebenso auch als Menschenrechtshauptstadt.

Der Autor ist Vorstand des Instituts für Völkerrecht und internationale Beziehungen an der Universität Graz und Direktor des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie (ETC).

"Understanding Human Rights" Manual on Human Rights Education, Wolfgang Benedek und Minna Nikolova (Hg.), Wien, BMAA 2003, 336 Seiten, e 15,-. Bestellungen an ETC Graz, Schubertstraße 29, 8010 Graz oder office@etc-graz.at. Das Manual ist auch von der Homepage des ETC abrufbar: www.etc-graz.at

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