Macao kehrt leise nach China zurück

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Macao, der älteste europäische Stützpunkt in Asien, wird am 19. Dezember nach 442 Jahren von den Portugiesen an China zurückgegeben. Einen Rummel wie 1997 bei der Übergabe der britischen Kronkolonie Hongkong wird es nicht geben.

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Macao, der älteste europäische Stützpunkt in Asien, wird am 19. Dezember nach 442 Jahren von den Portugiesen an China zurückgegeben. Einen Rummel wie 1997 bei der Übergabe der britischen Kronkolonie Hongkong wird es nicht geben.

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Von Zufall muß sprechen, wer in Macao seine Portugiesischkenntnisse nutzen kann. Nun gut, die Straßennamen sind in der Sprache der fernen Kolonialmacht gehalten, auch die meisten Sehenswürdigkeiten gemahnen daran, wer hier vor mehr als 400 Jahren den ältesten europäischen Stützpunkt in Asien gründete.

Aber eine Person zu treffen, die tatsächlich des Portugiesischen mächtig ist - man verdankt es als Reisender, wie gesagt, nur einem Zufall. Die Portugiesen selbst machen, anders als dereinst die Briten im benachbarten Hongkong, gerade nur drei Prozent der rund 450.000 Macanesen aus, 95 Prozent sind Chinesen. Selbst von diesen wenigen Portugiesen soll ein Gutteil schon die Segel gestrichen und, angesichts der bevorstehenden Rückkehr Macaos ans Mutterland China, ins eigene lusitanische Mutterland heimgekehrt sein. Still und ohne viel Aufhebens, wie ja auch Macaos Rückgabe an die Volksrepublik um Mitternacht des 19./00:00 Uhr des 20. Dezember eine ruhige Angelegenheit sein wird, in deren Vorfeld es nur wenige Meinungsverscheidenheiten zwischen Lissabon und Beijing gab.

Was war das doch für ein Rummel im Frühsommer 1997. Hongkongs Tourismusindustrie schien nichts, aber auch gar nichts auslassen zu wollen, was sich im Zeichen des "Handover", der Übergabe der britischen Kronkolonie an China in der Nacht von 30. Juni auf den 1. Juli, vermarkten ließ. Von billigsten Schnapsgläsern und Aschenbechern mit (pseudo)witzigen oder nostalgischen Motiven bis zu den Gala-Diners für die Zahlungskräftigsten reichte das Angebot. Gewaltige Feuerwerke verliehen dem Hafen noch einmal einen Glanz, den Hongkong in den Augen der Fremden, die letztlich schon zum Handover in geringerer Zahl als erwartet gekommen waren, fast unmittelbar danach verlieren sollte: Die Touristen blieben nach dem Abzug der Briten aus, und Macao ließ es sich nach eigenen Angaben eine Lehre sein.

Kein Chris Patten Die noch-portugiesische Enklave hätte freilich in diesem Dezember ohnedies nicht herankommen können an das, was Hongkong 1997 bot. Wer wollte General Vasco Rocha Vieira, den letzten portugiesischen Gouverneur Macaos, mit Großbritanniens Chris Patten vergleichen? Dessen tränenreicher Abschied folgte auf stürmische Jahre als letzter kolonialer Gouverneur Hongkongs, in denen er mit Beijing um mehr Demokratie für die Noch-Kronkolonie und den Erhalt der demokratischen Institutionen unter der Formel "Ein Land, zwei Systeme" focht. In diesem Kampf hatte er aufrechte chinesisch-stämmige Demokraten und gewählte Mitglieder des Legislativrats wie Martin Lee und Emily Lau zur Seite - Persönlichkeiten, wie man sie in Macao ebenfalls vergeblich suchen wird.

Die Formel "Ein Land, zwei Systeme" soll, wie für Hongkong, auch für Macao für die kommenden 50 Jahre den Beibehalt der bisherigen politisch-ökonomischen Strukturen garantieren. Wohl, weil die Macanesen nicht so aufmümpfig und die portugiesischen Administratoren - mehr sind sie seit den 70er Jahren ja nicht mehr - pragmatischer waren als die Briten, gab es keine Differenzen um den Erhalt des macanesischen Legislativrats mit seinen je acht direkt und acht indirekt gewählten Mitgliedern.

Die Mini-Verfassung, die Lei Basica, ist seit 1993 ebenfalls unumstritten unter Dach und Fach. Blieb als einer der wenigen Streitpunkte die von den Chinesen anvisierte Stationierung von etwa 1.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee in Macao. Die Portugiesen verwehrten sich dagegen, haben sie selbst doch seit einiger Zeit keine Truppen mehr vor Ort. Doch zum Konflikt mit Beijing wollten sie es darob nicht kommen lassen. Zumal Beijing künftig für die Verteidigung der Sonderverwaltungszone Macao (RaeM) zuständig sein wird und auch der im Mai dieses Jahres gekürte RaeM-Chef, der Banker Edmund Ho Hau-wah, schon unmißverständlich klar gestellt hat: Beijing hat ab 00:00 Uhr des 20. Dezember das letzte Wort in Macao, ist also "der Boss", dem er unterstehe.

Kriminalität wächst Ökonomisch hat Macao kaum etwas von seiten Beijings, umso mehr aber infolge der eigenen Probleme zu befürchten. Die Volksrepublik hat das gerade 20 Quadratkilometer große marktwirtschaftlich orientierte Macao seit langem als südliches Tor zur Außenwelt geschätzt und wollte es noch gar nicht zurückhaben, als die Portugiesen längst bereit waren es abzutreten. Zweimal kam das Angebot von Lissabon - 1967, nachdem die Kulturrevolution auch auf Macao übergeschwappt war und mehrere Rotgardisten auf macanesischem Boden zu Tode gekommen waren; und erneut 1974 nach der Nelkenrevolution. Beide Male lehnte Beijing dankend ab, die weitere portugiesische Souveränität war ihm willkommen. Erst 1987, drei Jahre nach dem sino-britischen Abkommen über die Rückgabe Hongkongs, wurde auch zwischen China und Portugal ein entsprechender Vertrag geschlossen.

Knapp vor der damals für den 19. Dezember 1999 vereinbarten Rückgabe hat Macao keine Sorge, die sich mit der Hongkongs vor einem Zurückbleiben hinter Shanghai vergleichen ließe, wohl aber zwei ernsthafte Probleme - das eine der ökonomische Abschwung im Zuge der Asienkrise, das andere, hausgemachte, in Form der wachsenden Kriminalität. Immer wieder kündeten die Schlagzeilen in dem gegenüber dem hektischen Hongkong so gemächlich bis verschlafen wirkenden portugiesischen Territorium zuletzt von Morden auf offener Straße.

Touristen sind dadurch keineswegs gefährdet, handelt es sich doch um Abrechnungen im Milieu der Triaden und jener Kreise, die hier Glücksspiel, Prostitution und Schmuggel kontrollieren. Doch Beijing hat mehrfach betont, daß es durchzugreifen gedenke, und auch der neue Verwaltungschef Edmund Ho hat Recht und Ordnung zu einem prioritären Anliegen erklärt. Gleichsam als Ausdruck der Entschlossenheit darf der Prozess gegen Triaden-Chef Wan Kuok-koi im November gelten. Der in einschlägigen Kreisen als "Broken Tooth" bekannte Wan wurde unter anderem wegen Geldwäscherei, rechtswidriger Kreditvergabe und Abhören von Telefonen zu der im Macao geltenden Höchststrafe von 15 Jahren verurteilt.

Schuldenfrei Gegen eine andere von Verwaltungschef Edmund Ho in Erwägung gezogene Maßnahme hat sich dessen Namensvetter, ansonsten aber nicht verwandte Stanley Ho bereits verwehrt. Ho, dessen Gesellschaft für Tourismus und Unterhaltung (STDM) seit 1961 das Monopol über die zehn Kasinobetriebe in Macao besitzt, warnt vor einer für 2001 anvisierten Aufkündigung seiner Sonderstellung. Konkurrenz im Kasinobetrieb würde lediglich Machtkämpfe und für alle nachteilige finanzielle Folgen nach sich ziehen. Genau das sei aber nicht wünschenswert angesichts der Tatsache, daß STDM derzeit für mehr als 50 Prozent der gesamten Steuereinnahmen und rund 40 Prozent des BIP von Macao verantwortlich ist.

Für die Hongkonger , denen auf eigenem Gebiet das Glücksspiel untersagt ist, soll Macao weiter für Wochenendexkursionen attraktiv bleiben. Die anderen Touristen, so hofft Edmund Ho, werden wegen des Macao eigentümlichen portugiesisch-chinesischen Flairs auch in Zukunft den Abstecher von Hongkong (eine Stunde mit dem Schnellboot) oder von Guangzhou aus machen. Die Portugiesen haben jedenfalls in den letzten Jahren noch eifrig renoviert, Kopfsteinpflaster in den Gäßchen, die so gar nicht in ein chinesisches Umfeld gehören, ausgebessert, bunte Fassaden lusitanischer Bauten frisch gestrichen, gußeiserne Balkone repariert, jesuitische Kirchen rundumerneuert.

Auch im Interesse der ökonomischen Zukunft dieses Territoriums, das im 16. und 17. Jahrhundert für den Handel zwischen Japan, China und dem Westen so wichtig war, später aber völlig in den Schatten Hongkongs geriet, haben die scheidenden Kolonialherren noch einiges getan: Ein internationaler Flughafen ist seit 1995 in Betrieb, neue Schnellstraßen wurden ebenso errichtet wie moderne Brücken zwischen den drei Teilen Macaos - der Halbinsel im Perlflußdelta und den beiden Inseln Taipa und Coloane. Dennoch, betont Lissabon nicht ohne Stolz, werde man am 19. Dezember ein schuldenfreies Macao an Beijing übergeben.

Wenn an diesem Tag die rote Fahne mit den gelben Sternen über Macao hochgezogen wird, endet damit nach 442 Jahren auch die europäische Kontrolle über chinesisches Territorium.

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