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Man kann ruhig darüber sprechen

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Seit der Errichtung der Republik in Oesterreich wurde häufig die Ansicht vertreten, daß die Wiedereinführung der Monarchie, insbesondere die Restauration des Hauses Habsburg-Lothringen, verboten sei. Anderseits erklären Kreise, die dem legiti- mistischen Gedanken sympathisch gegenüberstehen, eine Restauration für möglich.

Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß von keiner Seite eine gewaltsame Lösung der Durchsetzung monarchistischer Wünsche beabsichtigt wird. Ein derartiges Unterfangen würde nach § 58, lit. a, und § 65, lit. a, des Strafgesetzes nach dem Gesetz vom 17. Dezember 1862, RGBL. Nr. 8 ex 1863, und :h § 4 des Staatsschutzgesetzes 1936 strafbar sein.

Ganz anders verhält es sich mit dem verfassungsmäßigen Weg. Hier muß man zunächst zwischen der Staatsform überhaupt (Republik oder Monarchie) und der Restauration des Hauses Habsburg-Lothringen im besonderen unterscheiden. Artikel 1 der Verfassung lautet: „Oesterreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volke aus.“ Gemäß Artikel 44 (1) können Verfassungsgesetze nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates und nur mit einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. Es müssen also mindestens 83 Abgeordnete anwesend sein. Politisch gesprochen bedeutet dies, daß eine Aenderung des Artikels 1 der Verfassung nur mit Zustimmung der beiden Koalitionsparteien durchgeführt werden kann, da nicht zu erwarten ist, daß bei einer derart wichtigen Entscheidung eine der beiden Koalitionsparteien fernbleiben würde. Der zweite Absatz des Artikels 44 enthält aber die außerordentlich bedeutsame Bestimmung, daß jede Gesamtänderung der Verfassung nach Beendigung des Verfahrens im Nationalrat und Bundesrat einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen sei. Was unter Gesamtänderung der Bundesverfassung zu verstehen ist, sagt die Verfassung nicht. Es ist aber unbestritten — und darauf verweist auch Adamovich —, daß die Aenderung der Staatsform eine solche grundsätzliche Ver änderung der Verfassung darstelle. Das Verfassungsgesetz, das also Oesterreich in eine Monardiic umwandelt, muß zunächst die Zustimmung des Bundesrates (bzw. bei dessen Weigerung einen Beharrungsbeschluß des Nationalrates) erhalten und dann dem Bundesvolk zur Abstimmung vorgelegt werden. Dieses entscheidet mit einfacher Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen. Erst wenn somit die Mehrheit des Volkes für die Aenderung der Staatsform eingetreten ist, kann der Bundespräsident das Gesetz beurkunden. Nach der derzeitigen Rechtslage muß er aber noch vorher die Zustimmung des Alliierten-Rates gemäß den Bestimmungen des Kontrollabkommens einholen. Diese Zustimmung muß bekanntermaßen — es handelt sich ja um ein Verfassungsgesetz — einstimmig sein. Aus der Verfassung geht aber überdies hervor, daß eine Volksabstimmung niemals von sich aus ein Gesetz erzwingen kann. Audi wenn ein Volksbegehren eine Volksabstimmung über einen Gegenstand fordert, muß im Nationalrat ein diesbezügliches Gesetz verabschiedet werden. Es gibt in Oesterreich keine Volksabstimmung ohne vorheriges verabschiedetes Gesetz über den betreffenden Gegenstand. Politisdi heißt dies: Der Einführung der Monarchie müssen sowohl Sozialisten als auch die Russen im Alliierten-Rat zustimmen, und eine Uebergehung der beiden Instanzen durch eine Volksabstimmung ist nach der Verfassung nicht möglich.

Diese Rechtslage gilt, gleidigültig, wer immer der Träger einer Monarchie sein sollte. Sollte es aber das Haus Habsburg-Lothringen sein, so kommt eine zusätzliche Komplikation. Die Nationalversammlung hat im Jahre 1919 (3. April 1919, StGBl. Nr. 209) ein Gesetz, betreffend die Landesverweisung und die Uebernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen, beschlossen. Dies ist zwar ein einfaches Gesetz, wurde aber durch Artikel 149 der Verfassung als Verfassungsgesetz erklärt. Es unterliegt daher allen obgenannten Bestimmungen über das Verfahren mit Verfassungsgesetzen im Parlament. Paragraph 1 (1) bestimmt, daß alle Herrscherrechte und sonstige Vorrechte des

Hauses Habsburg-Lothringen sowie aller Mitglieder dieses Hauses in Oesterreich für immerwährende Zeiten aufgehoben sind. Eine Aenderung oder Aufhebung dieses Paragraphen würde wohl auch eine Gesamtänderung der Verfassung darstellen und einer Volksabstimmung unterzogen werden müssen. Anders verhält es sich hingegen mit Paragraph 2, der ehemalige Träger der Krone und die sonstigen Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen des Landes verweist. Hier würde ein bloßes Verfassungsgesetz genügen, um diese — im übrigen weder moralisch noch rechtspolitisch haltbare — Bestimmung zu annullieren.

Der Staatsvertrag von Saint-Germain überläßt es Oesterreich, seine Staatsform zu bestimmen. Er legt nur im Abschnitt V des III. Teiles Wert auf unterschiedsloses Einhalten der Grund- und Freiheitsrechte und auf den Schutz von Minderheiten. Dieser Abschnitt des Staatsvertrages wurde ein Teil der Verfassung. Nicht aber wird irgendwie Bezug auf das sogenannte Habsburgergesetz genommen. Hier bedeutet nun der neue Staatsvertragsentwurf eine wesentliche Aenderung. Im Artikel 10 (2) verpflichtet sich Oesterreich, das Gesetz vom 3. April 1919 beizubehalten. Die Ratifikation des Staatsvertrages würde also bedeuten, daß Oesterreich zwar nach wie vor frei hinsichtlich der Aenderung seiner Staatsform ist, soweit dies keine Verletzung demokratischer Grundrechte bedeutet — was ja bei einer Monarchie keineswegs der Fall sein muß —, daß ihm aber nicht gestattet ist, das Haus Habsburg- Lothringen zu Trägern der Monarchie zu machen bzw. die Landesverweisung zurückzunehmen. Ein diesbezügliches innerstaatliches Verfahren müßte die einstimmige Zustimmung aller Vertragspartner des neuen Staatsvertrages erhalten.

Allerdings muß hinzugefügt werden, daß eine Vertragsbestimmung, die gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker verstoßen würde, auf die Dauer von den Vertragspartnern nicht aufrechterhalten werden könnte. Es läßt sich aber nicht leugnen, daß die Einfügung dieses Artikels in den Staatsvertrag eine wesentliche Beeinflussung der in Rede stehenden Materie bedeutet.

Aus all dem ist ersichtlich, daß weder die Einführung der Monarchie noch die Restauration des Hauses Habsburg-Lothringen b solut verboten und unmöglich ist. Beides ist in der Theorie möglich, ersteres allerdings leichter als letzteres, da ja auch ein absolutes Verbot allen allgemeinen Rechtsgrundsätzen widersprechen würde. Aber dieses theoretische Recht ist in seiner praktischen Durchführbarkeit und in seiner politischen Konsequenz fast unmöglich gemacht. Es spielt also bei einer Behandlung dieses Problems die Rechtslage eine sehr bedeutende Rolle.

Nationalrat

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