Marie Antoinette von Damaskus

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Asma al-Assad galt als das moderne, menschliche Gesicht Syriens. Nun | verkehrt sich das Bild der Präsidentengattin ins Gegenteil, so "Die Welt“.

Die Frau auf dem Bild in der Vogue wirkt zerbrechlich, doch entschlossen. Sie steht auf einem Berg am Rande von Damaskus, in ein karmesinrotes Kaschmirtuch gewickelt. "Eine Rose in der Wüste“, so betitelte die amerikanische Ausgabe des Modemagazins ihr Porträt von Asma al-Assad der Ehefrau von Präsident Baschar al-Assad. Doch das Hochglanzbild zeigt nur einen Ausschnitt, ein Trugbild, wie so viele Bilder Syriens. Kurz nachdem der Beitrag über die "frischeste und magnetischste aller First Ladys“ im März 2011 erschien, brachen die Proteste gegen das autoritäre Regime in Damaskus aus. Und während die Vogue-Leser über ihre stilvolle Garderobe informiert wurden, eröffnete die Armee das Feuer auf friedliche Demonstranten. Inzwischen hat der Konflikt mehr als 7000 Todesopfer gefordert. Seit Freitag führt die Armee einen gnadenlosen Feldzug gegen die Protesthochburg Homs. Es sind Berichte, die nicht zu dem Bild passen, das sich die Öffentlichkeit von der eleganten First Lady gemacht hatte. Die 36-Jährige galt lange als das Gesicht eines modernen, liberalen Syrien, das seine Strukturen aufbricht und sich der Welt öffnet.

Widersprüchliches Image

Nicht nur ihr Glamour steht im Widerspruch zur mörderischen Gewalt, mit der ihr Ehemann gegen die Protestbewegung vorgeht. Hinzu kommt, dass Asma al-Assad selbst aus einer sunnitischen Familie aus Homs stammt. Der Assad-Clan hingegen gehört der alawitischen Minderheit an. Wie die Frau all diese Brüche bewältigt, kann niemand wissen: Baschar al-Assad hat den inneren Kreis der Macht auf seine unmittelbaren Angehörigen beschränkt und somit ein Regime erschaffen, aus dem nahezu keine Informationen nach draußen dringen. Der Autor Patrick Seale zählt zu den wenigen, die Einblicke in dieses System gewinnen konnten. Als Verfasser einer Biografie über Präsident Hafis al-Assad ist er dem Clan so nahegekommen wie kaum ein anderer westlicher Beobachter. "Ich bin sicher, dass sie entsetzt ist. Das Ganze ist ein fürchterlicher Schock für sie. Doch ihr steht kein leichter Ausweg offen“, meint der britische Experte.

Peinliche Schwärmereien

Vogue hat das Porträt längst von ihrer Website gelöscht. Doch trotz der peinlichen Schwärmereien sagt der Beitrag viel darüber aus, welche Rolle Asma al-Assad innerhalb des Regimes spielt. Denn die Vogue-Journalistin war nicht die Einzige, die dem Charme dieser klugen, schönen Frau erlegen ist. Die französische Zeitschrift Paris Match nannte sie einmal ein "Element des Lichts in einem Land voller Schattenzonen“. Sogar die New York Times geriet im Jahr 2005 über das "große, schlanke, junge“ Paar in Verzückung: "Sie wirken wie die Essenz einer säkularen westlich-arabischen Fusion, der elegante Doktor, der Präsident, und seine bezaubernde in Großbritannien geborene Frau.“

Das syrische Regime, das genau in dieser Zeit und wegen seiner Verbindungen zu militanten Islamisten in die Isolation geriet, konnte die Image-Politur gut gebrauchen. Damit erscheint plötzlich auch ihr soziales Engagement in einem neuen Licht. Nicht nur, dass all die Louboutin-Schuhe und Chanel-Kostüme irgendwie unpassend wirken in einem Land, wo weite Teile der Bevölkerung in bitterer Armut leben. Es kommt auch ein schwerer Verdacht auf, denn Asma al-Assad setzte sich nicht nur für Waisenkinder, Frauen und die Landbevölkerung ein, sondern auch für eine Stärkung der Zivilgesellschaft. Der US-Medienberater Andrew Tabler ist sich sicher: "Ihre Organisationen wurden benutzt, um die Zivilgesellschaft zu kontrollieren, nicht um sie zu fördern.“

Die Welt, Dienstag 7. Februar 2012

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