Markierungen eines Ausnahmepolitikers

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Im Frühjahr 1969 wurde der damals 35-jährige Alois Mock von Bundeskanzler Josef Klaus zum Unterrichtsminister bestellt. Der neue Minister ging sein Amt mit viel Elan an und entwickelte eine Reihe von Reformvorschlägen und Neuerungen in der Bildungsund Wissenschaftspolitik. Es war Mock, der als Minister beispielsweise die Begabtenstipendien einführte und das Studienbeihilfewesen um 50 Prozent ausdehnte. Unter seiner Ministerschaft wurden die entscheidenden Schritte zur Gründung eines weiteren Universitätsstandorts in Österreich, der Universität Klagenfurt, gesetzt. Auf den ersten Blick noch überraschender: Es kam zur Einführung der später so umstrittenen Schulversuche. Sie sollten die sachlichen Grundlagen liefern, um künftige Bildungsreformen zu erarbeiten.

Im Jahr 1971 -die ÖVP war mittlerweile Oppositionspartei -wurde Alois Mock zum Obmann des Arbeiter-und Angestelltenbundes (ÖAAB) innerhalb der ÖVP gewählt. Er entwickelte ein ambitioniertes sozialpolitisches Programm. Vieles davon erscheint uns heute, vierzig Jahre später, als selbstverständlich. Damals allerdings wurde es als revolutionär empfunden, stieß innerparteilich auf vehementen Widerstand und trug Mock parteiintern vor allem in Wirtschaftskreisen den Ruf eines "Linksüberholers" ein.

Vereinbarkeit Beruf -Familie

So verlangte der ÖAAB unter seinem Obmann Alois Mock ein Teilzeitbeschäftigtengesetz, durch das eine volle arbeitsrechtliche Gleichstellung von Teilzeitbeschäftigten mit Vollbeschäftigten sichergestellt werden sollte. Es handelte sich dabei um eine Maßnahme, die gerade im Hinblick auf die damals rasant zunehmende Zahl berufstätiger Frauen die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen sollte. In diesem Kontext ist auch die von Alois Mock erhobene Forderung nach einer Anspruchsberechtigung auf ein Karenzurlaubsgeld bis zum dritten Lebensjahr zu nennen. Zuletzt genannt sei eine von Mock erhobene Forderung aus dem Jahr 1976, die parteiintern auf besonders vehemente Ablehnung bei Vertretern des Wirtschaftsbundes stieß: nämlich die Verlängerung des gesetzlich zustehenden Mindesturlaubs auf vier Wochen.

Binnen weniger Jahre machte Mock eine steile innerparteiliche Karriere in der ÖVP -bis zum Parteiobmann und Oppositionsführer, der 1983 die absolute SPÖ-Alleinregierung unter Bruno Kreisky zu Fall brachte. 1986 verfehlte er bei den vorgezogenen Nationalratswahlen knapp das Ziel, die ÖVP zur Nummer Eins zu machen.

Als Mock am 21. Jänner 1987 als Vizekanzler und Außenminister angelobt wurde, war nicht abzusehen, dass in seiner Amtszeit Epochenereignisse stattfinden würden: der Fall des Eisernen Vorhangs und der Zusammenbruch des Kommunismus, der Zerfall Jugoslawiens, das Entstehen des europäischen Binnenmarkts und die Erweiterung der EU auf 15 Länder.

Bis heute wird Alois Mock als Österreichs "Mr. Europa" apostrophiert -zu Recht. Es waren seine klare Überzeugung und sein unbändiger politischer Wille, die ihm halfen, den schwierigen Weg Österreichs zum EU-Beitrittsantrag zu bewältigen. Dabei hatte Mock mit starkem Gegenwind in der eigenen Partei, beim Koalitionspartner SPÖ, aber auch in Europa zu kämpfen. Der Plan von Kommissionspräsident Jacques Delors sah vor, die neutralen Länder Europas im "Warteraum" des Europäischen Wirtschaftsraumes zu parken.

Mocks Hartnäckigkeit wurde am 17. Juli 1989 belohnt, als er dem französischen Ratspräsidenten Roland Dumas den österreichischen Beitrittsantrag überreichen konnte. Allzu oft wird vergessen, dass Österreich damit das einzige Land unter den Neutralen war, das seinen Beitrittsantrag vor dem Fall der Berliner Mauer überreicht hatte: ein angesichts der Skepsis der sowjetischen Führung mutiger Schritt!

Ende der Teilung Europas

Zum internationalen Symbol für den Paradigmenwechsel des Jahres 1989 wurde das Foto vom 27. Juni 1989, das Alois Mock beim Durchschneiden des Eisernen Vorhangs mit Ungarns Gyula Horn zeigt. Der Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer brachten nicht nur die Freiheit für die Völker Zentral-und Osteuropas und die Überwindung der Teilung Europas, sondern ermöglichten die Osterweiterungen der EU, für die Österreichs EU-Beitritt eine wichtige Voraussetzung bilden sollte. Für Alois Mock war die Befreiung Osteuropas der Startschuss für zahlreiche politische, aber auch kulturelle und wissenschaftliche Initiativen wie die Gründung von Österreich-Bibliotheken und Schulen, Lektoren-Entsendungen, Stipendien, humanitäre Hilfsprogramme etc.

Schon frühzeitig, bereits im Jahre 1987, hatte Alois Mock die internationale Staatengemeinschaft auf die drohende Gefahr am Balkan hingewiesen. Aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen und Einblicke in die Situation Jugoslawiens war er dann früher als die meisten europäischen Außenpolitiker zur Überzeugung gelangt, dass sich ein einheitlicher jugoslawischer Staat nicht auf Dauer aufrecht erhalten lassen würde.

Ein weiterer wichtiger außenpolitischer Erfolg wurde zur Voraussetzung für den erfolgreichen EU-Beitritt: die Streitbeilegungserklärung mit Italien zu Südtirol. Nach Umsetzung der letzten Paketmaßnahmen und intensiven Konsultationen mit Ministerpräsident Giulio Andreotti und Außenminister Gianni De Michelis konnte Alois Mock im Juni 1992 die Verhandlungen über die Südtiroler Autonomie abschließen, nachdem der Konflikt jahrzehntelang bei den Vereinten Nationen anhängig gewesen war.

1. März 1994

Dramatisch war auch der Verhandlungsprozess Österreichs für seine Mitgliedschaft in der EU: Bereits gezeichnet von seiner Erkrankung an Parkinson, führte Alois Mock die österreichische Delegation in Brüssel in einem historischen Verhandlungsmarathon von 80 Stunden am 1. März 1994 zum erfolgreichen Abschluss, nachdem für die Knackpunkte der Verhandlungen Lösungen gefunden werden konnten.

An Mocks Vision eines geeinten Europas, die er gerade in der Stunde des Verhandlungsabschlusses betonte, erinnert sich Wolfgang Schüssel, der als Wirtschaftsminister dabei war: "Mock sagte in etwa: 'Und jetzt, in der Stunde, in der wir unseren Beitritt fixiert haben, müssen wir daran denken und ich appelliere an Sie, dass wir jetzt die Länder Mitteleuropas unbedingt, so rasch wie möglich aufnehmen müssen.' Es war einfach genial, wie Mock schon an den nächsten Schritt gedacht hat." Das überwältigende Ergebnis des österreichischen EU-Beitrittsreferendums am 12. Juni 1994 -66,58 % stimmten mit Ja -brachte für "Mr. Europe" eine beeindruckende Bestätigung seines Kurses.

Bis zum heutigen Tag wirken auch andere visionäre Initiativen nach, die Alois Mock als Außenminister gesetzt hat. Als Beispiel sei der von ihm initiierte christlichislamische Dialog genannt, der nachhaltig bis zum heutigen Tag seine Fortsetzung findet.

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