Den Sieg von Waltraud Klasnic bei der Landtagswahl in der Steiermark hatten alle erwartet, das sensationelle Ausmaß nicht. Keine Frage, dass vor allem Charisma und Glaubwürdigkeit der Frau Landeshauptmann die Wähler überzeugten. Dass aber bundespolitische Aspekte völlig fehlten, trifft auch nicht die ganze Wahrheit. Ganz aus der Luft gegriffen wirken ja die Meinungsumfragen nicht, die seit Wochen der ÖVP auf Bundesebene ein Hoch und dem Regierungspartner FPÖ sowie der nun oppositionellen SPÖ ein Tief signalisieren.
Auch Jörg Haider und seine Getreuen spüren offenbar, dass neben der ihre Gegner bei weitem überragenden Persönlichkeit Klasnic ein bundespolitischer Gegenwind für die deutliche FPÖ-Niederlage sorgte, und reagieren panisch: mit der Drohung, die Koalition mit der ÖVP zu beenden, sollte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht verhindern, dass sich ÖVP-Politiker mit kritischer Distanz zur Regierung profilieren.
Abgesehen davon, dass einem "einfachen Parteimitglied" eine solche Drohung gar nicht zusteht - aber als Landeshauptmann von Kärnten und Person mit den Eigenschaften Haiders ist man eben nur unter Anführungszeichen "einfach" -, so macht das Vorgehen vor allem deutlich, wie leicht zumindest Teile der FPÖ die Nerven verlieren, wenn sie unter Druck geraten, nicht gerade ein staatsmännisches Verhalten.
Und so "einfach", wie Haider sich das vorstellt - Kanzler Schüssel hängt seinen Parteifreunden einen Maulkorb um, damit diese ja kein kritisches Wort über die Regierung verlieren, weil das der FPÖ mehr als der ÖVP schaden könnte -, mag es vielleicht in einer Führerpartei zugehen, aber nicht in einer der Meinungsfreiheit und der persönlichen Verantwortung des Mandatars gegenüber seinem Wähler verpflichteten demokratischen Partei.
Die ÖVP, die zum Beispiel die Desavouierung von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer hingenommen hat, während sich Finanzminister Karl Heinz Grasser ungebrochener Popularität erfreut, die der FPÖ trotz Fachkräftebedarfes bei der Ausländerquote nachgegeben hat, hat weit eher Grund, jetzt noch mehr Rückgrat zu zeigen als sich von freiheitlichen Drohgebärden einschüchtern zu lassen.
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