Mehr Grund oder mehr sicher?

19451960198020002020

Es genügt nicht, die Löcher des derzeitigen Sozialsystems recht und schlecht zu stopfen, ein radikales Umdenken ist angesagt.

19451960198020002020

Es genügt nicht, die Löcher des derzeitigen Sozialsystems recht und schlecht zu stopfen, ein radikales Umdenken ist angesagt.

Werbung
Werbung
Werbung

Globalisierung, Flexibilisierung und Mobilität, Rationalisierung, freie Dienstverträge, Telearbeit - das sind, schlagwortartig, nur einige Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft stellen muß, um ihren Wohlstand und ihre Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Will diese Gesellschaft gleichzeitig eine tiefe Spaltung in Arbeithabende und Arbeitslose vermeiden, dann muß sie den Mut aufbringen, die vertrauten, aber nur mehr eine trügerische Verläßlichkeit ausstrahlenden Sozialsysteme durch solche zu ersetzen, die den neuen Gegebenheiten Rechnung tragen.

Als Antwort darauf hat das Liberale Forum die Idee einer von Erwerbsverhältnissen entkoppelten Grundsicherung in die politische Diskussion eingebracht, die sich bereits darin erschöpft hatte, in Spar- und anderen Paketen verschnürte Fortschreibungen des Bestehenden als Reformen zu präsentieren. Es ist daher grundsätzlich erfreulich, daß die Grünen diesen Faden nun aufgenommen haben und ihrerseits ein Grundsicherungsmodell präsentieren. Eine Gegenüberstellung beider Lösungsansätze zeigt jedoch signifikante Unterschiede.

Ziel des Liberalen-Vorschlages ist die Entkoppelung der sozialen Sicherheit vom Arbeitsplatz im althergebrachten Sinne, um neue Formen von Arbeitsverhältnissen und Lebensentwürfen bei aufrechter sozialer Sicherheit zu ermöglichen. Dazu wird die Grundsicherung in das Steuersystem integriert und ist als Steuerguthaben von 6.000 bis 8.000 Schilling pro Monat ausgebildet, welches ausgezahlt wird, soweit es nicht durch die Steuerpflicht für ein zusätzliches Einkommen ganz oder teilweise aufgebraucht wurde. Als Anreiz, zusätzliches Einkommen anzustreben, wird noch ein Steuerfreibetrag von 2.000 bis 4.000 Schilling eingeführt. Wohnbeihilfen bleiben aufrecht, solange der ungerecht reglementierte Wohnungsmarkt dies erfordert. Für Kinder wird ein Existenzminimum festgesetzt, das nur dann aus Steuermitteln ergänzt wird, wenn die Eltern es nicht aufbringen können. Die Liberale Grundsicherung ist gleichzeitig Grundpension. Die Altersversorgung soll darüber hinaus durch eine Versicherungspflicht für Erwerbstätige und durch Eigenvorsorge ergänzt werden.

Um dieses Konzept mit dem der Grünen fair zu vergleichen, sind beide daraufhin zu überprüfen, ob sie einen Ansatz enthalten, der auf die grundlegend geänderten Rahmenbedingungen Rücksicht nimmt und auf ihnen aufbaut oder ob lediglich der Versuch unternommen wird, Schwächen des derzeitigen Sozialsystems so recht und schlecht zu beheben.

* Liberale und Grüne sagen: Geben wir dem Menschen, der es nicht hat, soviel Geld, daß seine existentiellen Bedürfnisse (einschließlich Wohnen) in ausreichendem aber bescheidenem Ausmaß gedeckt sind.

Die Grünen sagen: Geben wir es ihm, wenn er bestimmte Verhaltensmuster befolgt: wenn er zum Beispiel die "Grüne Bildungskarenz" absolviert; wenn er bestimmte, von der Regierung als wertvoll erachtete Tätigkeiten ausübt; wenn er in einer bestimmten Familienkonstellation lebt; wenn er ein bestimmtes Alter erreicht hat.

Die Liberalen sagen: Geben wir es ihm, weil er ein Mensch ist, der es braucht, und dem es hilft, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Machen wir den Menschen den Kopf frei von schieren Überlebensängsten, damit sie ihre Kreativität entfalten und selbst sinnvolle Tätigkeiten und Lebensmuster entwickeln können.

* Die Grünen sagen: Schaffen wir Arbeitsplätze für alle durch verordnete Arbeitszeitverkürzung und staatlich besoldete Ökovolontäre. Für die, die auch durch diesen Rost fallen, nennen wir das Arbeitslosengeld Grundsicherung, bis wir sie wieder auf den Pfad der lebenslangen Vollzeitbeschäftigung zurückgeführt haben.

Die Liberalen sagen: Geben wir den Menschen den Rückhalt, nein sagen zu können und lassen wir sie und den Markt im übrigen selbst entscheiden, in welchen Lebenssituationen sie, selbständig oder unselbständig, welcher Tätigkeit in welchem Rhythmus nachgehen wollen. Das wird viel eher bedarfsgerechte Chancen für alle bringen, als dirigistische, auf unselbständige Vollzeiterwerbstätigkeit zentrierte Vorgaben.

* Die Grünen sagen: Prüfen wir den Bedarf in jedem einzelnen Fall und nehmen wir den damit verbundenen Verwaltungsaufwand in Kauf, um die unmündigen Bürger auf dem rechten Weg zu halten.

Die Liberalen sagen: Den Bedarf zeigt die Steuererklärung von selbst. Verwenden wir den ersparten Verwaltungsaufwand für eine Verringerung der Arbeitskosten und schaffen wir dadurch zusätzliche Arbeitsplätze.

* Die Grünen sagen: Geben wir jedem Kind 2.500 Schilling.

Die Liberalen sagen: Sichern wir jedem Kind ebenfalls sein Existenzminimum zu, das in dem Ausmaß ergänzt wird, als es die Eltern nicht aufbringen können.

* Die Grünen sagen über sich selbst: Wir wollen das bestehende System der sozialen Sicherung durch bedarfsorientierte und lebensbezogene Leistungen erweitern und ergänzen.

Die Liberalen sagen: Umdenken.

Der Autor ist Sozialsprecher des Liberalen Forums.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung