Mehr sozialer Ausgleich

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Armutsbekämpfung durch eine soziale Grund-bzw. Mindestsicherung war ein heftig diskutiertes Thema bei den vergangenen Koalitionsgesprächen. Wie weit das ausgehandelte Konzept einer bedarfsorientierten Mindestsicherung diesem Ziel dient, bleibt fraglich.

Ein Blick auf das neue Kärntner "Mindestsicherungsgesetz" macht eine klare Tendenz aktuell verhandelter Reformansätze zum Sozialsystem deutlich: Sie sind unter dem populären Motto "Treffsicherheit" vom Bemühen getragen, Hilfe zu minimieren und nur jenen zukommen zu lassen, die sie "wirklich" brauchen: Personen, die keine eigene Substanz mehr zu verwerten und keine anderen Personen im Haushalt haben, die sie stützen. Eine kleinliche Rechnerei und ein umfangreicher Kontrollaufwand setzen ein. Was jemandem zusteht, kommt durch ein (auch finanziell) aufwändiges Rechenwerk von Zu-und Abschlägen, Bedingungen und Nachweispflichten zustande. Genau eine solch problematische Herangehensweise an das Thema Armut dürfte auch der im Regierungsprogramm vorgesehenen "bedarfsorientierten Mindestsicherung" zugrunde liegen, stellt sie doch hauptsächlich auf den Ausbau der Sozialhilfe ab.

Keine Mindestsicherung

Mitglieder der Armutskonferenz und andere Experten befürchten deshalb zurecht, dass auf Bundesebene keine echte Mindestsicherung zustande kommen wird, müsste diese doch auch Mindestniveaus für Arbeitslosenversicherung und Notstandshilfe enthalten, einen personenbezogenen Auszahlungsmodus vorsehen, die Vermögensverwertung differenziert betrachten und bei arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Freiwilligkeit einen breiteren Raum einräumen.

Die Qualität von Armutsbekämpfung bemisst sich immer auch daran, wie mit Armen umgegangen wird: Unterstellt man, dass sie primär selbstverschuldet arm, von Natur aus "faul" und asozial und deshalb eigentlich der Hilfe unwürdig sind? Und kontrolliert man deshalb bis in den letzten Bereich, um nur ein Minimum an Hilfe leisten zu müssen? "Motivieren, nicht bestrafen!", antwortete Ex-Minister Grasser einmal auf die Frage nach einer "Reichensteuer" und gab damit zu verstehen: Bei Wohlhabenden wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie ohnehin von selbst sozial wünschenswert handeln; mehr Freiheit würde sie zusätzlich dazu motivieren. Umgekehrt wird Armen unterstellt, dass erst eine möglichst hohe Verknappung ihrer Ressourcen und hohe Zumutungen an ihr Nah-Solidarnetz sie motivieren würden, sich sinnvoll in die Gesellschaft einzubringen.

Wenn im Regierungsprogramm deshalb von motivierenden Maßnahmen zur Armutsbekämpfung die Rede ist, ist genau hinzusehen: Handelt es sich um echte Motivationen oder vielmehr um "schöngeredete" Druckmittel?

Das Programm ist getragen von der Vision der Vollzeitbeschäftigung. Gemeint sind Senkung der Arbeitslosigkeit und Zunahme der Beschäftigungsverhältnisse. Selbst wenn dies gelänge (dank einer guten Konjunktur bzw. vorgesehener Investitionen im öffentlichen Sektor), kann kaum davon ausgegangen werden, dass ausreichend Vollzeit-Beschäftigung für all diejenigen zur Verfügung steht, die eine solche suchen. Häufig wurde in letzter Zeit auf "Vollbeschäftigung" in einzelnen Bundesländern verwiesen. Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass die Statistiken durch Schulungen und andere Maßnahmen geschönt sind, die zudem häufig unfreiwillig und deshalb wenig motivierend sind.

Mehr Beschäftigung

Als wesentliches Instrument zur Steigerung der Beschäftigung wird auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts genannt. Dazu gehört die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf täglich zwölf bzw. wöchentlich 60 Stunden, um damit im internationalen Wettbewerb neue Vorteile zu gewinnen. Wie motivierend aber ist eine Flexibilisierung, die primär unternehmerische Anforderungen bedient, Bedürfnissen der Arbeitnehmer dagegen wenig Raum einräumt? Die Katholische Sozialakademie Österreichs findet im Regierungsprogramm durchaus auch ambitionierte Vorhaben, die aber häufig mit der Einschränkung versehen sind, dass zuerst "evaluiert" oder "geprüft" werden muss, bevor konkretisiert wird. Positiv zu vermerken ist, dass wieder mehr Priorität auf eine aktive Wirtschafts-und Sozialpolitik gesetzt wird. Der Staat kann und soll handeln. Vielfach aber blockiert die Regierung sich dabei selbst durch ein Verharren in traditionellen Maßnahmen, wie z.B. Beschäftigung durch Straßenbau.

Wenig Neues

Auch die programmierte Finanz-und Steuerpolitik bietet wenig neue Ideen. Ziel - gerade einer großen Koalition! - sollte eine Steuerreform sein, die diesen Namen wirklich verdient und nicht bloß auf eine undifferenzierte Steuersenkung hinausläuft. Kriterien dafür müssten sein: Entlastung des Faktors Arbeit zu Lasten anderer Einkommensquellen, also mehr Steuergerechtigkeit (besonders auch unter Gender-Aspekten) und eine grundsätzliche Ökologisierung. Stattdessen scheint Stillstand vorprogrammiert, weil am Haushalt so gut wie nichts geändert werden darf. Dabei hätte das WIFO-Weißbuch (im Auftrag der Sozialpartner) Vorschläge für eine gerechtere Besteuerung genannt. Verabsäumt wurde außerdem, ein koordiniertes Vorgehen auf EU-Ebene zur Eindämmung des internationalen Steuerwettlaufs nach unten als Ziel zu benennen.

Einer großen Koalition stünde es schließlich an, soziale Grundrechte in der Verfassung zu verankern. Erfreulicherweise ist diese Absicht auch benannt - leider erneut mit der Einschränkung, dass die Gewährung entsprechender Leistungen "von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gemeinwesens abhängt". Sollte in einem der reichsten Länder der Welt die Garantie sozialer Grundrechte wirklich eine Frage des "Könnens" und nicht vielmehr des (politischen) Wollens sein?

Der Autor ist Direktor der Kath. Sozialakademie Österreichs.

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