Mein Bundesheer

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Die Furche-Herausgeber

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Schon meine erste Begegnung mit unserem Bundesheer war emotional widersprüchlich: Wegen einer schweren Krankheit wurde ich 18-jährig, wie erhofft, für "untauglich“ erklärt. Der uniformierte Herr aber verkündete dieses Urteil mit einer Geringschätzung, die mich empörte: "Im Namen der Republik - gehen Sie heim zur Mutti!“

Anerkennung, Ratlosigkeit und Ärger über unsere Landesverteidigung haben mich seither über Jahrzehnte begleitet - auch in meiner Arbeit als Journalist und Sprecher zweier Bundespräsidenten.

Zwischen NATO und Neutralität

Da war die ehrliche Bewunderung für große humanitäre, aber auch militärische Einsätze (Grenzsicherung, UNO-Kontingente etc.). Und zugleich der Schrecken über die erbärmlichen Zustände in unseren Kasernen. Da war Stolz, wenn westliche Strategen im kalten Krieg von der Qualität unserer Luftraumüberwachung schwärmten - unserem Blick bis tief hinein nach Osteuropa. Aber da war auch Peinlichkeit, wenn ich an "Tagesbefehlen“ des Staats-oberhauptes als Oberbefehlshaber mit zu formulieren hatte - und dabei den Kampf unserer Soldaten gegen die Miniermotte (auf Rosskastanien) rühmen sollte. Da war der Ärger über das enorme Desinteresse unserer Spitzenpolitik am Heer und an langfristigen Sicherheitsfragen, über das völlige Versagen, mehr öffentliches Verständnis und mehr Anerkennung für den Einsatz bisher Hunderttausender Wehrpflichtiger zu schaffen.

Da war das Taumeln zwischen NATO und Neutralität: Thomas Klestil versuchte - durchaus in politischer Absprache - die Neutralität nach dem Ende des Kommunismus "in den Tabernakel der Geschichte“ zu schieben. Um schon Tage später unter massivem Druck den Tabernakel neu interpretieren zu müssen: Dort bewahre man doch ohnehin "das Allerheiligste“.

So ist auch jetzt die Volksbefragung für mich nur die Fortsetzung aller Leiden um das Heer. Es bleibt ungeliebt und undurchschaubar - in seiner Verantwortung für morgen und auch in den Möglichkeiten und Grenzen seiner europäischen Vernetzung. Begriffe wie Zeitsoldaten, Systemerhalter, Miliz usw. haben die Bürgerinnen und Bürger, die jetzt entscheiden sollen, nie wirklich erreicht. Dass ihnen die großen Parteien noch vor Kurzem das exakte Gegenteil dessen erzählt haben, was sie jetzt für überzeugend halten, enthüllt die ganze Tiefe der Analyse.

In Wahrheit interessiert viele Österreicher die Entscheidung zwischen Zivildienst und freiwilligem Sozialjahr weit mehr als die Alternative Wehrpflicht oder Berufsarmee. So kamen zuletzt auch die spannendsten Wortmeldungen aus Sozialorganisationen.

Gefühl allgemeiner Überforderung

Die Folge: ein Gefühl allgemeiner Überforderung. Zugleich aber ein seltsames Phänomen: Ich erinnere mich an keine Abstimmung, die sich so wenig um parteipolitische Vorgaben gekümmert hat - und in der die "Lager“ so aufgebrochen waren. Das hat auch sein Positives, gesamtgesellschaftlich gesehen. Nicht unbedingt aber, um einem zukunftstauglichen Bundesheer zum Durchbruch zu verhelfen. Aber vermutlich können wir so oder so nicht ganz falsch entscheiden.

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