"Mein Name ist Saddam, ich möchte verhandeln"

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Saddam Husseins Lebensziel war es, sich aus dem Dreck des Dorfes Al-Ouja, einem kleinen Nebenort von Tikrit, hundert Kilometer nördlich von Bagdad, herauszuarbeiten. In den Dreck eines Erdloches unter einem Bauernhof wenig südlich von Tikrit ist er zurückgekehrt. "Wir haben uns die Sonnenstrahlen gegriffen", gab Saddam in seinen besten Tagen selbstsicher zu Protokoll, "und wir werden nicht weichen."

Die Sonne zurückgegeben

Nach Saddams Festnahme am Sonntag mit der passenden Bezeichnung "Operation Morgenröte" leuchtet späte Genugtuung aus den Gesichtern jener, die jahrzehntelang unter der Herrschaft des Diktators leiden mussten: "Es ist, als wenn die Sonne durch eine schwarze Wolkendecke bricht", formulierte seine Freude Ali Shekr, ein Friseur in einem schiitischen Viertel Bagdads. Über die Lautsprecher zahlreicher Moscheen in der Hauptstadt verkündeten es die Imame, so dass es alle hören konnten: "An alle Baathisten und an alle, die noch an Saddam glauben: Saddam ist für immer fort. Er ist gefangen."

"Mein Name ist Saddam Hussein. Ich bin der irakische Präsident, und ich möchte verhandeln", sollen Saddams Worte nach seiner Ergreifung gewesen sein. Damit konnte er die US-Soldaten nicht in Verlegenheit bringen: "Schöne Grüße von Präsident Bush", lautete deren Antwort. In dem Haus über dem Erdloch herrschte heilloses Chaos: Schmutzige Wäsche türmte sich, die Speisekammer war leer, als einzige Dekoration hing ein Poster der Arche Noah an der Wand. Das Haus bestand aus einem winzigen Schlafzimmer und einer provisorischen Küche, in der Abwasch stapelte sich das Geschirr. Die Soldaten waren kurz davor, eine Handgranate in das Loch zu werfen. Doch dann ergab sich der Ex-Präsident; er klammerte sich an eine Pistole, gab jedoch keine Schüsse ab.

Wo war die letzte Kugel?

Die Verhaftung ohne Gegenwehr empört viele Menschen in der arabischen Welt. In arabischen TV-Sendungen machten Zuschauer am Sonntagabend ihrer Wut und Frustration über das schmähliche Ende der Saddam-Ära Luft. Selbst Anrufer aus den Golfstaaten, für die der Despot seit der Kuwait-Invasion 1990 ein Feind war, bezeichneten es als Schande, dass ein ehemaliger arabischer Staatschef von den Amerikanern ohne jede Gegenwehr gefangen genommen werden konnte. Wenig Verständnis für Saddam zeigt auch die überregionale arabische Zeitung Al Hayat am Montag. Sie fragt: "Wo war die letzte Kugel, von der er sagte, dass er sie für sich selbst aufheben wolle?"

Überleben ist die Maxime

Wer Saddam Inkonsequenz vorwirft, der täuscht sich. Saddam ist sich auch bei seiner Festnahme treu geblieben. Überleben, politisch und physisch, lautete immer schon seine oberste Maxime - und diesem Ziel hat er alles geopfert: die nächsten Verwandten, frühere Kampfgefährten und Protegés, Prinzipien, sofern er je welche besessen hat. Kaum war Saddam Hussein aus seinem Erdloch gezerrt, begann bereits das juristische Gerangel um den früheren irakischen Präsidenten. Der Tyrann kann jetzt immer noch darauf hoffen, dass seine Richter gnädiger sein werden, als er es jemals war. WM/APA

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