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Vorabdruck aus dem gleichnamigen Buch von dolores bauer: Gespräche mit ugandischen Freunden über ihr Land im Vorfeld einer Schicksalswahl.

Der Erste in der Reihe ist Raffael Zarali, ein Schuldirektor aus Fort Portal, lange Jahre Mitglied der Verfassunggebenden Versammlung und heute Mitglied des Parlaments.

"Natürlich befinden wir uns heute in einer schwierigen Phase des Übergangs, deren Ausgang wir alle nicht kennen. In solchen Zeiten formieren sich Gruppen und Grüppchen mit unterschiedlichen Zielen, die nicht unbedingt das allgemeine Wohl im Sinn haben", beginnt er auf eine knappe Eingangsfrage und fährt ungebremst fort: "Diese anstehenden Veränderungen werden von der Mehrheit, von etwa 70 Prozent des Volkes, nicht gewollt, sondern uns von außen aufgezwungen. Wir haben eine Demokratie und alle demokratischen Rechte. Jeder Mensch kann sagen, was er will, ohne irgendwelche Befürchtungen haben zu müssen. Es herrscht Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit, Freiheit der Studien-und Berufswahl, also was wollen wir noch?"

Diktator? - Lächerlich!

"Und wer will dann überhaupt die nun angestrebten Änderungen des politischen Systems?", fragte ich.

"Das Volk mit Sicherheit nicht, sondern gewisse Leute mit gewissen Interessen, gewissen Beziehungen und vielleicht auch gewissen Machtgelüsten, die uns allerdings eher skeptisch stimmen, wenn ich ehrlich bin. Und genau diese Leute sind es auch, die dem Präsidenten (der seit 1986 amtierende Yoweri Museveni; Anm. d. Red.) heute vorwerfen, er würde sich zunehmend diktatorisch verhalten. Das ist lächerlich, ich kenne ihn gut, und er hat uns niemals Anlass dazu gegeben, ihn plötzlich für einen Diktator zu halten."

Ein weiterer Weggefährte der ersten Stunde schlug schon etwas andere Töne an. Erya Kategaya war auch damals in Unterolberndorf (s. Kasten; Anm.) mit von der Partie, er hatte verschiedenste Regierungsfunktionen inne und sitzt heute als Wirtschaftsberater in seinem kleinen Office in der Innenstadt von Kampala.

Kampf um Machterhalt

"Kannst du mir sagen, warum du dich ausgerechnet jetzt zurückziehst, in einem Moment, in dem die Lage trotz aller Erfolge etwas schwieriger erscheint?"

Kategaya konterte prompt: "Nicht ich habe Museveni verlassen, sondern er hat mich einfach aus dem Kabinett entfernt, ohne ernsthaft mit mir geredet zu haben. Die Ursache unseres vorangegangenen Zerwürfnisses war sein Plan, die Verfassung zu revidieren, um länger an der Macht bleiben zu können. Du kennst die Verfassungsbestimmung mit den zwei Perioden, die er jetzt, weil es ernst wird, abschaffen will. Wir haben damals in der Verfassungsdiskussion die Sache lange und gründlich erwogen, eben auf Grund unserer Erfahrungen in der Vergangenheit, und es herrschte am Ende Einstimmigkeit. 2001 standen wir im Wahlkampf an Musevenis Seite und es war uns allen klar: Das ist die letzte Periode. Und als er dann plötzlich erklärte, er werde auf Druck der Bevölkerungsmehrheit eine Verfassungsänderung anstreben, konnte ich nicht mit und stellte mich gegen ihn."

Erya Kategaya gab in unserem Gespräch auch einen durchaus plausiblen Grund für seine Haltung an: "Wir hatten in unserer Geschichte niemals einen Präsidenten, der friedlich aus dem Amt schied, sogar der König wurde gestürzt und aus dem Land getrieben. Das wäre für uns die erste Gelegenheit gewesen, eine friedliche Machtübergabe zu haben und damit Afrika und der Welt unsere politische und demokratische Reife zu demonstrieren. Museveni hätte ruhig in Pension gehen können, wäre im Land und überall als elder statesman geachtet worden. Er hätte ja bei einem nächsten Wahlgang wieder antreten können!"

Neue Partei

Erya Kategaya und einige seiner Freunde sind nun aus dem nrm (National Resistance Movement - Nationale Widerstandsbewegung; Anm.) ausgetreten oder eben "ausgetreten worden". Sie haben eine neue Partei, das Forum for Democratic Change (fdc) (Forum für einen demokratischen Wandel; Anm.), gegründet.

"Was soll, was will diese neue Partei in einem Land, dem Parteien fremd geworden sind?", fragte ich in das ein wenig müde, auch älter gewordene Gesicht mir gegenüber.

Verrat an den Anfängen

"Ja, wir haben eine neue Partei gegründet und wir werden uns den Problemen des Landes stellen und den Grundsätzen des nrm treu bleiben. Die Bewegung ist heute nicht mehr, was sie war, sondern nur mehr um den Kampf für den Machterhalt eines Menschen bemüht, was wir für einen großen Fehler halten. Wir werden uns bemühen, die Verwaltung, die heute etwa 40 Prozent des Budgets verschlingt, zu rationalisieren, und das Geld in den dringend nötigen Aufbau der Infrastruktur und in die bisher vernachlässigte Ankurbelung der Industrialisierung stecken. Damit könnten wir endlich auf eigenen Füßen stehen und wären nicht mehr vom Ausland abhängig - sonst bleiben wir weiter die Sklaven der anderen."

"Lieber Freund, das war jetzt eine wohlklingende Wahlrede und du weißt genau, dass ich dafür die falsche Adresse bin, aber was ist, wenn das alles im Schatten des großen Präsidenten nicht greift, was machst du dann?", fragte ich etwas provokant, weil mir der Freund plötzlich fremd vorkam und ich solche Formulierungen von ihm nicht gewohnt war.

Es kam dann viel leiser und fast wie ein Geständnis: "Ich muss ja zugeben, die 25 Jahre, die hinter uns liegen, waren die besten unserer Geschichte, und was mich persönlich angeht, so kann ich sehr gut ohne Macht leben. Ich habe meine Familie, ich habe meinen Beruf, habe mein Auskommen und viel mehr Ruhe und Freiheit, seit ich nicht mehr im Rampenlicht stehe."

Gesprächstermine zu bekommen und Begegnungen zu arrangieren gestaltete sich diesmal schwieriger als während meiner früheren Reisen. Es lag eine merkwürdige Unruhe über dem Land, ein verunsicherter Blick in die nähere und weitere Zukunft, obwohl das niemand direkt ansprach. Aber alle, vor allem die Politiker, schwirrten im Land umher, ließen keine größere Veranstaltung, kein Fest aus, um sich zu zeigen und für sich zu werben. Jeder vereinbarte Termin wurde meist ein bis zweimal geändert, die Begegnung mit dem Präsidenten dreimal verschoben, um dann ganz ins Wasser zu fallen. Eine Bekannte grinste boshaft und meinte: "Schau, dich will er nicht anlügen, aber zur Wahrheit ist er auch noch nicht bereit, da er sich ja auch offiziell zu keiner der anstehenden Fragen geäußert hat!"

Die Zügel des Westens

Als nächster Name stand Kirunda Kivejinja auf meiner Liste, jener Mann, der mich seinerzeit ins Land gelockt hatte und über die Jahre zu einem Freund der Familie geworden war. Kirunda Kivejinja hatte in den Jahren diverse Regierungsämter bekleidet und ist zurzeit der stellvertretende nationale politische Kommissar und dazu noch Direktor für Außenpolitik, rangiert also ganz oben in der Hierarchie. Kivejinja, ein überzeugter Anhänger des Movement (nrm; Anm.), hatte auch schon den Schwenk zum Mehrparteiensystem gemacht.

"Ich bin nach wie vor ein Verfechter der Bewegung (nrm; Anm.), aber sie entspricht der politischen Realität der Welt nicht mehr, sie wird überall missverstanden, also müssen wir uns den globalen Bedingungen anpassen, wenn wir mitspielen wollen. Und solange wir selbst nur 52 Prozent unseres Budgets aufbringen können und für den Rest auf die Zuwendungen von außen angewiesen sind, um unser Bildungssystem, das Gesundheitssystem und vieles andere finanzieren zu können, können wir es uns nicht leisten, mit dem eigenen politischen Kopf zu denken. Das haben wir 1986 getan, aber damals waren wir für den Westen völlig uninteressant, sodass man uns gewähren ließ und froh war, dass nicht mehr gemordet und geschändet wurde. Heute lassen sie uns unseren eigenen politischen Kopf nicht mehr, was mir zeigt, dass die ehemaligen Kolonialmächte nicht aus der Geschichte gelernt haben und uns weiter am Zügel ihrer heute zwar nicht mehr politischen, aber wirtschaftlichen Macht halten wollen."

Problem Armut

Kivejinja machte ein für ihn ungewohnt ernstes, fast bitteres Gesicht. Da sprach ein Mensch, der in seinem politischen Fühlen zutiefst enttäuscht worden war.

"Damit das völlig klar ist: Wir wollen an der Macht bleiben, um die Gesellschaft zu verändern und um unsere Wirtschaft zu verbessern. Wir wollen Zugang zu den wichtigen Märkten in Europa und den usa, denn die reine Landwirtschaft, wie wir sie derzeit haben, wird das Problem der Armut nicht lösen können. Nehmen wir nur das Beispiel Baumwolle: Wir säen, wir pflügen, wir ernten, lagern und verkaufen. Die weitere Behandlung, die Veredelung, die Verarbeitung, das Spinnen, das Weben und Drucken geschieht im Ausland und das ist der Bereich, in dem verdient wird. Wir müssen das Rohprodukt zu niedrigen Weltmarktpreisen abgeben und das Endprodukt dann teuer kaufen. Wir verschenken Arbeitsplätze und der Gewinn bleibt draußen. Die usa und die eu sind inzwischen bereit, sich zu öffnen, aber wir müssen beste Qualität liefern. Das können wir mit unseren technischen und industriellen Möglichkeiten einstweilen noch nicht gewährleisten.

Am Scheideweg

Das heißt für mich, wir können zwar das politische System ändern, aber nicht die Führung. Museveni muss zu Ende führen, was er begonnen hat. Natürlich stehen wir an einem Scheideweg: Museveni kann einen schwerwiegenden Fehler machen und alles zerstören, was wir gemeinsam aufgebaut haben. Wenn er aber geht, ohne sein Werk vollendet und alles abgesichert zu haben, kann ebenfalls alles zu Bruch gehen. Beides ist riskant, aber ich glaube, wenn er geht, ist das Risiko größer."

1985 hatte Yoweri Museveni (Bild) im österreichischen Exil, in Unterolberndorf im Weinviertel, gemeinsam mit Gesinnungsgenossen an der Grundlage für eine neue ugandische Verfassung gearbeitet; seit dem Sturz der Militärdiktatur, 1986, ist Museveni selbst Staatspräsident von Uganda. Mittels im Vorjahr vom Parlament abgesegneter Verfassungsänderung kann er - einst Liebkind des Westens, mittlerweile äußerst umstritten - nun am 23. Februar zum dritten Mal in Folge bei den Präsidentenwahlen antreten. Dolores Bauer kennt Uganda seit den 80er-Jahren und hat das Land zuletzt im Frühjahr 2005 besucht. Ihr Buch "Mein Uganda" erscheint im Februar im Mandelbaum-Verlag.

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