Merkel in Athen, Faymann in Paris

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Natürlich durften auch diesmal die notorischen Versatzstücke aus der NS-Kiste nicht fehlen. Deutschland-Gegner rund um den Globus setzen ja unverdrossen auf ihre ganz spezifische Auslegung des Leitsatzes moderner Kommunikation: "Keep it plain and simple“. Und so zierten also auch anlässlich Angela Merkels Griechenland-Visite am Dienstag Hakenkreuz-Fahnen u. Ä. das Straßenbild.

Unfreundlichkeiten und Verunglimpfungen dieser Art insbesondere Deutschand gegenüber gehören inzwischen zur EU-Folklore. Es ist ein bisschen so, wie wenn der Klassenbeste, der immer die anderen abschreiben lässt, dafür als Streber beschimpft wird. Der Unterschied ist nur, dass Angela Merkel nicht einfach bedingungslos abschreiben lässt, sondern die Kolleginnen und Kollegen beharrlich und, jawohl, auch mit sanftem Druck daran erinnert, dass es doch sinnvoll sein könnte, die Hausübungen selber zu machen. Weil halt irgendwann die Stunde der Wahrheit kommt … Das freilich hören die anderen nicht gern, weswegen sie sich (gegenseitig) einreden, es wäre doch alles leichter, wenn nur der "Streber“ weniger lernen und nicht lauter Einser schreiben würde.

Zu erkennen, dass das nett gedacht, aber leider falsch ist, bedeutet vermutlich einen so schmerzlichen wie unumgänglichen Lernprozess für die Krisenländer. "Das von der Kanzlerin beschworene Licht am Ende des Tunnels werden die Griechen jedoch erst dann sehen, wenn sie begreifen, dass nicht das ‚Vierte Reich‘ schuld an ihrer Misere ist“, schreibt dazu Berthold Kohler in der FAZ. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Hollande, Ikone einer besseren EU

Einen deutlich angenehmeren Dienstag als seine (Ex-)Freundin Merkel verbrachte wohl Werner Faymann. Der österreichische Bundeskanzler durfte sich ein wenig im Licht des französischen Staatspräsidenten sonnen. François Hollande gilt ja wohlmeinenden Europäern als Ikone einer anderen, besseren Union - gewissermaßen eines Gegenmodells zum unlustigen deutschen "Spardiktat“. Dies übrigens ungeachtet der Tatsache, dass Monsieur le Président im eigenen Land auch schon der Wind recht heftig ins Gesicht bläst: Den illusionären Versprechungen des Wahlkampfs ist zwangsläufig die Enttäuschung auf den Fuß gefolgt.

Gerechtigkeit, die sie meinen

Werner Faymann muss das nicht anfechten. Er hat Bilder für den Wahlkampf gesammelt - und sein Lieblingswort verfängt im Élysée auch: "Es ist das Thema Gerechtigkeit, das uns eint“, tönte der Kanzler. Wobei "Gerechtigkeit“ in dieser Lesart bedeutet, dass an der Krise nie "wir“ (beliebig einsetzbar: die kleinen Leute, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer …) schuld sind, sondern immer die "anderen“ (i. e. die Reichen, die Spekulanten …), die entsprechend zur Kasse gezwungen werden müssten. Diese Sicht der Dinge eint Hollande und Faymann - und wer wollte es dem Kanzler verübeln, dass er sich darüber freut. Josef Ostermayer wird schon dafür sorgen, dass diese Freude nicht durch unnötige Lektüre böser Kommentare wie jenes aus der NZZ vom letzten Wochenende getrübt wird: "Hollandes Vorliebe für neue Steuern, sein Einsatz für heilige Kühe wie das Rentenalter 60 und die 35-Stunden-Woche, aber auch seine Vorstellung, der Staat könne neue Stellen in der Privatwirtschaft mittels Subventionen oder behördlichen Drucks quasi dekretieren, zeigen einen Politiker, der in der sozialistischen Orthodoxie gefangen ist.“

In der Zusammenschau dieser beiden Besuche wird klar, dass es um den Wettstreit zweier unterschiedlicher Konzepte von Europa geht. Nicht zuletzt die Einigung auf eine Finanztransaktionssteuer hat gezeigt, dass der Weg in Richtung Vertiefung der Integration vorgezeichnet ist. Bei allen damit verbundenen Unwägbarkeiten kann man nur hoffen, dass Deutschland Atem genug hat, diese Vertiefung weitgehend nach seinen Bedingungen zu gestalten.

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