Merkel, Kurz, Macron

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Das Schlüsselwort für Bundeskanzler Kurz lautet Subsidiarität: mehr Europa in den großen Fragen wie Äußeres und Sicherheit sowie währungspolitischer Disziplin.

Nach Paris nun Berlin: Bundeskanzler Sebastian Kurz lässt keinen Zweifel an seinen europapolitischen Ambitionen -daran, dass er die EU definitiv als "Chefsache" sieht. Tatsächlich steht die Europäische Union vor tiefgreifenden Veränderungen -es bleibt abzuwarten, in welche Richtung der Zug fährt.

In atmosphärisch-symbolischer Hinsicht verbindet Kurz mehr mit dem ebenfalls als "Macher" geltenden, jungen und dynamischen, mit überkommenen Parteitraditionen brechenden französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron als mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Auch sicherheits-und migrationspolitisch dürften Ballhausplatz und Élysée -entgegen dem Klischee des "liberalen" Macron -recht nahe beieinander liegen. Wirtschafts-und finanzpolitisch freilich ist Kurz eindeutig näher bei Deutschland als bei Frankreich. Oder müsste man sagen: war? Denn die (zumindest einigermaßen) an fiskalpolitischer Disziplin und Stabilität orientierte deutsche Linie war weniger von Merkel, als vielmehr von Finanzminister Wolfgang Schäuble geprägt, der freilich mittlerweile auf den Posten des Bundestagspräsidenten hinaufgelobt wurde. Nicht umsonst bezog sich Kurz in einem großen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen im Vorfeld seiner Berlin-Reise ausdrücklich auf Schäuble: In der "Frage des europäischen Haushalts oder der Weiterentwicklung der Eurozone" sei er, Kurz, "sehr nahe an der Linie, wie sie Wolfgang Schäuble definiert hatte".

"Mehr Europa" oder

Ob das so bleibt, daran haben manche ihre Zweifel. Insbesondere angesichts der möglichen Neuauflage einer Großen Koalition, bei der die SPD-Spitze unter erhöhtem Legitimationsbedarf gegenüber ihrer eigenen Basis steht und daher möglichst viel "rote Handschrift" in einem allfälligen Koalitionsabkommen aufweisen wird müssen. Und angesichts der Tatsache, dass eine bekanntermaßen "pragmatische" Merkel diesem Begehren nicht allzuviel entgegensetzen könnte. So äußerte der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung die Befürchtung, "Merkel könnte am Ende ihrer Amtszeit versucht sein, den großen Wurf zu wagen, um sich als große Europäerin feiern zu lassen". Damit meint er, dass die nächste Bundesregierung "vielen Vorschlägen des französischen Staatspräsidenten (Euro-Finanzminister, Euro-Steuerbudget, EU-Arbeitslosenversicherung und anderes mehr" folgen könnte -was auf den "Umbau der Währungsunion in eine Transferunion" hinausliefe.

"Weniger Europa ist mehr"

"Die europapolitischen Groko-Pläne (Große Koalition; Anm.) sind eindeutig mehr im Sinne von Macron als von Kurz", schrieb denn auch die Welt. Sollte es freilich in diesem Sinne zu einer neubelebten Achse Berlin-Paris nach französischem Gusto kommen, würde dies eine Zerreißprobe für die EU bedeuten. Den "Mehr Europa"-Befürwortern stehen die Vertreter eines "Weniger Europa ist mehr" gegenüber. Letzterer Ansatz wird nicht nur von den osteuropäischen Ländern geteilt, sondern entspricht auch -zum Teil entgegen den politmedialen Eliten -vielfach der Stimmungslage in der Bevölkerung quer durch den Kontinent. Das Schlüsselwort dazu, auch von Kurz im FAZ-Interview deutlich formuliert, lautet Subsidiarität: mehr Europa in den großen Fragen wie Äußeres und Sicherheit (à la fran¸caise) sowie währungspolitischer Disziplin (nach deutscher Art).

Es wäre natürlich völlig hypertroph anzunehmen, Österreich könnte die gewaltigen tektonischen Spannungen, unter denen die EU zur Zeit steht, auch nur einigermaßen austarieren. Aber mit einer klugen Politik, die sich jeweils Verbündete sucht, Gesprächskanäle auch zu den europapolitisch Unkorrekten (Orbán &Co.) pflegt, ergäben sich auch für ein kleines Land sinnvolle Handlungsoptionen -zumal in Zeiten des EU-Vorsitzes.

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