Millionen außerhalb gläserner Kassen

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Ein Urteil des Supreme Court hat die US-Gesetze zu Parteienfinanzierung ausgehebelt. Legal werden Millionen an Dollar in den Wahlkampf gepumpt.

Das ist harte Kritik: "Die Kontrolle der Parteienfinanzierung ist zusammengebrochen. Korruptions-Skandale sind programmiert.“ Der dies kürzlich in einem Interview dem Nachrichtensender CBS sagte, ist US-Senator John McCain. Einmal mehr kritisierte der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat die "Citizens United“-Entscheidung des US-Höchstgerichts aus 2010, die den Weg für die Liberalisierung der Parteien- und Wahlkampffinanzierung bereitet hatte.

Dass diese Kritik von einem Republikaner kommt, ist bemerkenswert. Sind es doch tendenziell die Konservativen, die von Großspenden am meisten profitieren. Im Jahr 2008 hatte noch McCain das Nachsehen, als Barack Obama mit der innovativen Kombination von Online-Campaigning und Fundraising 780 Millionen USD an Wahlspenden lukrierte - mehr als je ein Präsidentschaftskandidat zuvor.

Parteiferne Vereine zahlen

2010 bei den Kongresswahlen sah die Sache anders aus: Ermöglicht durch die neue Gesetzeslage entstanden Super PACs (Political Action Committees): Wahlvereine, die Spenden nicht direkt an Parteiorganisationen weitergeben, sondern eigene, formal unabhängige Kampagnen führen. Mithilfe dieser Institutionen hängten die Republikaner 2010 bei den Midterm-Elections ihre Kontrahenten im Rennen um die Wahlspenden ab, um dann die Wahlen für sich zu entscheiden.

Am Beginn der Aufweichung der Bestimmungen zur Parteienförderung steht eine Verfassungs-Klage der rechtskonservativen Non-Profit-Organisation Citizens United gegen die US-Wahlbehörde. Letztere hatte der NPO Ausstrahlung und Verkauf einer (meinungslastigen) TV-Dokumentation über Hillary Clinton untersagt, weil diese in den Zeitraum des gesetzlichen 30-Tage-Werbeverbots gefallen war. Das fünfköpfige Richtergremium des Supreme Court rund um den seinerzeit von George W. Bush nominierten Vorsitzenden John G. Roberts Jr. nutzte die Klage, um die Grundlagen der Wahlkampffinanzierung zu ändern: Die Ausstrahlung der Dokumentation zu untersagen, sei ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Die Bereitstellung von politischen Informationen durch parteiferne Gruppen dürfe ebenso wenig verhindert werden wie deren finanzielle Förderung.

Als einziger von fünf Richtern wendete sich John Paul Stevens in einer 90-seitigen Dissenting Opinion gegen den Entscheid. Der dem liberalen Flügel der Republikaner zugerechnete Richter führte aus, dass die US-Demokratie Schwachstellen habe möge. Ein Mangel an Parteispenden gehöre jedenfalls nicht dazu. Das Urteil zeitigte Konsequenzen: die massive Verlagerung politischer Werbetätigkeit von Parteiapparaten zu außenstehenden Gruppen. Hatten letztere ursprünglich einen Anteil von rund zehn Prozent am Werbe-geschehen, erhöhte sich dies in der Folge auf 50 Prozent.

Im Vorwahlkampf zeigten sich die Auswirkungen dieser - wenn man so will - Privatisierung der Politik: Etwa als durchsickerte, dass Kasinobetreiber Sheldon Adelson im Juni zehn Millionen USD an Mitt Romneys Super PAC "Restore Our Future“ überwiesen hatte. In einem Interview mit Forbes gab Adelson an, heuer insgesamt 100 Millionen USD spenden zu wollen. Eine Gruppe republikanischer Spender um die Milliardäre Charles und David Koch bezifferte ihre Gesamtsumme mit 400 Million USD. Bedenkt man, dass der Kongress im Jahr 1974 unter dem Eindruck der Watergate Affäre ein Gesetz erlassen hatte, das Zuwendungen von Privatpersonen an Politiker mit 1.000 USD und jene von Organisationen mit 5.000 USD beschränkte, wird rasch klar, wie massiv die Spielregeln geändert wurden.

Verglichen mit den Republikanern nehmen sich die Einkünfte der Demokraten aus Super PACs bescheiden aus: Dass etwa der Top-Spender der Demokraten, Filmproduzent Jeffrey Katzenberg bis Ende April 2 Millionen USD locker machte, lässt die New York Times davon ausgehen, dass die Republikaner die Demokraten beim Fundraising diesmal abhängen werden. Noch liegt Obama bei der Geldbeschaffung vorne. Aber die Republikaner holen dank Super PACs auf. Wie die US-Bundeswahlkampfbehörde im Juni bekannt gab, halten Obama und sympathisierende Gruppen bei 547 Millionen USD, während Romney und seine Getreuen derzeit rund 462 Millionen USD aufbringen. Ganz genau weiß es allerdings niemand.

Wer räsoniert - verliert

Wechselseitig werfen einander die Parteien Intransparenz und unfairen Stil vor. Allerdings zeigte es sich in der Vergangenheit, dass der Kandidat, der sich am lautesten beschwert, beim Wähler selten die besten Karten hat. Als Newt Gingrich während des Iowa Caucus die Negativ-Kampagne gegen ihn kritisierte, die der Pro-Romney Super PAC Restore Our Future bezahlt hatte, fuhr er prompt eine Niederlage ein. Als er darauf mithilfe einer Negativkampagne seines eigenen Super PAC South Carolina gewann, kam ihm hingegen nur wenig Kritisches über die Lippen. Ähnliches zeigte sich im Jahr 2000, als John McCain und Bill Bradley im Präsidentschaftswahlkampf über den tendenziell korrumpierenden Einfluss von Geld in der Politik räsonierten - und die Nominierungen verloren.

Dieser Tage hat McCain nichts zu verlieren, wenn er sich klar zur Parteienfinanzierung äußert. Vermutlich hat er recht, wenn er mahnt, dass mit Super PACs und immer mehr Geld im Wahlkampf "der Korruption Tür und Tor geöffnet“ wird. Aber wer hört auf derlei Mahnungen, wenn er gewinnen will?

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