Mini-Sowjet bleibt am Ruder

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"Weißrussen fahren zum Urlauben auf die Krim, nicht nur die Reichen, die ganz Normalen - und wir? Bei uns können sich das nur mehr die Wenigsten leisten." So antwortete vor ein paar Wochen ein Ukrainer aus Charkow nahe der russischen Grenze seinen Gästen, die sich in Lobpreisungen auf die westliche Demokratie ergingen und ihr Werte-und Rechtssystem doch so gerne jetzt auch nach Weißrussland exportieren würden.

In der Ukraine weht erst ein Jahr der Wind der Freiheit - und was hat er gebracht: steigende Lebensmittel-und Energiepreise, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Armut... Da tut der Blick über die Grenze nach Weißrussland, zum Brudervolk, zur Bastion des "letzten Diktators Europas" besonders weh: wenn sich dort all das Gute aus der Sowjetzeit erhalten hat, was den Ukrainern mehr und mehr abhanden kommt: Stabilität, Sicherheit, Wohlstand...

Jetzt ist in Alexander Lukaschenkos Weißrussland auch nicht alles so perfekt, wie es die staatlichen Fernsehsender, Radio und Zeitungen vor den Wahlen am kommenden Sonntag in den schönsten Farben zeichnen, doch es reicht noch allemal, dass die Weißrussen besser dastehen als ihre "freien" Nachbarn im Süden - und nicht nur dort: Auch unter den Modernisierungsverlierern in Polen oder den baltischen Staaten, wird man nicht lange suchen müssen, bis man auf die große Sehnsucht nach "einem System wie früher", nach "einem Präsidenten wie Lukaschenko" stößt.

Mit dem westlichen Demokratieexport nach Osteuropa wurde und wird eine gehörige Portion Zukunfts-und Existenzangst transportiert. Das sollte bedacht werden, wenn nach dem Wahlsonntag in Weißrussland wieder die überwiegende Mehrheit auch ohne Wahlfälschung für den Diktator gestimmt hat. Demokratie ist gut und schön und wichtig, aber ein Urlaub auf der Krim ist das auch.

wolfgang.machreich@furche.at

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