7113373-1996_06_07.jpg
Digital In Arbeit

Mit Geld die Kirche steuern

19451960198020002020

Als Alternative zum Kirchenbeitrag wird die Einführung einer Kultursteuer diskutiert. Welche Auswirkungen ergeben sich iur die Kirchen?

19451960198020002020

Als Alternative zum Kirchenbeitrag wird die Einführung einer Kultursteuer diskutiert. Welche Auswirkungen ergeben sich iur die Kirchen?

Werbung
Werbung
Werbung

Bahnt sich für Österreichs Kirchen eine finanzielle Bedrohung an? Diese bange Frage müssen sich die Vertreter der anerkannten Religionsgemeinschaften stellen. Über vier Milliarden Schilling liefern beispielsweise die rund 3,3 Millionen beitragspflichtigen Katholiken jährlich an ihre Kirche ab. Mit der Rute der Exekution im Fenster wohlgemerkt. Geht es nach der Arbeitsgemeinschaft „Kirche steuern durch Kirchensteuern" soll sich dies bald ändern. Deren Sprecher, der freie ORF-Journalist und Kirche-Intern-Bedakteur Werner Eitel, kündigte ein parlamentarisches Volksbegehren zur Änderung der Kirchenbeitragsordnung an. Nach italienischem Vorbild sollte jeder Steuerzahler jährlich ein Prozent seines Einkommens als Kultursteuer entweder einer Religionsgemeinschaft, verschiedenen Sozialeinrichtungen oder kulturellen Einrichtungen zweckwidmen können. Dazu müßte das Konkordat geändert werden.

Spätestens am Aschermittwoch wird der Arbeitskreis mit dem Sammeln der für das Volksbegehren notwendigen 10.000 Unterstützungserklärungen beginnen. Läuft alles nach Plan könnte der Antrag auf Gesetzesänderung noch vor den Sommermonaten in allen Gemeinden aufliegen. Sollten mehr als 100.000 Menschen den Text unterzeichnen, müßte sich der Nationalrat mit dem Anliegen befassen. Eitel ist zuversichtlich, diese Zahl zu erreichen. Er hofft auf eine Million Unterschriften.

Auf den ersten Blick enthält die Forderung des Arbeitskreises positive Aspekte, etwa für die Seelsorger. Viele von ihnen tut es derzeit leid, oft stundenlang über den Kirchenbeitrag zu diskutieren, anstatt über Glaubensund Lebensfragen. Ein Kirchenaustritt aus finanziellen Gründen wäre dann nicht möglich, da alle Bürger die Kultursteuer zu bezahlen hätten; davon könnten Sozialeinrichtungen und etwa die derzeit finanziell ausgeblutete Entwicklungshilfe profitieren. Auch würde die katholische Kirche fast eine halbe Milliarde Schilling einsparen, wenn sie den Beitrag nicht mehr selber einzuziehen brauchte.

Beim genaueren Hinsehen dürften jedoch die Gründe für eine Ablehnung des Volksbegehrens überwiegen. Die Initiatoren stoßen sich an den gerichtlichen Exekutionen und Pfändungen durch die Kirchen, wenn der Beitrag nicht bezahlt wird. „Die Kirche konstituiert sich durch die Liebe Christi. Es steht ihr nicht zu, jemanden zu zwingen", kritisiert Eitel. Daß der Staat bei der Einhebung der Kultursteuer auch zu Zwangsmaßnahmen greifen würde, stört ihn dagegen nicht: „Das ist staatliches Becht. Das ist in Ordnung." Den Vorwurf des Widerspruchs läßt der Sprecher des Arbeitskreises hier nicht gelten. Ihm geht es bei der Aktion vielmehr um den kirchenreformatori-schen Aspekt.

In der Einleitung des Volksbegehren-Textes heißt es: „Als mühsam hat sich der Weg erwiesen, die Kirchen über religiöse Motive dazu zu bewegen, auf die Anliegen ihrer Mitglieder einzugehen. Die Sprache der Liebe ist vielen Entscheidungsträgern kaum mehr verständlich, und so scheint die Sprache des Geldes eine sinnvolle flankierende Maßnahme zu sein." Wer sich also einmal über seine Kirche (oder einen Bischof) ärgert, sollte einfach den Geldhahn abdrehen und sich für den Staat oder eine andere Re-ligionsgemeinschaft widmen können. Wäre dann für die Kirchen die Versuchung nicht zu verlockend, es sich mit den Steuerzahlern nicht zu verscherzen, ihnen nach dem Mund reden zu wollen und Teile der Identität aufzugeben?

Die Umsetzung des italienischen Modells auf Österreich würde zu massiven Problemen führen. In unserem Nachbarland gaben 1994 genau 50,6 Prozent der Steuerzahler eine Widmung an. Davon entschieden sich 86 Prozent für die katholische Kirche, 12 Prozent für den Staat und zwei Prozent für andere Religionsgemeinschaften. Die Kultursteuer jener 49,4 Prozent, die keinen Zweck angaben, wird entsprechend dem Anteil der Widmungen zugeteilt. Die katholische Kirche erhält damit 86 Prozent der gesamten Kultursteuer. Trotzdem muß die italienische Bischofskonferenz jährlich noch zwei Spendenaktionen durchführen, die großflächig beworben werden.

Der Beitrag des Staates dazu: jeder Steuerpflichtige darf Spenden bis zu zwei Millionen Lire von der Steuer absetzen. Mit diesem Geld können nur die notwendigsten Bedürfnisse abgedeckt werden. Besoldete Laien wie die theologisch ausgebildeten Pastoralassistenten gibt es daher in Italien nicht. Pfarrhaushälterin kann nur eine Frau werden, die von ihrer Pension lebt. Auch die Priester leben größtenteils von Spenden. Während in Österreich ein Pfarrer mit Haushaltsführung durchschnittlich 24.700 Schilling im Monat verdient, bekommt sein Kollege südlich des Brenners nur 9.900 Schilling. Was kirchliche Gebäude anbelangt, unterstützt Italiens Kultursteuer nur Neubauten und keine Benovierungen. Für letztere müssen die Christen spenden und um Subventionen betteln. In Österreich standen pro Katholik 1993 für kirchliche Gebäude 150 Schilling zur Verfügung, in Italien weniger als zehn Schilling.

Die Finanzkammern österreichischer Diözesen befürchten, daß bei der Umsetzung des italienischen Modells den Katholiken nur mehr 20 Prozent ihrer bisherigen Einnahmen zur Verfügung stünden. Ähnlich würde es der evangelisch-lutherischen Kirche gehen. Deren Bischof Herwig Sturm sagte, seine Kirche müßte dann 40 Prozent der Pfarrer kündigen. Eitel dazu: „Das glaube ich alles nicht. Wenn nur einmal der Zwang wegfällt, werden neue Kräfte der Solidarität freigesetzt." Außerdem sollten die Kirchen „mehr Mut zur Armut" haben. Berechnungen über die Auswirkungen seiner Vorschläge habe er aber nicht angestellt, gab Eitel zu.

Ungeachtet der pastoralen Folgen dürfte es angesichts des harten Sparkurses im Parlament kaum eine Mehrheit für die Einführung einer neuen Steuer geben, die auch die wachsende Zahl Konfessionsloser träfe, aber hauptsächlich den Kirchen zukäme.

Für ÖVP-Klubobmann Andreas Khol, auf dessen Unterstützung sich Eitel fälschlicherweise vor laufenden Fernsehkameras berief, stellt das italienische Modell einen Bückfall in längst vergangene Zeiten dar, „als der Staat die Kirchenangelegenheiten geregelt hat". Auch der für innerkirchliche Reformen sehr aufgeschlossene Pfarrer von Paudorf, Pater Udo Fischer, und der St. Pöltner Solidaritätskreis „Weg der Hoffnung" lehnen das Volksbegehren ab.

Es fällt auf, daß angesichts der derzeitigen Diskussion kaum jemand über den vollkommenen freiwilligen Kirchenbeitrag spricht, obwohl in fast allen Ländern die Kirchen vorwiegend auf Spenden und die Unterstützung der Gläubigen angewiesen sind. Davon Fachleute zu beauftragen, eine langfristige Strategie zu entwickeln, wie man wirkungsvoll eine Hinführung zur Freiwilligkeit realisieren kann, ist seitens kirchlicher Amtsträger nicht die Rede. Sie sehen zum derzeitigen System keine Alternative. Ihre Position lautet: Es soll so bleiben, wie es ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung