Da haben viele Kommentatoren in den letzten Wochen den Kopf geschüttelt: Wie kann es sein, dass laut Umfragen eine Bevölkerungsmehrheit für die Große Koalition ist, wenn man doch annehmen muss, dass SPÖ-Wähler nicht die ÖVP und ÖVP-Wähler nicht die SPÖ an der Regierung sehen möchten? Die Annahme kann ein Trugschluss sein. Natürlich möchten Wähler die eigene Gruppierung meist deutlich vorne sehen, aber das schließt Zusammenarbeit nicht automatisch aus. In der Koalitionspräferenz schwingt Sehnsucht nach weniger Bosheit und Streit, nach Zusammenhalt in Grundfragen mit.
Was aber hat Politik objektiv mehr nötig: Konkurrenz oder Konkordanz? Darauf gibt es keine apodiktische Antwort. Konkurrenz belebt und fördert klare Alternativen. In der Wirtschaft ist das fast immer ein Vorteil, in der Politik dann, wenn zwei annähernd gleich starke Kräfte einander ständig blockieren und das Staatswesen versteinert. Aber ebenso gilt: Kein Verein, kein Betrieb, kein Staat, keine Leistungseinheit kann ohne das Ziehen möglichst vieler am gemeinsamen Strang bestehen. Forschung kann nur noch in koordinierter Teamarbeit erfolgreich sein. Politik auch.
Politik braucht Konkurrenz, braucht Regierung und Opposition. Politik braucht aber auch Vertrauen schaffende größere Mehrheiten und damit eine besser berechenbare Entwicklung. Einmal ist mehr das eine, einmal mehr das andere vonnöten. Die zwei Regierungen Schüssel haben die Blockadepolitik der Vorgängerregierung gebrochen und Reformen in Gang gebracht. Gelitten hat das politische Klima. Gegenseitige politische Verteufelungen haben streckenweise Besorgnis erregende Ausmaße angenommen.
Atmosphärisch spricht vieles für eine Große Koalition. Sachlich rechtfertigen muss eine solche jetzt die künftige Politik.
Der Autor ist freier Publizist.
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