Mohn und Koka wachsen im Klima der Gesetzlosigkeit

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Afghanistan führt die Weltrangliste der Opiumhersteller an, Kolumbien ist Marktführer beim KokaAnbau. Doch während man in Kolumbien die Trendwende geschafft hat, die Koka-Bauern nach und nach auf Kaffee, Bananen oder Tomaten umsteigen, wird auf immer mehr afghanischen Feldern Mohn gepflanzt.

So nahe kommen Sie zwei sehr vertrauenswürdigen Kriegsherren (warlords') nie wieder", begrüßt der oberste unDrogenbekämpfer Antonio Maria Costa die Journalisten zu einem Pressegespräch mit General Mohammed Daoud und General Luis Alberto Gómez Heredia in der Wiener uno-City. Der 35-jährige Afghane Daoud kämpft, seit er 15 ist - anfangs gegen die Sowjets, dann an der Seite des legendären Ahmed Shah Massud gegen die Taliban. Der "Löwe von Pandschir" fiel einem Attentat zum Opfer, Daoud überlebte und ist heute afghanischer Vize-Innenminister und zuständig für die Drogenbekämpfung - derselbe Daoud, der sich seinen jahrzehntelangen Guerillakampf durch Drogenhandel finanziert hat.

Generäle im Drogenkampf

General Gómez ist die kolumbianische Version von Daoud und Direktor der Antidrogenpolizei in Bogotá. "Dieciséis", genüsslich zieht Gómez die Zahl in die Länge: 16 Prozent Rückgang der Koka-Anbaufläche in Kolumbien von 2002 auf 2003 und sogar 47 Prozent Rückgang seit dem Jahr 2000. Das sind 77.000 Hektar weniger Kokafelder, eine Fläche knapp zweimal so groß wie Wien. "Die Anti-Drogenanbau-Programme greifen", sagt Gómez und "im Vertrauen auf Gott, die Internationale Gemeinschaft und die kolumbianischen Behörden werden unsere Enkel und Urenkel einmal ohne Drogen und in Frieden und Sicherheit leben können."

Halb Vorarlberg voller Mohn

Bis dahin ist es noch ein steiniger Weg: Denn trotz der aktuellen Erfolge ist Kolumbien mit 67 Prozent der Weltproduktion von Koka/Kokain in diesem Bereich der Marktführer. General Gómez macht jedenfalls seinem afghanischen Pendant Daoud das Angebot, ihn mit kolumbianischen Tipps und Tricks zur Bekämpfung des Drogenanbaus zu versorgen.

Mohammed Daoud wird auch jede nur erdenkliche Hilfe brauchen können, um dem Mohnanbau in seinem Land Herr zu werden: Mit 76 Prozent der Weltproduktion an Opium/Heroin führt Afghanistan in diesem Drogensegment unangefochten die Weltrangliste an. Allein von 2003 auf 2004 ist die Anbaufläche für Mohn in Afghanistan um 64 Prozent auf 131.000 Hektar gewachsen. Das heißt, ein Gebiet halb so groß wie Vorarlberg wird mit Mohn bepflanzt. Zweieinhalb Millionen Afghanen, zehn Prozent der Bevölkerung, arbeiten in der Opiumproduktion und 356.000 Haushalte sind von den daraus erzielten Einkünften abhängig. In einigen Bezirken im Osten und Süden Afghanistans verdienen zwei Drittel der Familien ihren Lebensunterhalt ausschließlich mit dem Mohnanbau.

"Schande für Afghanistan"

"Diese steigenden Zahlen beschämen das afghanische Volk", zeigt sich Daoud reuig, aber die Regierung werde alles unternehmen, um dem Problem mit "strengerer Gesetzgebung und mehr Polizei" beizukommen. Doch was kann Daoud jenen Bauern als Alternative anbieten, die aus der Opiumproduktion aussteigen, will die Furche wissen. Kurz- und langfristige Projekte seien im Anlaufen, die den betroffenen Bauern den Ausstieg aus dem Mohnanbau und den Umstieg in andere Bereiche schmackhaft machen wollen, erklärt der Vize-Innenminister. Konkrete Antworten bleibt er schuldig und auch der jüngste un-Drogenbericht zu Afghanistan vermeldet nur kurz, dass es noch keine aktuellen Daten über Art und Effizienz afghanischer Anti-Drogenkampagnen gibt.

Ruhigeres Leben für Polizei

Eines steht jedoch von vornherein mit Sicherheit fest: Zur Finanzierung solcher Projekte braucht es Geld, viel Geld: 300 Millionen us-Dollar hat die Staatengemeinschaft Afghanistan dafür zugesichert - Daoud hofft, dass dieses Geld bald überwiesen wird. Und er gibt einen triftigen Grund an, warum es den europäischen Drogenimportländern ein großes Anliegen sein soll, dass Afghanistan seine Bauern zu einer Abkehr vom Drogenanbau überzeugen kann: 90 Prozent des in Europa konsumierten Heroins stammen aus Afghanistan.

Daoud zitiert zur Verdeutlichung seines Anliegens ein afghanisches Sprichwort: Bei der Quelle eines Flusses braucht man nur eine Hand, um das Wasser aufzuhalten. Später jedoch, wenn aus dem Rinnsaal ein breiter Strom geworden ist, kann auch der stärkste Elefant den Fluten nicht mehr Einhalt gebieten. Wenn er Innenminister in Österreich wäre, würde Daoud deswegen mehr Geld zur Bekämpfung des Drogenproblems in den Ursprungsländern zur Verfügung stellen: "Das käme insgesamt immer noch billiger, und die Polizei hier würde ein viel ruhigeres Leben haben."

Ein Sack Kaffee statt Kokain

"Sich allein auf's Geldzählen zu fixieren, ist zu wenig", fällt un-Drogenbekämpfer Antonio Maria Costa dem neben ihm sitzenden General Daoud ins Wort. Die Sache sei viel komplizierter, meint der Generalsekretär des un-Büros für Drogen und Kriminalität (undoc) mit Sitz in Wien. Nicht ganz frei von Ironie beginnt Costa mit der Aufzählung all jener Hürden, die sich einem Anti-Drogenanbauprojekt in den Weg stellen:

Gesetzt den Fall, ein KokaBauer in Kolumbien ist bereit, auf Kaffeeanbau umzusteigen; er bekommt Saatgut, die Ernte ist erfolgreich. "Was macht dieser Bauer in Santa Marta mit seinem Sack voller Kaffee?", fragt Costa. Jetzt braucht es Genossenschaften, dann braucht es Kaffeeröstereien. "Aber was macht der Bauer in Santa Marta mit einem Sack voll geröstetem Kaffee?", fragt Costa wieder. Jetzt braucht es Vertriebswege, Exportmöglichkeiten, einen internationalen Markt, der sich nicht durch Zölle und Steuern abschottet usw. "Die Millionen Dollar sind wichtig, aber es braucht viel viel mehr", beschließt Costa seinen Anschauungsunterricht im Hürdenlauf für Koka-Bauern, die in Produktion und Vertrieb einer weniger gefährlichen Droge umsteigen wollen.

Kolumbiens Anti-Drogengeneral Gómez ergänzt: Der Koka-Anbau in Kolumbien konzentriert sich auf die ärmsten Regionen des Landes. Und obwohl lediglich ein Prozent der Gewinne aus dem Drogengeschäft den Koka-Produzenten zugute kommt, hat der Drogenanbau zu einem bescheidenen Wohlstandsgewinn beigetragen. "Durch den Wegfall des Koka-Anbaus der letzten Jahre mussten 50.000 Familien in Kolumbien einen Einkommensverlust von 250.000 Dollar hinnehmen", rechnet Gómez vor. Dieser Verdienstentgang soll nun durch den Anbau von Kaffee, Kakao, Palmherzen, Bananen, Tomaten aber auch durch den Umstieg auf Viehhaltung und die Herstellung von Milchprodukten wettgemacht werden.

Drogen zerstören den Staat

Es sei auch der wachsende Druck aus der Bevölkerung, der immer mehr Bauern zum Ausstieg aus dem Koka-Anbau treibt. Und das nicht nur in Kolumbien, sondern in ganz Lateinamerika. Denn untrennbar mit der Drogenproduktion gehen ein hohes Maß an Gewalt und Korruption einher. "Der Drogenhandel liefert das Geld für alle negativen und kriminellen Aktivitäten in unserem Land", sagt Gómez. Mehr als Sonne und Wasser braucht es ein Klima der Gesetzlosigkeit und Unsicherheit, damit die Koka-Pflanze gedeiht. "Friedenskaffee", "Friedensbananen", "Friedenstomaten" werden deswegen auch die statt dem Koka erzeugten Lebensmittel genannt - "weil in diesen Projekten nicht nur Pflanzen, sondern auch sozialer Zusammenhalt, Vertrauen in die Gesellschaft und Frieden wächst", heißt es in einer undoc-Aussendung.

Solange aber am Existenzminimum lebende afghanische Bauern mit einem Hektar Mohnfeld 4600 us-Dollar, mit einem Hektar Weizen jedoch nur 390 Dollar verdienen, wird in Afghanistan nicht viel "Friedensweizen" wachsen. Deswegen kommt General Daouds Forderung nicht überraschend: "Reduzieren Sie die Nachfrage nach Drogen in Europa und bei uns wird die Produktion zurückgehen." Der General, der jahrelang selbst vom Drogenhandel lebte, muss es ja wissen und dieses Mal stimmt ihm sogar der neben ihm sitzende Antonio Costa zu: "Solange es Käufer gibt, wie wollen wir da den Anbau stoppen?"

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