Mut als Kirchentugend

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Jetzt ist Benedikt xvi. acht Monate im Amt - und man hat erfahren: Motor für einen neuen Aufbruch in seiner Kirche ist er nicht. Seine bisherigen Auftritte waren sympathisch, seine Aussagen ohne übertriebenes Pathos, die Themenwahl wohltuend selektiv und nicht einseitig in traditionellen Fixierungen verfangen. (Der Schlachtruf gegen Homophilie war ein geerbter Sonderfall.)

So weit, so gut. Aber auch nicht so gut. Die heutige Situation der katholischen Kirche in Europa und Nordamerika bedürfte dringend eines neuen Aufbruchs. Ein starker Impuls müsste Schläfer wecken, Gleichgültige aufrütteln, Frustrierte neu motivieren. Viele haben etwa zum Marienfest am 8. Dezember ein großherziges ökumenisches Angebot erwartet, das die orthodoxen Kirchen nicht ablehnen können und die reformierten Kirchen nicht zurücklässt. Oder Kurienreform, Abbau von Zentralismus...

Aber nichts dergleichen zeichnet sich ab. Durch den Vatikan schwirren Vermutungen und Andeutungen. Längst sei die erste Enzyklika fertig, aber der Papst sei ein Tüftler, überarbeite noch immer manche Formulierungen, stelle neue Rückfragen. Viele werden sagen: Großartig! Ein Perfektionist, der keine Fehler riskiert! Wir werden Bedeutendes zu hören bekommen!

Aber wahr ist auch: Aufbrüche vollziehen sich nicht in perfekten Proklamationen. Abraham nahm den Wanderstab, weil Gott ihn rief. Mose führte sein Volk durch Wüsten und Meer. Maria gehorchte dem Engel, brach zum Lobpreis Gottes zu ihrer Base auf. Das Apostelkonzil von Jerusalem strich kurzerhand das Regelwerk der Juden für alle Christen. Johannes xxiii. kündigte ohne Enzyklika und Konsultationsrunden ein Konzil an. Großes lebt von überraschender, symbolstarker Geste. Mut ist zur Kardinaltugend der Kirchenleitung geworden. Als Rarität.

Der Autor ist freier Publizist.

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