Mysteriöse Schallwellen gegen die CIA

Werbung
Werbung
Werbung

Experten bezweifeln, dass es akustische Waffen gibt. Zudem stellt sich die Frage: Welches Interesse sollte Kubas Regierung an Attacken gegen Diplomaten haben?

Es klingt eher nach dem Plot eines James-Bond-Films oder aus der Hochzeit des Kalten Krieges: US-amerikanische Diplomaten sollen in den vergangenen Monaten auf Kuba Opfer "akustischer Attacken" geworden sein. Bei mindestens 21 auf Kuba stationierten US-amerikanischen Diplomaten und deren Angehörigen waren Migräne, Übelkeit, Gedächtnislücken und Taubheitssymptome bis hin zum Verlust der Hörkraft aufgetreten. Auch fünf kanadische Diplomaten sollen betroffen sein.

Kuba bestritt jede Verwicklung und beschwerte sich über die sich verschlechternden Beziehungen und startete kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle eigene Untersuchungen. Zudem wurden USamerikanische und kanadische Ermittler ins Land gelassen. Die Untersuchungen, u. a. in den Wohnungen der Betroffenen, haben die mysteriösen Vorgänge aber bisher nicht aufklären können. "Die Realität ist, dass wir nicht wissen, was oder wer das verursacht hat", erklärte Ende September eine US-Außenamtssprecherin.

In der US-Presse war zunächst über akustische Apparate unbekannten Ursprungs als Auslöser spekuliert worden. Akustik-Experten bezweifeln, dass es solch akustische Waffen überhaupt gibt. Zudem stellt sich die Frage: Welches Interesse sollte die kubanische Regierung an Attacken gegen ausländische Diplomaten haben? Ende 2016, als die ersten Fälle auftraten, war die unter dem damals noch amtierenden US-Präsidenten Barack Obama begonnene Annäherung zwischen Kuba und den USA in vollem Gange. Sie lag und liegt im Interesse Kubas.

Freundschaftliches Verhältnis

Zu Kanada wiederum hat Havanna ein freundschaftliches Verhältnis. Kanadier bilden die größte Gruppe ausländischer Touristen auf der Karibikinsel. Der Tourismus wiederum ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Kubas. Sind vielleicht Exilkubaner verantwortlich, die die Annäherung zwischen Kuba und den USA torpedieren wollen?

Oder eine Fraktion innerhalb der kubanischen Regierung zusammen mit einem Drittstaat? Russland? Nordkorea? Oder ein defektes oder schlecht eingestelltes Abhörsystem? Dagegen spricht, dass die Fälle über mehrere Monate an verschiedenen Orten auftraten. Abhörsysteme seien zudem nicht für die Verbreitung wie auch immer gearteter Schallwellen ausgelegt, so Experten.

Selbst die US-Regierung geht nicht von einer Beteiligung der kubanischen Regierung aus. "Niemand glaubt, dass die Kubaner die Verantwortlichen sind", zitiert die Nachrichtenagentur AP eine nicht genannte Quelle, die mit den Untersuchungen vertraut sein soll. "Alle Beweise deuten darauf hin, dass sie es nicht sind." Jedoch macht Washington Kuba als Gastgeber für die Sicherheit seiner Diplomaten verantwortlich.

Am 30. September kündigte das US-Außenministerium den Abzug von mehr als der Hälfte seines Botschaftspersonals aus Kuba an und sprach eine Reisewarnung für die Karibikinsel aus. Zudem wird die Visavergabe in Havanna auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Auch werden keine offiziellen US-Delegationen mehr nach Kuba reisen. Die diplomatischen Beziehungen sollen jedoch nicht abgebrochen werden.

Beziehungen aufrecht

Die US-Regierung zeigte sich weiterhin zu Treffen mit kubanischen Vertretern bereit -allerdings auf US-Territorium. "Die Entscheidung, unsere diplomatische Präsenz in Havanna zu reduzieren, wurde getroffen, um die Sicherheit unseres Personals sicherzustellen", sagte US-Außenminister Rex Tillerson in einem Statement. "Wir behalten die diplomatischen Beziehungen mit Kuba bei." In der Erklärung war erstmals nicht mehr von "Vorfällen", sondern von "Attacken" die Rede. Neue Erkenntnisse legte die US-Regierung aber nicht vor.

Drei Tage vor der Ankündigung des Abzugs des US-Botschaftspersonals waren in Washington die Außenminister beider Staaten, Tillerson und Rodríguez, zusammengekommen. Bei dem Treffen, das auf Betreiben der kubanischen Seite zustande kam, sprach sich Rodríguez gegen "die Politisierung" der Vorfälle aus. Vergebens.

Am 3. Oktober wies Washington 15 kubanische Diplomaten aus. "Diese Entscheidung wurde getroffen, weil Kuba nicht die notwendigen Schritte unternommen hat, um unsere Diplomaten zu schützen", ließ Tillerson verlauten. Mit der Entscheidung solle Reziprozität bei der Besetzung der Botschaften hergestellt werden.

Rodríguez kritisierte die Entscheidung als "unbegründet" und "inakzeptabel". Weder habe Kuba Angriffe gegen Diplomaten und ihre Familien begangen; noch erlaube es Drittstatten, auf seinem Territorium in dieser Weise zu agieren.

Vielmehr habe Kuba die Sicherheitsvorkehrungen für das US-Botschaftspersonal verstärkt und "gründliche Untersuchungen" gestartet. Rodríguez wiederholte die Bereitschaft seiner Regierung bei der Aufklärung der mysteriösen Vorfälle mit den USA zusammenzuarbeiten. Havanna hatte dreimal FBI-Ermittler ins Land gelassen - ohne Ergebnis. Von US-Seite dagegen habe es nur unzureichende Informationen gegeben; auch hätten die kubanischen Ermittler keinen Zugang zu den Betroffenen und ihren Ärzten erhalten, so Rodríguez.

Wer profitiert?

Von der Ausweisung profitierten all jene, die Fortschritte in den Beziehungen zwischen Kuba und den USA verhindern wollten, sagte Rodríguez. Vertreter der antikubanischen Exilgemeinde in Florida hatten nach Bekanntwerden der Vorgänge eine Schließung der US-Botschaft in Havanna und den Abbruch der gerade erst wieder aufgenommenen diplomatischen Beziehungen gefordert.

"Die USA sind verantwortlich für die gegenwärtige und vermutlich zukünftige Verschlechterung der bilateralen Beziehungen", sagte Rodríguez. Beide Länder hatten erst Mitte 2015 nach über einem halben Jahrhundert Eiszeit diplomatische Beziehungen aufgenommen. Präsident Donald Trump aber verschärfte zuletzt den Ton gegenüber Kuba wieder.

"Wenn die USA die Gesundheit ihres Botschaftspersonals schützen wollen, welchen Sinn macht da die Ausweisung kubanischer Diplomaten?", fragte Rodríguez. Er wies kategorisch zurück, dass die ausgewiesenen kubanischen Diplomaten geheimdienstlich tätig gewesen seien.

Am 2. Oktober hatte Associated Press berichtet, dass es sich bei den von den "akustischen Attacken" zuerst Betroffenen um CIA-Agenten handeln soll. Dies wiederum lässt die ganze Affäre in einem neuen Licht erscheinen. Noch aber sind viele Fragen offen in diesem mysteriösen Fall.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung