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Neutralität war nie Abseitsstehen

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dieFurche: Sie gelten als Verfechter jener These, die besagt, Neutralität habe sich überlebt und Osterreich muß in ein neues, europäisches Sicherheitssystem hinein.

Anureas Khol: Sie scheinen meine Äußerungen nicht richtig zur Kenntnis genommen zu haben. Ich war immer der Meinung in der gesamten Neutralitätsdebatte seit der Diskussion um den EU-Beitritt, daß wir als neutraler Staat in der EU arbeiten können, daß die Neutralität im Rahmen der europäischen Friedensordnung in keiner Konfliktsituation steht. So, wie wir in der UNO als neutrales Land an der kollektiven Sicherheit mittun und uns an friedenserhaltenden Operationen beteiligen, dafür Streitkräfte zur Verfügung stellen, so könnten wir bei einer ähnlichen kollektiven Sicherheit im Rahmen der Europäischen Union ebenfalls mitmachen. Das würde die Neutralität für Kriege zwischen zwei Staaten ohne weiteres intakt halten - nur hätte die Neutralität eine Funktion weiter, die natürlich eine andere ist als bisher. Ich bin absolut dagegen, die Neutralität förmlich abzuschaffen. Ich bin auch strikt dagegen, die Neutralität anders auszulegen, als sie das Völkergewohnheitsrecht auslegt. Das heißt: Diese weitgehenden Neutralitätsvorstellungen im Sinne von abseits stehen von allem, das war's nie.

dieFurche: Eben, Österreich hat das nie gemacht, trotzdem wird's manchmal so gesehen

Khol: Es gibt eine Interpretation in diese Richtung - wenn Sie sich Innenminister Einem anschauen, wenn Sie Tei'e der grünen Szene anschauen, so ist für die Neutralität gleich bedeutend mit Pazifismus -aber das war's nicht.

dieFurche: Ist das nicht eine Überinterpretation gewisser Äußerungen von Einem oder manchen Grünen?

Khol: Nein, ich überinterpretiere das nicht. In manchen Kreisen der Bevölkerung ist Neutralität gleichbedeutend mit der Auffassung, daß wir bei allen militärischen Sachen nicht dabei sind.

Das heißt, Neutralität ist alles; was schön ist in dieser Welt: Wir brauchen keine Soldaten irgendwo hinschicken, niemand von uns muß ein Gewehr anrühren und verteidigen tun uns andere. Diese Neutralität ist im allgemeinen Hedonismus-Bewußtsein mancher Österreicher drinnen und vieles davon wird reflektiert in grün-pazifistischen Kreisen, die der Meinung sind, wir sind neutral, und daher brauchen wir bei allem, was mit Militär zusammenhängt, nicht mitzutun.

dieFurche: Kern der Unterscheidung ist also die Bereitschaft zur militärischen Solidarität, auf die wir im Ernstfall auch vorbereitet sein müssen.

Khol: Und das ist für uns im Rahmen der UNO zu einer wichtigen und international geschätzten Routine geworden. Das tun wir.

dieFurche: Manchmal hat man doch den Eindruck, Osterreich muß sich wegen eines angeblichen Neutralismus ständig vor der internationalen Gemeinschaft verteidigen.

Khol: Das ist schon lange vorbei.

dieFurche: Es gibt also momentan diesbezüglich keine Vorhaltungen?

Khol: Die Neutralität haben uns nur Österreicher vorgehalten - seit wir bei der EU sind. Unsere äußere Sicherheitspolitik wird mit Interesse und jetzt, seit wir auch sehr konkret an der Partnerschaft für den Frieden beteiligt sind, auch mit Wohlwollen gesehen.

dieFurche: Sind wir als Neutrale sicherheitspolitische Trittbrettfahrer gewesen?

Khol: Wir sind nie Trittbrettfahrer gewesen, weil wir seit 1956 an allen UNO-Vorüäben solidarisch mitgewirkt haben - mit Tausenden von jungen Männern, mit viel Geld, das wir dafür verwendet filben und so manchen persönlichen Opfern unserer jungen Leute. Damit haben wir uns auch Ansehen geschaffen. Es hat aber immer Leute in Osterreich gegeben, die ganz gerne eine Politik des Trittbrettfahrens gemacht hätten; aber es waren alle Regierungen verantwortungsbewußt genug, keine Trittbrettfahrer zu sein. Am besten ist das Trittbrettfahren gekennzeichnet, wenn man die schwedische Verteidigungsdoktrin auf österreichisch sagt. Die schwedische Verteidigungsdoktrin war immer: Schweden verteidigt nur Schweden, und nur Schweden verteidigen Schweden. Die österreichische Verteidigungsdoktrin dieser Trittbrettfahrer ist: Osterreich verteidigt niemanden, aber alle verteidigen Österreich. Das ist Trittbrettfahren.

dieFurche: Wie Sie selbst gesagt haben, ist das nie offizielle Politik gewesen

Khol: Aber es gibt Leute, die meinen, wir brauchen das alles nicht, wir brauchen kein Bundesheer. Wenn Herr Einem sagt, wir sind von NATO-Ländern umgeben und brauchen kein Bundesheer, dann ist das genau das: Österreich verteidigt niemanden, die NATO soll aber Österreich verteidigen.

dieFurche: Es geht um die Frage, wie dies Ludwig Steiner einmalformuliert hat Wer rückt für uns aus?

Khol: Manche Österreicher sind der Meinung, sie brauchen für niemanden auszurücken, aber alle rücken für Österreich aus.

dieFurche: Was wird von uns gefordert, damit wir künftig nicht als neutrale Trittbrettfahrer dastehen?

Khol: Von uns wird heute konkret gar nichts gefordert. Was von uns gefordert wird, Partnerschaft für den Frieden, das machen wir. Was die UNO von uns fordert, machen wir. Ich bin froh, daß wir diese IFOR-Truppen (furche /1996, Seite 1 und 5, Anm. d. Red.) haben. Ich bin froh, daß mit Wolfgang Schüssel eine sehr zielbewußte und weiterhin mit hohem Profil versehene Balkanpolitik gemacht wird - siehe Runder Tisch diesen Montag in Wien. Das halte ich für sehr gut. In Zukunft wird man von uns verlangen, daß wir das gleiche machen wie das, was bei der Re gierungskonferenz der EU-Staaten die Ende März in Turin beginnt, mit unserer Mitwirkung herauskommt.

dieFurche: WirddminlitcMungNA-TO oder WEUgehen?

Khol: Das wird in die Richtung ge hen, daß man die WEU noch stärker an die JEU bindet und daß man poli tisch entscheidet, wie man den Arm der WEU einsetzt. Man wird aber die Entscheidung darüber, wer an diesen Aktionen der EU teilnimmt, den Ein zelstaaten überlassen.

dieFurche: Dann muß man sich Ge danken machen, wie ein Heer diesen Anforderungengerecht werden soll, ob man die Wehrpflicht noch braucht

Khol: Ich sehe die Heeresgliederung neu, die Fasslabendsche Heeresre form als eine Begleitmusik zum sich verändernden Anforderungsprofil unserer Landesverteidigung.

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