Nicht alle Eier in einen Korb

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Die Regierungskrise in der Ukraine wird von Wirtschaftsinteressen gesteuert.

Man ist schneller in Kafkas Schloss als bei Rinat Achmetow. Nichts scheut der Krimtatare mehr als die Öffentlichkeit. Dort steht sein Protegé, Viktor Janukowitsch, der nach seiner Niederlage bei der "Orangen Revolution" im Vorjahr ein Comeback als ukrainischer Premier feierte. Janukowitsch ist Chef der Partei der Regionen (PdR), die Strippen aber zieht Achmetow. Kurze Zeit hatte er sicherheitshalber in Italien verbracht, als die orange Führung 2005 krumme Machenschaften der Transformationszeit aufzudecken drohte. Als sich die Wogen glätteten, kam Achmetow zurück - und bleibt das, was er seit langem ist: der reichste Ukrainer.

Mit mehr als elf Milliarden Dollar hat die Zeitschrift Korrespondent sein Vermögen beziffert. Dass die Zeitschrift Forbes das Vermögen mit etwa vier Milliarden angibt, ändert nichts an Achmetows erstem Platz und zeigt lediglich, wie groß die Intransparenz in den Oligarchenstrukturen ist. "Je weniger man über uns weiß und je weniger man uns beachtet, umso größer - scheint es - ist der Nutzen für unsere Struktur", spricht Gennadi Bogoljubow, mit knapp zweieinhalb Milliarden Dollar viertreichster Ukrainer, ein großes Wort gelassen aus.

2 Millionen fürs Parlament

Manch einer der Tycoons der ukrainischen Wirtschaft hat sich zwar selbst einen Parlamentsplatz gesichert - um je zwei Millionen Dollar, hieß es. In den meisten Fällen aber wurden Politiker als Lobbyisten finanziert. Das Hauptproblem der Ukraine ist der Umstand, dass die Oligarchen das Parlament als Gewerkschaft sehen, das die Interessen der reichsten Leute des Landes verteidigt, erklärt der polnische Ukrainespezialist Wieslaw Romanowski. Die enge politisch-wirtschaftliche Verwobenheit wurde nach der Orangen Revolution nicht entflochten, und auch die derzeitige Regierungskrise in der Ukraine wird von oligarchischen Motoren angetrieben.

Präsident Viktor Juschtschenko hat Anfang des Monats das Parlament aufgelöst, weil sich nicht nur namhafte Politiker wie Ex-Premier Anatoli Kinach, sondern auch finanzkräftige Konzerne von den "Orangen" entfernten und die Nähe der PdR suchten. Und nicht bloß Revolutionsikone Julia Timoschenko, sondern vor allem ihre Financiers hält es nicht mehr länger in der finanziell wenig attraktiven Opposition, weshalb sie auf schnelle Neuwahlen drängen. "Sie hat mächtige Politiker und Geschäftsleute um sich. Und diese Haie begannen zu murren. Denn Großbusiness und Opposition, das sind zwei unvereinbare Begriffe", sagt Alexandr Wolkow, einst rechte Hand von Ex-Präsident Leonid Kutschma.

Aufs richtige politische Pferd zu setzen ist für einen ukrainischen Großunternehmer das Um und Auf. Das weiß niemand besser als Timoschenko selbst, deren Vermögen aus der Zeit stammt, da sie als Gasprinzessin in den 1990ern ein Viertel (!) der ukrainischen Wirtschaft kontrollierte. Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, dass nach dem Seitenwechsel Kinachs von den Orangen zur Janukowitsch-Partei ein Dutzend von Timoschenkos Hauptfinanciers ebenfalls ihren Flirt mit der PdR intensivierten.

Dazu soll Konstantin Schewago gehören. Der 33-jährige so genannte "kleine Kostja" ist so klein nicht. Mit knapp zwei Milliarden Dollar Privatvermögen rangiert er auf Platz fünf im Land. Sein Geld machte er mit Finanz- und Kreditgeschäften. Heute gehören auch Metall verarbeitende Betriebe und Maschinenbau zum Konzern. Schon mit 24 Jahren erstmals Abgeordneter, landete der politisch Wendige zuletzt für Timoschenko im Parlament. Dass sein Geschäftspartner Alexej Kutscherenko hingegen der Partei von Präsident Juschtschenko "Nascha Ukraina" (NU) anhängt, verdankt sich wohl dem Prinzip, nicht alle Eier in einen Korb zu legen.

Wirtschaft spielt mit allen

Das tut auch Igor Kolomojski nicht. Der größte Aktionär der mächtigen Gruppe "Privat" wird einmal als Hauptfinancier von Timoschenko genannt, dann wieder als Geldgeber von Juschtschenko. "Kolomojski spielt mit allen", erklärt eine ukrainische Insiderin, die nicht mit Namen genannt werden möchte, gegenüber der Furche. Mit Kolomojski im Konzernboot, das in Timoschenkos Heimatstadt Dnepropetrowsk verankert ist, sitzt auch der bereits zitierte Bogoljubow, der heute auch Präsident der jüdischen Gemeinde in Dnepropetrowsk ist.

Die finanzielle Basis der Juschtschenko nahen Partei "NU" wiederum ist sehr heterogen und erstreckt sich entgegen landläufiger Meinung auch in den russischsprachigen und rohstoffreichen Osten. So steht der drittgrößte Konzern, die "Industrieunion Donbass", unter Serhij Taruta hinter dem Präsidenten. Auch aus dem Konzern kommt der 1,7 Milliarden Dollar schwere Vitali Hajduk, den Juschtschenko zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates gemacht hat. Schon unter Ex-Präsident Leonid Kutschma war er Energieminister und Vizepremier gewesen. Auch der Konditoreikönig und Besitzer des TV-Senders 5. Kanal Pjotr Poroschenko stand früher Kutschma nahe, ehe er zu seinem Freund Juschtschenko wechselte. 2005 wurde er kurz Chef des Sicherheitsrates. Als wichtigste finanzielle Ressourcen Juschtschenkos gelten jedoch der Öl- und Gashändler Alexander Tretjakow sowie der gebürtige Georgier David Schwanija, der unter anderem mit Bestandteilen für Atomkraftwerke groß wurde.

Russlandfreundlich, aber …

Über allen Reichen aber thront Janukowitschs Financier Achmetow. Zu seinem "Imperium System Capital Management" (SCM) gehören Kohleschächte und Stahlwerke, Energiewerke, Telekommunikation, Maschinenbau, Hotels, Banken und der Fußballclub "Schachtjor Donezk". Wichtig festzuhalten ist auch, dass die sprichwörtliche Russlandfreundlichkeit des Janukowitsch-Lagers nur eine bedingte ist. Denn die ukrainischen Oligarchen haben Angst, von den russischen, weitaus größeren Tycoons geschluckt zu werden. Außerdem: Man braucht zwar billiges Gas aus Russland, aber die Absatzmärkte für die eigenen Produkte liegen im Westen. Und um dort sein Image zu verbessern, hat Achmetow schon längst US-Spindoktoren engagiert.

Ob sich die Regierungskrise in der Ukraine bald lösen wird? "Das Land ist nur politisch gespalten, provoziert von den Politikern", sagt dazu der populärste Schriftsteller der Ukraine, Andrej Kurkow: "Sie können es zur Abspaltung der Regionen bringen, mit zwei Parlamenten und zwei Regierungen - macht aber nichts, denn letztlich regiert das Business, denn dieses findet schneller eine Einigung als die Politiker."

Der Autor ist Korrespondent in Moskau.

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