Nicht das internationale Schlußlicht bleiben

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Es braucht schon eine Legislaturperiode, um die Entwicklungszusammenarbeit im Land an neue Herausforderungen anzupassen.

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Es braucht schon eine Legislaturperiode, um die Entwicklungszusammenarbeit im Land an neue Herausforderungen anzupassen.

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Die Debatte. Perspektiven in der Entwicklungspolitik?

Zum Thema. Von Reich zu Arm. Schon in der Vergangenheit war Österreich, was die bereitgestellten Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) betrifft, kein Vorbild in der Staatengemeinschaft. So weit vorne das Land in der Hitliste der wohlhabenden Länder liegt, so abgeschlagen rangiert es bei den Hilfestellungen für die ärmsten Staaten der Welt. Die angekündigten Sparmaßnahmen der neuen Regierung lassen auch für die Zukunft in diesem Bereich nur wenig Gutes hoffen. Eine halbe Seite widmet das Regierungsprogramm dem Thema. Die Forderung nach einem neuen EZA-Gesetz wird dort in drei Punkten abgehandelt. Jeweils ein Vertreter der EZA und der Wirtschaft bringen in dieser Furche nun ihre Vorstellungen für einen besseren Austausch von Reich zu Arm in die Debatte ein. WM Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit (EZA) befindet sich in einer Krise. Budgetkürzungen drohen, das ist aus heutiger Sicht nicht in Zweifel zu ziehen. EZA als junger Beitrag zu weltweiter Solidarität kann aber auf beachtliche Leistungen und Anerkennung verweisen. Zuerst einige Eckdaten: 1998 betrug die gesamte öffentliche EZA Österreichs 5,64 Milliarden Schilling. Das waren 0,22 Prozent des Bruttonationalprodukts. Unter den EU-Geberländern steht Österreich damit an vorletzter Stelle. Das Bundesbudget für den EZA-Kernbereich, die Programm- und Projekthilfe betrug 850 Millionen Schilling plus der Ende 1999 nicht bewilligten 100 Millionen an Überschreitungsermächtigungen.

Das letzte Jahrzehnt war durch Erfolge geprägt. Die Anhebung der Finanzmittel im Bund, die Konzentration auf Schwerpunktregionen, eine Informations- und Bildungsarbeit, die über private Einrichtungen zu einem deutlichen Spendenplus geführt hat. Aber die Anhebung der Mittel erfolgte Anfang der 90er-Jahre zu rasch. Die Stagnation seit 1993 wiederum lähmt. Der Professionalisierungsdruck auf Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) hatte auch negative Auswirkungen: Aus NGOs wurden Non-profit-Unternehmen. Know-how in Ehren, aber dadurch wurde Entwicklungszusammenarbeit zunehmend unpolitisch. Die private EZA ist zum Dienstleister öffentlicher Aufträge geworden. Firmen wiederum halten sich erstaunlich zurück. In der aktuellen Budgetdebatte vermißt man Forderungen der Wirtschaftskammer Österreich schmerzlich. Hat die Wirtschaft an internationalen Kooperationen kein Interesse?

Die Budgetkrise ist Anlaß für einen Neubeginn. Und dies bedeutet zurück zu mehr Entwicklungspolitik. Themen wie Bevölkerungsentwicklung, Umweltfragen, Abrüstung und Demokratisierung bedürfen einer Neubewertung. Die internationale Solidarität ist zuerst ein Instrument weltweiten Friedens. Der Aufwand dafür ist gesellschaftlich paktfähig. Unsere EU-Beiträge als Nettozahler zeigen dies. Das reiche Land Österreich ist in öffentlichen und privaten Haushalten in der Lage, für internationale Solidarität zu zahlen. Aber ohne Visionen, ohne Politikentwicklung wird dies nicht gelingen.

Notwendig ist eine gesamtösterreichische Konferenz, an der Staat, Markt und Dritter Sektor das gemeinsame Anliegen Entwicklungspolitik aufarbeiten. Die Forderung, 950 Millionen Schilling im Haushalt 2000 vorzusehen, besteht zurecht. Selbst diese Summe wird von der OECD als zu gering kritisiert. Wir sollten in den Überlegungen aber über das rein Finanzielle hinausgehen. Das betrifft zuerst den Zeithorizont. Es bedarf einer Legislaturperiode, um 40 Jahre EZA an die neuen Herausforderungen anzupassen.

Zu fordern ist eine Verlagerung von Entscheidungen ins Parlament und damit ein Ernstnehmen der EZA als Teil politischer Willensbildung. Weiters eine Organisations- und Verwaltungsreform mit einer Klärung des Verhältnisses Staat und Privat. Konkrete Ziele sind ein neues EZA-Gesetz und die völlige Neuordnung öffentlicher EZA-Haushalte in Bund, Ländern und Gemeinden. Mit Ermessensausgaben allein kann man internationale Verpflichtungen nicht finanzieren. Da wird Entwicklungspolitik zur Hilfe, der Staat zum Spender.

Die Budgetanhebung für Programme und Projekte ist unausweichlich, will sich Österreich nicht als drittreichstes EU-Land das internationale Schlußlicht verordnen. Ein Entwicklungsfonds, der Katastrophenhilfe wie Aktionspläne zu Migration miteinschließt, würde eine kreative Budgetpolitk ermöglichen. Eine andere wichtige Forderung bleibt die Steuerabsetzbarkeit von Spenden, um die EZA breiter zu verankern. In vier Jahren könnten viele Ziele erreicht sein. Voraussetzung ist der gute Wille. Der ist aber immer im Spiel, wenn auf Erden Friede und Gerechtigkeit versucht werden.

Der Autor ist Direktor der Österreichischen Kommission Iustitia et pax Details: http://www.oefse.at

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