"Nicht die Frauen wiederum ausgrenzen"

Werbung
Werbung
Werbung

Um es ganz kurz zu sagen: Die Bombardements sind keine Lösung, das hat man ja schon im Irak gesehen. Und was die jetzt allerorts getätigte Forderung nach einer demokratischen Regierung für Afghanistan betrifft, hege ich sehr starke Zweifel daran, denn niemand erwähnt die Beteiligung von Frauen an dieser zukünftigen Führung. Und ich glaube nicht, dass ohne die Beteiligung von Frauen der Begriff "demokratisch" gerechtfertigt ist.

Seit Jahren duldet nun schon der Westen - aus angeblichem Respekt vor der Kultur Afghanistans - den Ausschluss der Frauen aus dem öffentlichen Leben. Doch die Kultur wird hier nur als Ausrede für die Diskriminierung von Frauen vorgeschoben, beziehungsweise diese Ausrede wird vom Westen leider akzeptiert. Seit Jahren war es kaum möglich, Geld für Frauenprojekte oder für die Ausbildung von Frauen - auch von internationalen Organisationen - locker zu machen. Alles war auf die Männer fokussiert.

Die Frauen stellen 54 Prozent der afghanischen Bevölkerung, trotzdem wurde von internationalen Organisationen als Rechtfertigung für die geringe Unterstützung immer wieder angeführt, dass die Frauen im Land ja überhaupt nicht präsent seien. Wer sollte also unterstützt und gefördert werden? Ich hoffe, dass das jetzt ein Ende hat und nicht unter anderen Vorzeichen wieder geschieht.

Wir sollten nicht nur die Taliban verantwortlich machen. Alle, vor allem auch die Vereinigten Staaten, haben dieses System gestützt. Wichtig wäre es nur, jetzt eine klare Unterscheidung zwischen dem afghanischen Volk und dem Terrorismus der Fundamentalisten zu treffen.

In einer zukünftigen Regierung Afghanistans sollten alle ethnischen Gruppen des Landes vertreten sein. Ich gehöre zu einer ethnischen Minderheit, und ich habe den Terror der Fundamentalisten gegen uns am eigenen Leib erfahren. Ich habe meinen Ehemann und seine vier Brüder verloren. Es muss eine breit gefächerte Regierung geben, unter Beteiligung von Männern und Frauen und aller Ethnien.

Eine demokratische Regierung kann sicher nicht vom Ausland geschaffen werden. Die Menschen im Land gehören informiert und befragt, bis unter einer UN-Schutzherrschaft eine Regierung installiert wird. Europa kann mithelfen, aber das Ausland kann den demokratischen Prozess nicht machen, das funktioniert nicht. Wir haben diesbezüglich schon einmal schlechte Erfahrungen nach dem Sieg gegen die Sowjetunion und der Machtübernahme der Mudschaheddin gemacht. Die afghanische Bevölkerung muss sich diesmal selbst eine Regierung geben, sie darf ihr nicht von außen auferlegt werden.

Sima Samar ist afghanische Ärztin und Frauenrechtlerin im Exil in Pakistan.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung