Noch einmal unter den Teppich ?

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Was bleibt, sind Bilder: Trump mit Nordkoreas Kim. Das steirische Hochzeitsknickserl vor dem Zaren. Alte und neue Grenzzäune in Nahost, Europa und Amerika. Und viele Klimakatastrophen.

Wo Bilder aber weitgehend fehlen: von Flüchtlingen etwa, die jetzt unterwegs nach Europa scheitern. Vom Massentod jemenitischer Kinder. Auch von den Dramen christlicher Gemeinden in manchen Teilen der Welt.

Und welche "großen Gefühle" bleiben von 2018? Vermutlich nicht viele. Für mich vor allem das Entsetzen über den Mord an Jamal Khashoggi. Nur einer von 94 Journalisten zwar, die im Vorjahr sterben mussten - und doch ein Fanal.

So niederträchtig-grausam kann der Übermut der Macht sein -auch, ja gerade in der islamischen Welt, deren Glaubenstiefe und beispielhafte Gastfreundschaft ich über Jahrzehnte hinweg so oft gegenüber westlichen Feindbildern zu verteidigen versucht habe. Und deren interreligiöse Gesten -gerade im Umfeld des Saudi-Königshauses -mich mehr und mehr interessiert haben. Unvergessen etwa der nächtliche Anruf im Jahr 2014 -und das Angebot, ich könnte doch die Nachfolge von Claudia Bandion -Ortner im Wiener "König Abdullah-Dialogzentrum" antreten. Spontan habe ich mich aber als ungeeignet empfunden.

Und jetzt der Schock des 2. Oktober 2018: Khashoggis Tod durch Erwürgen - offenbar im höchsten Auftrag. Die Mörder mit Knochensäge unterwegs im Sonderjet. Die Leichenreste geheim "entsorgt". Auch ein falscher "Khashoggi" mit Klebebart auf Stadtbummel. Und die geheimen türkischen Lauscher hinter der saudischen Konsulatstapete.

Viele offene Fragen

Drei Monate nach der Bluttat sind die wesentlichen Fragen noch alle offen: nach den wahren Auftraggebern. Und nach der Tauglichkeit der Saudi-Führung, weiterhin "strategische Partner" Amerikas und Europas zu sein - vor allem ihres Öl-und Geldreichtums wegen. Es sind Kernfragen, nicht nur für Donald Trump &Co.: Wieviel Bestialität darf unsere auf Menschenrechte eingeschworene Welt wegschweigen, ohne sich damit selbst in Frage zu stellen?

Amerikaner und Saudis haben -ihrer Interessen wegen -über Jahrzehnte hinweg ihre Widersprüche unter den Teppich gekehrt. Da war etwa der Saudi Osama bin Laden. Da war das Drama von 9/11, in dem 15 der 19 Terroristen aus Saudi-Arabien stammten. Und da ist das entsetzliche Kriegselend im Jemen. Dem Energiebedarf Amerikas und dem Waffenhunger der Saudis sind viele ethische Nachfragen zum Opfer gefallen.

Wird der Mord an Khashoggi jetzt etwas ändern? Und was könnten die Folgen sein, nahost-wie weltpolitisch -und im Milliardengeschäft um Erdöl, Rüstung und Vormacht am Golf?

Alles ist offen. Unbestritten ist zu Jahresbeginn 2019 nur: Der Tod eines Mannes lässt allmächtig Scheinende mächtig zittern. Aber Amerika zögert. So sind im Zweikampf von Macht und Moral noch alle Prognosen "ohne Gewähr".

Heinz Nußbaumer |

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