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Nochferne kollektive Sicherheit

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Vor 50 Jahren entstand nach einem Weltbrand die UNO: Was hat sie geleistet, was kann sie heute, hat sie noch genügend Vertrauen der Völker?

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Vor 50 Jahren entstand nach einem Weltbrand die UNO: Was hat sie geleistet, was kann sie heute, hat sie noch genügend Vertrauen der Völker?

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Am 26. Juni 1945 wurde die Satzung der UNO in San Francisco unterzeichnet, zu einem Zeitpunkt, als der verhee-. rendste Krieg, der jemals die Welt in unsägliches Leid gestürzt hatte, in Kuropa bereits zu Ende gegangen war. In Kraft trat die Satzung am 24. Oktober 1945, nur wenige Monate, nachdem die Atombombe über Hiroshima explodiert war, und kurz darauf der apokalyptische Weltbrand auch in Asien beendet wurde.

Die Weltorganisation der UNO wurde unter amerikanischem Antrieb in ihrem Konzept bereits während des Zweiten Weltkriegs im Bemühen entworfen, nach dem Sieg über die Achsenmächte ein umfassendes und dauerhaftes System allgemeiner Sicherheit zu schaffen, das entscheidend besser als der im Ergebnis so kläglich gescheiterte Völkerbund funktionieren sollte. In ihrer Entstehung ging die UNO aus einem Kriegsbündnis der alliierten Mächte hervor.

Die UNO, der heute beinahe alle Staaten der Erde als Mitglieder angehören, hat sich inzwischen mit ihren Sonderorganisationen zum umfassendsten System der international organisierten Staatengemeinschaft entwickelt. Ihre Aktivitäten umfassen das gesamte Spektrum der internationalen Beziehungen, ja es gibt keinen großen Problemkreis mehr, der nicht schon in der einen oder der anderen Form Gegenstand von Konferenzen oder Beschlußfassungen der Vereinten Nationen gewesen wäre. Ob Umweltschutz, soziale Fragen oder Abrüstung, immer wieder sind es die Vereinten Nationen (VN), die der Staatenwelt den nützlichen Rahmen für weltweite Zusammenarbeit bieten.

Österreich, das in die Weltorganisation bereits im Staats Vertrags jähr 1955 aufgenommen wurde, fand in der UNO sehr rasch das globale Forum für seine Außenpolitik, das es in einer bipolaren Weltlage unter dem Vorzeichen einer aktiven Neutralitätspolitik zu seinem Vorteil nutzen konnte. Der Umstand, daß zehn Jahre lang Kurt Waldheim an der Spitze der UNO amtierte, erhöhte noch zusätzlich das Interesse Österreichs an den VN, und als Wien im Gefolge der Ansiedlung der internationalen Atomenergieagentur und der UNIDO neben New York und Genf zum dritten UN-Quartier wurde, schien das Glück der österreichischen UN-Politik nahezu vollkommen.

Die Hauptaufgabe der UNO war und ist die Aufrechterhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit. Diesem Zwecke dient das in der Satzung verankerte System der kollektiven Sicherheit, das unter der Hauptverantwortung der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats (China, Frankreich, Rußland, Großbritannien und USA) im Falle von Friedensgefährdungen oder -brächen in Aktion treten soll. Dieses Sicherheitssystem, dem alle UN-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sieht als Reaktion auf Friedensbrüche eine Reihe von Maßnahmen vor, die je nach Erfordernis bis zu militärischen Aktionen gegen den Aggressor reichen können. Es versteht sich, daß einem solchen System die Annahme zugrundeliegt, daß die Mitglieder des Sicherheitsrates und allen voran die mit dem Vetorecht ausgestatteten fünf ständigen Mitglieder im Ernstfall solidarisch handeln. Bis zur weltpolitischen Wende 1989 war jedoch der Sicherheitsrat infolge der Ost-West-Konfrontation der Supermächte durch den Gebrauch des Vetorechts mehr oder weniger gelähmt. Die im Kapitel VII der Satzung vorgesehenen Zwangsmaßnahmen wurden — abgesehen von zwei Ausnahmen (Wirtschaftssanktionen gegen Rhodesien und Südafrika) - aufgrund der Gegensätze zwischen den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern USA und Sowjetunion nie angewendet. '

Als dann nach 1989 eine grundlegend veränderte internationale Situation vorlag, glaubte man, daß nunmehr die Voraussetzungen für ein einsatzfähiges System der kollektiven Sicherheit gegeben wären und die Vereinten Nationen endlich die ihnen

von den Gründungsvätern zugedachte Rolle bei der Aufrechterhaltung und Wiederherstellung des internationalen Friedens ausüben könnten. Der vom Sicherheitsrat autorisierte Einsatz militärischer Gewalt gegen den Irak im Gefolge der Invasion Kuwaits bestärkte diese Einschätzung. Eine aktuelle Beurteilung der internationalen Krisenherde dämpft inzwischen freilich den Optimismus hinsichtlich einer Renaissance der UNO als effektives Sicherheitssystem.

Relativ erfolgreich waren hingegen die Vereinten Nationen im Bereich der übrigens in der Satzung nicht ausdrücklich vorgesehenen friedenserhaltenden Operationen (peace keeping). Diese in der Regel vom Sicherheitsrat verfügten Einsätze, die unter der Autorität des Generalsekretärs und mit Zustimmung der Konfliktparteien durchgeführt werden, haben in einer Vielzahl von Fällen die Regelung bewaffneter internationaler Konflikte wirksam unterstützt und abgesichert. Österreich wird in diesem Zusammenhang zu-recht gewürdigt, weil sich sein Beitrag zu den friedenserhaltenden Operationen der UNO durchaus sehen lassen kann. Bemerkenswert ist auch die Weiterentwicklung des peace keeping von den ursprünglichen Aufgaben wie etwa die Überwachung eines Waffenstillstands zu neuen Funktionen bei der Wiederherstellung ziviler Verwaltungen oder der Wahlbeobachtung (siehe Kambodscha).

Das Engagement der UNO mit friedenserhaltenden Operationen in Ex-Jugoslawien beziehungsweise in Somalia wird von kritischen Stimmen in letzter Zeit häufig als Demonstrationsobjekt dafür angeführt, wie sehr die Vereinten Nationen als System der

kollektiven Sicherheit mit der Aufgabe überfordert sind, dem Opfer einer Aggression effektiven Schutz zu bieten oder in internationalen Spannungsgebieten die zivile Ordnung wieder herzustellen.

Dafür sind freilich weniger die Vereinten Nationen verantwortlich zu machen, als vielmehr die Mitglieder des Sicherheitsrats, deren disparate Interessen den in der Satzung vorgesehenen Einsatz wirkungsvoller Instrumente zur Konfliktbeendigung verhindern.

Auf einem Gebiet können die Vereinten Nationen eine überwiegend positive Bilanz ziehen, nämlich im Bereich der Menschenrechte. Ungeachtet der Tatsache, daß die Menschenrechte in vielen Gebieten der Erde gröblich mißachtet werden, sind es die VN, in deren Rahmen die Geltung der Menschenrechte zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte universell verankert wurde. Die allgemeine Menschenrechtserklärung und die aus ihr weiterentwickelten Menschenrechtsinstrumente der Vereinten Nationen gehören zum wertvollsten Bestand dessen, was die UNO bisher erreicht haben. Zuletzt hat die 1993 abgehaltene Wiener Weltkonferenz den unabdingbaren Stellenwert der Menschenrechte für das friedliche Zusammenleben innerhalb eines Staates sowie der Staaten untereinander ins Bewußtsein gehoben.

Hat die UNO die in sie gesetzten Erwartungen als wirksames System kollektiver Sicherheit bisher nicht erfüllt, so bleibt sie doch in ihrer gegenwärtigen Verfassung als globales Forum für die Zusammenarbeit und den Dialog der sogenannten internationalen Staatengemeinschaft in allen Bereichen schlechthin unverzichtbar.

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