"Nordkorea ist ein rationaler Akteur"

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Der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA spitzt sich weiter zu. Warum ist Krieg nun auch für die USA eine Option geworden und welche Perspektiven gibt es für eine Verhandlungslösung? Suche nach Antworten beim Außenpolitik-Experten Gerhard Mangott.

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Der Konflikt zwischen Nordkorea und den USA spitzt sich weiter zu. Warum ist Krieg nun auch für die USA eine Option geworden und welche Perspektiven gibt es für eine Verhandlungslösung? Suche nach Antworten beim Außenpolitik-Experten Gerhard Mangott.

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Ganz so verrückt, wie Kim Jong-un, der nordkoreanische Diktator, dargestellt wird, ist er nicht, meint Gerhard Mangott, Professor für Politikwissenschaft der Uni Innsbruck. Er sieht das Konfliktrisiko in der Nordkoreakrise auch bei den Amerikanern, die von einem Kurs des Abwartens zu einer neuen, aggressiveren Strategie unter Donald Trump gekommen sind. Die Chinesen spielen nach Mangott in möglichen Verhandlungen eine ganz entscheidende Rolle. Ein Interview zum Krisenherd Fernost.

DIE FURCHE: Die Krise um Nordkorea intensiviert sich jeden Tag weiter. Diese Woche hat mit Manövern der koreanischen und US-Streitkräfte begonnen, die einen Angriff Nordkoreas simulieren. Für wie gefährlich halten Sie die aktuelle Lage?

Gerhard Mangott: In der Haltung der USA zu Nordkorea mehren sich die Stimmen, die eine militärische Lösung für vertretbar und durchführbar halten. Sicherheitsberater McMaster führt dieses Lager an und meint, dass Nordkorea als Nuklearmacht nicht abgeschreckt werden könne, anders als rationale Akteure wie Russland oder China. Grund dafür sei die Irrationalität und Unberechenbarkeit des nordkoreanischen Führers Kim Jong-un.

DIE FURCHE: Aber hat nicht die Rücknahme des angekündigten Raketentests vergangene Woche gezeigt, dass Nordkorea sehr wohl abgeschreckt werden kann?

Mangott: Ganz offensichtlich. Die Amerikaner leugnen dies aber und wollen ein nuklear bewaffnetes Nordkorea nicht akzeptieren. Bei aller Bizarrheit und Brutalität des nordkoreanischen Regimes halte ich es für höchst rational. DIE FURCHE: Inwiefern?

Mangott: Nordkorea hat erlebt, dass die USA seit Clinton eine interventionistische, auf regime change abzielende Außenpolitik verfolgen -in Afghanistan, dem Irak, Libyen und Syrien. Kim Jongun hat also aus Selbstschutz das Interesse, sein Rüstungsprogramm weiter zu verfolgen. Es ist ein Abschreckungsinstrument zur Sicherung der nationalen Unabhängigkeit und des Regimes. Es soll der nordkoreanischen Bevölkerung aber auch die technologische Stärke des Landes demonstrieren. DIE FURCHE: Aber das Atomprogramm scheint auch das einzige Argument zu sein, das Nordkorea außenpolitisch hat.

Mangott: Kim Jong-un hat das Nuklear-und Raketenprogramm seit 2011 massiv beschleunigt. Kim Jong-il, sein Vater, war behutsamer vorgegangen, obwohl er 2006 den ersten Atomtest durchführte. Drei der bisherigen fünf Atomwaffentests wurden aber unter Kim Jong-un durchgeführt. Auch einsetzbare Interkontinentalraketen wurden erst in den letzten Jahren entwickelt. Er beschleunigt die Programme, weil er überzeugt ist: Nur wenn er den Durchbruch schafft, ist sein Regime sicher.

DIE FURCHE: Nordkorea ist aber nach Darstellung des "Bulletin of Atomic Scientists" nicht in der Lage, die US-Westküste zu treffen.

Mangott: Da gibt es sehr widersprüchliche Einschätzungen. Die Defence Intelligence Agency kam vor wenigen Wochen zur Einschätzung, dass die Nordkoreaner die Technologie beherrschen, Sprengköpfe zu miniaturisieren, kompakt und mit geringerem Gewicht zu bauen. Nur dann sind sie für Interkontinentalraketen geeignet. Bisher unterschätzten die US-Geheimdienste die Fähigkeiten der Nordkoreaner häufig. Also kann man davon ausgehen, dass die neue Einschätzung auch tatsächlich stimmt und die Raketen die Westküste erreichen können. Womit Nordkorea vermutlich noch Probleme hat, ist sicherzustellen, dass der Sprengkopf die gewaltige Hitze, die beim Wiedereintritt in die Atmosphäre entsteht, auch aushält. Nordkorea kann die USA mit Raketen erreichen, aber noch nicht mit einem nuklearen Sprengkopf.

DIE FURCHE: Wenn man von diesem Szenario ausgeht, wie hoch ist dann das Risiko einer militärischen Auseinandersetzung?

Mangott: Letztlich sind die bisherigen amerikanischen Präsidenten immer wieder zu der Einschätzung gelangt, dass die Kosten eines Waffengangs gegen Nordkorea inakzeptabel hoch wären. Mc-Master und CIA-Direktor Pompeo halten aber die bei einem Angriff unvermeidbaren Zerstörungen in Südkorea und Japan für vertretbar, sollte Nordkorea die materielle Fähigkeit erlangen, die USA mit Kernwaffen anzugreifen. Experten fürchten, dass Kim Jongun als erster Nuklearwaffen einsetzen könnte, wenn er einen konventionellen Angriff der USA, der lange Zeit vorbereitet werden müsste, für absehbar hält. Aber auch die konventionelle nordkoreanische Artillerie würde schwere Zerstörungen in Südkorea anrichten. Fraglich ist, was für die USA durch einen konventionellen Angriff überhaupt erreichbar wäre. Nicht alle Raketen-und Atomwaffenstützpunkte sind bekannt oder sie sind verbunkert.

DIE FURCHE: Aber wenn es eine Verhandlungslösung geben sollte; wer verhandelt da mit wem und mit welchem Kompromissangebot?

Mangott: China unterstützt die Verhandlungsoption. Als Voraussetzung dafür sollten die USA ihre Manöver mit Südkorea und Nordkorea seine Atom-und Reketentests einfrieren. Nordkorea und die USA lehnen das ab und die USA werden sich auf Verhandlungen nur einlassen, wenn deren Ziel die Denuklearisierung Nordkoreas ist. Nordkorea wird aber auf seine Nuklearwaffen nicht verzichten. Verhandelbar sind bestenfalls die Größe des Arsenals und die Nicht-Verbreitung des nordkoreanischen Wissens über Nuklearwaffen. Verhandlungen müssten, unter Vermittlung Chinas, direkt zwischen Nordkorea und USA stattfinden.

DIE FURCHE: Aber halten Sie denn das unter der derzeitigen Administration in Washington für einen gangbaren Weg?

Mangott: Trump hat sich selbst unter Handlungsdruck gesetzt. Er hat erklärt, es nicht zuzulassen, dass Nordkorea mit nuklearbestückten Raketen das amerikanische Festland erreichen kann. Diese Fähigkeit wird Nordkorea aber erwerben, auch wenn man davon ausgehen kann, dass Kim Jong-un mit seiner nuklearen Bewaffnung keine offensiven Absichten hat. Werden die USA ein nuklear bewaffnetes Nordkorea dann akzeptieren oder doch zum Mittel des Krieges greifen?

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