Nützliche Terror-Idioten

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Sprint im Wettlauf um Afrikas Öl- und Gasvorräte. Terror bietet dabei eine willkommene Rechtfertigung für den Bau von Militär-Basen.

Es gibt sie auch in der Weltpolitik - die glücklichen Zufälle: Kaum mausern sich Nord- und Westafrika und der Sahel-Raum von einer vergessenen Weltgegend zu einem wichtigen Erdöl- und Erdgaslieferanten, da verortet US-Verteidigungsminister Robert Gates genau dorthin "wahrscheinlich die neueste Region, wo Al Kaida sich zu einer ernst zu nehmenden Organisation entwickelt hat". Mit "strukturellen Änderungen" will die US-Armee "auf die neue Bedeutung Afrikas" reagieren, sagte der Verteidigungsminister am Wochenende gegenüber einem amerikanischen Radiosender. Gates sprach dabei nur von der Bedeutung Nordafrikas als angeblichem Terroristenhort, die wirtschaftliche Bedeutung der Region dürfte für dieses Militärprojekt jedoch nicht weniger ausschlaggebend sein. Hier finden sich Lagerstätten, aus denen derzeit mehr als 15 Prozent der Öllieferungen in die USA stammen, und innerhalb der nächsten Jahre soll die Lieferquote auf ein Viertel der US-Importe steigen. Nicht zuletzt, um damit die amerikanische Abhängigkeit von den arabischen Ölstaaten zu verringern.

Neu: eigene US-Afrikaeinheit

US-Präsident George W. Bush hat den jetzt von seinem Verteidigungsminister angekündigten militärischen Umstrukturierungsprozess bereits im Februar dieses Jahres mit der Errichtung eines eigenen Einsatzführungskommandos für Afrika eingeleitet. Der Sitz dieser "Africom"-Zentrale ist noch beim Europa-Kommando in Stuttgart angesiedelt, soll aber nach Afrika verlegt werden. Zum ersten Kommandanten der US-Truppen in Afrika hat Bush am letzten Dienstag den afroamerikanischen General William Ward ernannt - auch ein Entgegenkommen an die afrikanischen Visavis, denn Ward ist erst der fünfte Schwarze, der es im US-Militär zum Vier-Sterne-General geschafft hat.

Doch mit einer Zentrale und einem Kommandanten ist es nicht getan. Langfristig ist die Errichtung von rund einem Dutzend Militärbasen in der Region geplant: in Senegal, Mauretanien, Mali, Niger, Tschad, Ghana, Marokko, Tunesien und vor allem in Algerien, dem die Schlüsselrolle im US-Konzept eines "Greater Middle East" zukommt. Geografisch fragwürdig reicht dieser größere Nahe und Mittlere Osten für die USA "von Marrakesch bis Bangladesch", sagt Werner Ruf, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Kassel, und er meldet gleichzeitig große Bedenken zur "Plausibilität der Bedrohung durch afrikanische Al Kaida-Ableger" an.

Geschäfte mit Schwachen

Werner Ruf war Vortragender bei der letztwöchigen Internationalen Sommerakademie des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung auf Burg Schlaining im Burgenland. "Von kalten Energiestrategien zu heißen Rohstoffkriegen" lautete das Generalthema der Akademie; der Kasseler Politologe widmete sich dabei der gerade militärisch wie wirtschaftlich forcierten Umsetzung der US-Energiestrategie im nördlichen Afrika.

Für Karin Kneissl, Nahost-Expertin und eine andere Vortragende in Schlaining, liegt die Attraktivität afrikanischer Staaten für Ölkonzerne vor allem in deren schwachen staatlichen Strukturen: "Das ermöglicht das eigentliche Geschäft: den direkten Upstream", also die direkte Förderung durch die jeweilige Firma selbst. Weltweit liegen zehn Prozent der Ölvorkommen mit direktem Zugang in Afrika, die restlichen 90 Prozent sind hingegen in staatlicher Hand, so wie beispielsweise in Russland oder Saudi Arabien.

Neben den USA und Europa melden vor allem China sowie Malaysia, Taiwan oder Indien großes Interesse an der Ressourcen-Kolonialisierung Afrikas an, referierte Kneissl. Im Gegensatz zu westlichen Staaten und Konzernen würden diese aber die "ethische Latte" weniger hoch legen und sich im Gegensatz zu Europa nicht in die internen Angelegenheiten der afrikanischen Staaten einmischen.

Warum Darfur am Pranger?

Werner Ruf hingegen sieht die Unterschiede zwischen Ost und West bei den Demokratie- und "Good governance"-Forderungen an afrikanische Staaten nicht so gravierend: "Warum glauben Sie", fragt er die Furche, "wird über Darfur soviel geredet, über die anderen Konflikte in Afrika aber nicht?" - "Weil die Chinesen im Sudan sehr im Ölgeschäft engagiert sind", gibt sich der Politologe die Antwort gleich selber. Deswegen seien die Menschenrechtsverletzungen in Darfur auch weltweit und bis zum UN-Sicherheitsrat hinauf ein Thema, während die Konflikte in den Regionen, in denen die USA oder europäische Konsortien ihre Geschäfte betreiben, zu den vergessenen des Kontinents gehören.

Gegen den Terror-Strich

Konfliktforscher Ruf liebt es, in Schlaining gegen den Strich eingefahrener Meinungen zu bürsten: Wie im Fall der 2003 in der algerischen Wüste entführten Touristen - unter ihnen einige Österreicher. Das Geiseldrama zog sich über Monate hin, Deutschland, Österreich und die Schweiz sollen fünf Millionen Dollar Lösegeld bezahlt haben. Die damaligen Täter waren Mitglieder der algerischen GSPC, der "Salafistischen Gruppe für Predigt und Kampf", die sich als "die rechte Hand Bin Ladens in der Sahara" ausgaben.

Ruf ist gegenüber dieser offiziellen Schilderung skeptisch: "Ich bin mir nicht sicher, ob nicht dieses berühmte omnipräsente Gespenst der Salafistischen Gruppen ein Stück weit an der Leine des Algerischen Sicherheitsdienstes läuft, und wenn man weiß, dass die Kooperation zwischen den algerischen Sicherheitsdiensten und den USA enorm dicht ist, und Algerien der Hauptlieferant für Meldungen und Erkenntnisse über Terrorismus ist, dann wundert einen das nicht mehr, dass dieses Gespenst jetzt am Horizont auftaucht, von dem man nicht weiß, was es ist."

Inszenierte Entführung?

Unterstützung bekommt Ruf von damals befreiten Geiseln, die sich damals schon über viele Ungereimtheiten gewundert haben und heute fragen, ob "die Aktion nicht eine Inszenierung des algerischen Geheimdienstes gewesen sein könnte". Für den britischen Afrika-Forscher und Tuareg-Spezialisten Jeremy Keenan ist wiederum klar, dass "die USA um das Jahr 2002 herum versuchten, ihren globalen Anti-Terror-Krieg zu legitimieren - vor allem vor ihren europäischen Verbündeten". So entstand folgendes Argumentationsbild, erklärt Keenan: Von den US-Truppen aus Afghanistan vertrieben, fliehen die Terroristen nach Ostafrika, in den Sudan, weiter in den Sahel und schließlich nach Nord-West-Afrika. Und mit der spektakulären Entführung 2003 gibt es den letzten Beweis, dass die Sahara ein Rückzugsraum internationaler Terroristen ist.

Verschwörungstheorie? Keenan und Ruf gehen nicht so weit, den USA Komplizenschaft bei der Entführung zu unterstellen. Doch beide betonen die enge Verflechtung zwischen den Salafisten und dem algerischen Geheimdienst. Und Algerien profitierte von der Entführung: US-Waffenlieferungen für den Anti-Terror-Krieg und Unterstützung für das vordem vom Westen nicht gerade heiß geliebte Regime waren nachher keine Frage mehr. Und die USA profitierten auch: Ein Fuß war in die nordafrikanische Tür gestellt, und damit diese weit offen bleibt, folgen jetzt weitere Türsteher.

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