"Null Toleranz für Rassismus - absolut!"

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Nationalratspräsidentin Barbara Prammer über Widerstand und Zivilcourage anlässlich des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus im Parlament.

Die Furche: Frau Nationalratspräsidentin, die diesjährige Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Parlament am 4. Mai widmet sich dem österreichischen Widerstand in der NS-Zeit und will dabei auch den Bezug zur Gegenwart nicht zu kurz kommen lassen - kann man die Umstände von damals auch nur irgendwie mit heute vergleichen?

Barbara Prammer: Die Umstände an sich sind keineswegs zu vergleichen, das ist auch nicht die Absicht dieses Gedenktages. Worum es vielmehr geht, ist einerseits daran zu erinnern, unter welchen für uns heute unvorstellbaren Bedingungen die Menschen des österreichischen Widerstands gelebt und für ihre Ideale eingestanden haben. Und andererseits darauf aufmerksam zu machen, dass Zivilcourage und persönlicher Einsatz gegen Unrecht, gestern wie heute, besondere Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens sind. Das müssen wir vor allem den jungen Menschen heute mit diesen Veranstaltungen möglichst nah vor Augen führen. Mir war es deshalb auch wichtig, dass neben den Vertretern der Widerstandsverbände auch die Jugendlichen selbst in Form eines Filmbeitrags (siehe Artikel unten) zu diesem Thema zu Wort kommen.

Die Furche: Was sind für Sie heute gelebte Beispiele von Zivilcourage?

Prammer: Zunächst sollten wir, denke ich, festhalten, dass Zivilcourage auch und eigentlich meistens dort und genau dann vorkommt, wenn keine Kameras oder Mikrofone in der Nähe sind. Zivilcourage findet in unterschiedlichen Situationen des Alltags statt. Meist dann, wenn alle anderen wegsehen und schweigen. Das erfordert ganz schön viel "Courage", ganz schön viel Mut. Natürlich gibt es dann auch die Beispiele, die für viele Menschen sichtbar werden. Etwa wenn sich junge Schülerinnen und Schüler geschlossen dafür einsetzen, dass eine von der Abschiebung bedrohte Schulkameradin nicht auf Grund von fragwürdigen gesetzlichen Bestimmungen aus ihrer Mitte gerissen wird - auch das ist für mich Zivilcourage.

Die Furche: Kommt Ihnen vor, dass in unserer Gesellschaft der Mut gegen Ungerechtigkeiten aufzustehen und Position zu ergreifen eher zu-oder abnimmt?

Prammer: Grundsätzlich glaube ich, dass dieser Mut immer vorhanden ist. Dabei muss es nicht ausschließlich um Bedrohungen oder Kriege gehen. Was die Menschen als Ungerechtigkeiten empfinden, ist sehr unterschiedlich. Denken Sie nur an die Frauenbewegung. Anfangs hielten das alle für eine Randerscheinung in der Innenpolitik, heute ist Frauenpolitik schon beinahe für alle selbstverständlich, auch wenn es immer einige Unbelehrbare geben wird. Was uns aber vielmehr beschäftigen sollte, sind die Ursprünge der Ungerechtigkeiten. Die Politik hat hier besonders große Verantwortung. Wenn sich Menschen ungerecht behandelt fühlen, dann hat das einen Grund, umso mehr, wenn die Menschen das Gefühl haben, wenig gegen diese Ungerechtigkeiten unternehmen zu können.

Die Furche: Gerade bei den Themen Rassismus und Diskriminierungen aller Art fehlt es in Österreich leider sehr oft an besagtem Widerstand oder Zivilcourage - stellt sich die Frage: Kann Zivilcourage gelehrt werden?

Prammer: Das ist eine sehr entscheidende Frage. Bei Rassismus gilt für mich absolute "zero-tolerance", dafür gibt es keine Entschuldigung oder Rechtfertigung. Aber woher kommen denn die meisten Fälle von Rassismus? Meist entstehen sie aus Wut, die auf Vorurteilen fußen, die keinerlei Berechtigung haben. Daher müssen wir uns zwei Strategien zu Eigen machen, um Diskriminierungen, egal gegen wen, zu beseitigen: Einerseits müssen wir uns selbst gegenüber ehrlich sein und zugeben, dass es Diskriminierung gibt. Probleme nicht anzusprechen und die Menschen sich selbst zu überlassen, ist der falsche Weg. Jene die von Diskriminierungen betroffen sind und jene die dabei zusehen, müssen sich bewusst sein, dass es sich hier um Unrecht handelt. Auf der anderen Seite sollten wir alles daran setzen, die Unterschiedlichkeit der Menschen als Chance und Bereicherung zu begreifen. Beides macht es erforderlich, dass wir uns schon im Kindesalter mit Fragen des Zusammenlebens und der Konfliktregelung gezielt und ehrlich beschäftigen. Bildung ist nicht nur auswendig lernen von Fakten und Sachverhalten. Bildung bedeutet, auch der Realität außerhalb von Büchern zu begegnen und sich den Menschen zuzuwenden.

Die Furche: Noch eine Frage an Sie als oberste Parlamentarierin in Österreich: Welche Rolle spielt für Sie das Parlament als Hort des freien Wortes und Hüterin der Demokratie in diesem Themenkomplex?

Prammer: Eine sehr wichtige Rolle, natürlich. Ganz besonders, was das freie Wort betrifft. Das ist ein Grundprinzip des Parlamentarismus. Verständnis für Demokratie und Partizipation kann gelernt werden, schon von ganz früh an. Es freut mich, dass wir diese Aufgabe ab Herbst 2007 auch im österreichischen Parlament mit einer "Demokratiewerkstatt" besonders für die Jungen sehr aktiv wahrnehmen werden. Die Geschichte zeigt uns ganz genau, welche Stellung das Parlament für die Demokratie einnimmt. In allen totalitären Regimen war es immer die Ausschaltung des Parlaments, die den Beginn von verheerenden Entwicklungen markiert hat - Österreichs Geschichte zeigt das sehr deutlich. Es mir daher besonders wichtig, dass der Gedenktag auch heuer wieder gemeinsam mit Bundesrat und Nationalrat im Parlament abgehalten wird. Denn das Parlament ist das Herz einer jeden Demokratie. Und es sollte Vorbild sein, wenn es darum geht, demokratische Prinzipien und Normen zu leben.

Die Fragen stellte Wolfgang Machreich.

Diese Seite ist entstanden in Kooperation mit dem Parlament.

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