Nur wenig Fortune für Österreichs Banken

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GASTKOMMENTAR. Der Skandal um die Hypo-Alpe-Adria ist nur ein besonders aufsehenerregendes Kapitel in der insgesamt recht tristen jüngeren Geschichte der österreichischen Bankenlandschaft. Auch hier könnte man sich einiges von den Schweizer Nachbarn abschauen.

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GASTKOMMENTAR. Der Skandal um die Hypo-Alpe-Adria ist nur ein besonders aufsehenerregendes Kapitel in der insgesamt recht tristen jüngeren Geschichte der österreichischen Bankenlandschaft. Auch hier könnte man sich einiges von den Schweizer Nachbarn abschauen.

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Viele Volkswirtschaften können auf besondere sektorale Erfolge verweisen, im modernen Politiksprech werden dann sogenannte "Cluster" entwickelt und solcherart Schwerpunkte gesetzt. Gelingt es auch noch, eine Entsprechung im Bildungs- und Forschungsbereich zu finden, dann ist Erfolg geradezu programmiert. Die Montanuniversität Leoben brachte wichtige Impulse für die weltweit geachtete Bergbauindustrie, die Universität für Bodenkultur wiederum professionalisierte neben der Land-und Forstwirtschaft auch die ganze Lebensmittelindustrie entscheidend.

Weniger Glück hatte Österreich mit dem Aufbau eines nachhaltigen Banken-und Versicherungssektors. Krisenmeldungen machten immer wieder Schlagzeilen, vor fast 40 Jahren kam es zur Krise der Österreichischen Länderbank mit dem Problemfall Klimatechnik, mit dem Jahr 2006 wurde ein Jahrzehnt nachhaltiger Turbulenzen eingeläutet. Was mit dem glamourösen Problemfall BAWAG 2006 begann, mündete 2008 in eine nachhaltige Krise, welche sich dann 2008/09 verschärfte. Österreichs Banken unterhielten dabei nicht nur Geschäftsoperationen in Österreich, viele Banken nutzten die neu sich bietenden Geschäftsmöglichkeiten in Mittel-Ost-Europa. Eine weltweite Präsenz beeindruckte und bildete auch den Kern der viel zitierten Ost-Kompetenz der österreichischen Wirtschaft.

Systemkrise der Landeshypos

Der unmittelbaren Stabilisierung der Banken zur Abwehr der sogenannten Kernschmelze des Sektors stellte die auslaufende Bundesregierung Gusenbauer/Molterer ein Bankensanierungspaket im stolzen Ausmaß von 15 Milliarden gegenüber, welches via temporäre Liquiditätshilfe die Banken im "Operationsmodus" halten sollte. Mit der unmittelbaren Systemkrise des Finanzsektors machte sich in Österreich eine Systemkrise des Sektors der in Bundesländerbesitz und/oder unter -einfluss stehenden Landeshypothekenbanken breit. Was eine landespolitische Visitenkarte für "Wirtschaftskompetenz" sein sollte, entpuppte sich in manchen Fällen als Stätte umfassenden Versagens, letztklassigen Managements und auch krimineller Energie. Was sonst liebenswürdige österreichische Landeshauptstädte wie Klagenfurt, St. Pölten, Innsbruck oder Bregenz an Berichten zu Hypo-Banken lieferten, resultierte im besten Fall in hohem Aufklärungsaufwand, wie kürzlich in Vorarlberg, in vielen Fällen bedeutete dies aber eine enorme Rechnung für den Steuerzahler, wobei hier Kärnten mit seiner Hypo-Alpe-Adria einen unrühmlichen Höhepunkt darstellt. Getoppt wird aber alles von den Vorgängen am Bankplatz Wien, wo eine Welle von Fusionierungen und Käufen zwischen ehemaliger Zentralsparkasse, Österreichischer Länderbank und Creditanstalt-Bankverein zu einer kaskadenhaften Steigerung des Versagens führte - mit einem Schadenspotenzial im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Im Falle Wiens ist von einem lupenreinen Eigentümerversagen der Stadt Wien zu sprechen, ungeheuren Milliarden an Unternehmenswert von Banken, Industriekomplexen und Immobilien steht heute ein Aktienpaket in einem geringen und vor allem einflussarmen 100-Millionen-Euro-Bereich gegenüber. Die Stadt Wien hat eine Perle ihres Vermögens aufgegeben und schaut zu, wie dieses Eigentum den Weg in den Süden nimmt. Heute stehen zentrale Teile des Wiener Bankensektors im Eigentum der Unicredit Mailand. Was in einem integrierten Europa kein Problem sein sollte, wird zum Problem, weil Italien als ein Land angesehen werden kann, das noch größere Probleme mit dem Bankensektor hat als Österreich.

Die ehemaligen Wiener Großbanken in italienischem Besitz, die Hypo-Alpe-Adria von der damaligen Kärntner Landesregierung an die Landesbank Bayern verkauft, die Vorarlberger Hypo-Bank mit Minderheitengesellschafter Landesbank Baden-Württemberg. Österreich schaffte es mit schlafwandlerischer Präzision bei nicht eben optimalen Eigentümern anzudocken, sind doch die österreichischen und deutschen Landesbanken gemeinsam mit den spanischen Cajas eher mäßig reputierte Bankenadressen in Europa. Es gehört zu den unverzeihlichsten Fehlern, dass die österreichische Politik in den späteren Neunzigerjahren das Angebot einer Schweizer Bank, in die Creditanstalt einzusteigen, ausgeschlagen hat und das aus schwer nachvollziehbaren Gründen persönlicher Eitelkeit. Was hier die damalige Präsidentin der OeNB Maria Schaumayer und der damalige ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel verbockt haben, ist in der Folgenschwere noch nicht erfasst. Die Schweiz kann für sich in Anspruch nehmen, dass ihre Aktienbanken, wie auch die im öffentlichen Einfluss stehenden Kantonalbanken, international erstklassige Adressen darstellen. Österreich dagegen hat mit seinem unseligen politischen Einfluss teilprivatisierte Banken wie die damalige Creditanstalt und die Österreichische Länderbank auch für die wenigen Privataktionäre in den Graben gefahren. Ein Genossenschaftsbankensektor, die Volksbanken, findet sich in wichtigen Bereichen in Abwicklung und musste völlig neu aufgestellt werden. Raiffeisen - der andere Genossenschaftsbankensektor - ist in schmerzhafter Neuaufstellung; ein Blick auf Erfolge ist auch hier ein Blick in die Vergangenheit.

Am Tropf des Steuerzahlers

Die Sanierung des Bankensektors wurde in Österreich bereits zu einer schmerzvollen Belastung für den Steuerzahler in zweistelliger Milliardenhöhe. Während die Banken in den USA und eben auch der Schweiz den Ausstieg aus den Staatshilfen weitgehend geschafft haben, mehren sich in der EU die Anzeichen, dass Banken am Tropf des Steuerzahlers zum Dauerzustand werden.

Schweizer Banken hatten zum Höhepunkt der Finanzkrise toxische Papiere im Umfang von 450 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in ihren Büchern, binnen zwei bis drei Jahren haben sich diese Schweizer Banken gemeinsam mit Überbrückungsfinanzierungen der Regierung aus eigener Kraft gerettet, die Schweizer Regierung hat aus dem Titel Bankensanierung mit Vorzugsaktien ein lukratives Geschäft für den Schweizer Steuerzahler gemacht.

Nebst allem Klumpenrisiko des Ost-Engagements der österreichischen Banken, das dank umsichtiger technischer Hilfe von Weltbank und Internationalem Währungsfonds bisher unter Kontrolle gehalten wurde, hat die Osteuropa-Expansion von Österreichs Banken auch eine geopolitische Relevanz.

Umstrittene Russland-Geschäfte

Im Zuge der Restrukturierungen des Volksbankensektors wurden deren Osteuropa-Operationen an die russische Sberbank verkauft. Eine Transaktion, die in vielen Kreisen Mittel-Ost-Europas sehr negativ aufgenommen wurde. Magda Vásáryová, ehemalige Botschafterin der Tschechoslowakei in Wien, sprach sogar von einem Stich Österreichs in den Rücken der Menschen; Russland eine Primärbank zu verkaufen, sei unverzeihlich. Auch die Vneshtorgbank (VTB) steht seit Jahren bereit, österreichische Banken mit starker Verankerung in Mittel-Ost-Europa zu kaufen.

Eine Akquisition moderner Banken erlaubt es dem Käufer wiederum, mehr Einsicht in finanzielle und ökonomische Vorgänge zu erhalten. Im konkreten Fall kann die zu erwartende Abneigung gegen gesteigerten russischen Einfluss umgangen werden, welchen ein Direkteinstieg Russlands in diesen Ländern bedeuten würde.

Der Beitrag der österreichischen Finanzindustrie am BIP ist mit vier bis fünf Prozent im überschaubaren Bereich, die Geschäftsrisiken sind enorm und haben bereits durchgeschlagen. Einer Neuaufstellung mit starken Primärbanken und einer Unternehmenskultur des Finanzdienste-Leistens wäre der Vorzug vor der Teilnahme am neoliberalen Finanz-Casino der Welt mit unabsehbaren Folgen bis in die Geopolitik hinein zu geben.

| Der Autor ist Politikberater und Publizist in Perchtoldsdorf |

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