Bindestrich-Österreicher Paul Lendvai - „Zugleich Patriot und Weltbürger“ – Paul Lendvai auf Lesereise durch Österreich mit seinem neuen Buch über Österreich. - © Peter Kainrath

Österreich-Korrespondent Lendvai meldet Gefahr

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Damit das Land zukunftsreich bleibt, prüfte Paul Lendvai Österreich sowie sein politisches Personal und verfasste angesichts des betrüblichen Sittenbilds einen Weckruf für schnelles demokratisches Aufstehen.

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Damit das Land zukunftsreich bleibt, prüfte Paul Lendvai Österreich sowie sein politisches Personal und verfasste angesichts des betrüblichen Sittenbilds einen Weckruf für schnelles demokratisches Aufstehen.

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Mit einem Auge schaut Paul Lendvai auf Österreich, das zweite schaut auf die Nachbarn, auf die Welt, in die Geschichte zurück und vielleicht auch ins Narrenkastl hinein, was einem politischen Menschen und analytischen Journalisten durchaus gut ansteht. Das Coverbild des Buches „Vielgeprüftes Österreich“ liefert jedenfalls einen sehr treffenden Hinweis auf die vielen Perspektiven, aus denen der „Bindestrich-Österreicher“ Lendvai „als gebürtiger Ungar mit einem fremden Akzent in einem deutschsprachigen Land, als Jude unter Katholiken und Protestanten“ auf seine zweite Heimat schaut.

Jede Spur von Altersmilde ist dem 93-jährigen Autor dabei fremd. Hart aber herzlich, streng aber fair ist Lendvais Notenschlüssel, den er für seine Österreich- Prüfung heranzieht. Und in bester „Land der Berge“-Hymnentradition fehlt auch auf Lendvais 300 Seiten vielgeprüftem Österreich nicht die eine oder andere Strophe an das vielgerühmte und vielgeliebte Österreich. „Die Liebe zu Österreich muss aber eine kritische sein und bleiben“, legt sich Lendvai selbst die Latte hoch.

Dass der Prüfling Österreich, genauer gesagt sein politisches Personal, diese Sprunghöhe immer wieder und in jüngster Zeit immer öfter nicht schafft, zeigen schon einige Kapitelüberschriften: „Hitlers Schatten, gestern und heute“ oder „Geld statt Gesinnung: Der Niedergang der Sozialdemokratie“ oder „Von Wolfgang Schüssel zu Sebastian Kurz: Vom Original zur misslungenen Kopie“ oder „Österreich 2022: Ein betrübliches Sittenbild“ beschreiben stichwortartig die immer schiefer werdende politische Ebene.

„Kopfladen“ voller Österreich

Welche Werte- und Ideologie-Fundamente in den vergangenen Jahrzehnten einstürzten oder abgebaut wurden und das Haus Österreich in Schieflage brachten, beschreibt der von der Pike auf gelernte Korrespondent minuziös. Dabei kann Lendvai auf seinen riesigen „Kopfladen“, randvoll gefüllt mit Erinnerungen an persönliche Gespräche mit nahezu allen politischen und politikwissenschaftlichen Protagonisten der Zweiten Republik zurückgreifen. Und auf sein von harter Lebensschule geprägtes politisches Gespür als von Nazis Verfolgter und von Kommunisten vertriebener Flüchtling.

Dieses bewies Lendvai bereits sehr eindrucksvoll, als er 1965 in der FURCHE zum 20. Jahrestag der Zweiten Republik die erstaunlich weitsichtige Prognose aufstellte: „Etwas stimmt nicht in diesem Staat, wenn die sich ‚FPÖ‘ nennende Gruppe bei den Wahlen nur 7 Prozent der abgegebenen Stimmen (in der letzten sogar weniger) erobert hat, aber gleichzeitig auf den Ring Freiheitlicher Studenten mehr als ein Drittel der Stimmen bei den Hochschulwahlen entfällt.“ Wie dieser akademische Nachwuchs zunächst die Freiheitliche Partei und danach das Land umgekrempelt hat, ist im Kapitel „Die Achterbahnfahrt der FPÖ: Von Friedrich Peter zu Jörg Haider“ zu lesen.

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