Österreich-Lösung: Noch ein Anlauf

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Ist in Österreich ein Kampf ums Wasser ausgebrochen? Wer "Krone"-Schlagzeilen liest, muss jedenfalls diesen Eindruck gewinnen - allerdings zu Unrecht, wie sich herausstellt.

Der Monat Februar bescherte dem "Krone"-Leser drei Wasser-Schlagzeilen, davon zwei dramatische: "Kampf um unser Wasser beginnt!" und: "Schicksalstag für unser Wasser". Der Bundespräsident bevorzuge eine österreichische Lösung, liest man im Blattinneren. Für die Wasserversorgung? Nein - für die Organisation der österreichischen Elektrizitätswirtschaft...

Diese steht tatsächlich vor einer wichtigen Entscheidungen. Nur hat das nichts mit der Verfügung über Österreichs Wasserreserven zu tun, sehr wohl aber mit den Besitzrechten an den österreichischen Wasserkraft-Anlagen.

Worum geht es bei dieser Frage? Um die Neuorganisation der E-Wirtschaft unseres Landes. Jahrzehnte hindurch wurde ihre Struktur vom 2. Verstaatlichungsgesetz geregelt. Dieses sah eine Aufgabenteilung zwischen der Verbundgesellschaft, neun Landesgesellschaften und städtischen beziehungsweise sonstigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVUs) vor. Dem Verbund fiel die Aufgabe des wichtigsten Stromerzeugers zu. Er betrieb und baute Großkraftwerke und das Hochspannungsnetz, während die übrigen EVUs von ihm Strom bezogen, selbst kleinere Kraftwerke betrieben und die Endverbraucher mit Elektrizität belieferten. Konkurrenz gab es in diesem System nicht. Jedes EVU war für seinen Einzugsbereich zuständig. Die Preise wurden in einem amtlichen Strompreisverfahren festgesetzt.

Effizienz-Reserven

"Österreichs Stromversorgung leidet unter den Folgen dieses Gesetzes," stellt Univ. Prof. Stefan Schleicher, Energie-Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts fest: Zu wenig innovative Energiepolitik, zu wenig Kostenbewusstsein, (überdimensionierte Reservehaltung, zu aufwendige Anlagen, zu hohe Personalkosten) seien bis vor wenigen Jahren Merkmale der E-Wirtschaft gewesen. Bei Überkapazitäten von zehn bis 20 Prozenten gab es in diesem Wirtschaftssektor enorme Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung.

Ihre Mobilisierung wurde endgültig notwendig, als die EU-Kommission 1997 die Strommärkte der Gemeinschaft auf Konkurrenz auszurichten begann. In einem Stufenverfahren sollten die Elektrizitätsmärkte der Mitgliedsstaaten geöffnet werden - und zwar vollständig bis spätestens 2005. Diese Liberalisierung setzte allerdings voraus, dass im Bereich der Stromversorgung drei Funktionen organisatorisch getrennt werden: Die Erzeugung, der Transport und die Verteilung der Elektrizität hatten von eigenen Einrichtungen wahrgenommen zu werden.

In Österreich sorgte das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) für die im Gefolge der Brüsseler Entscheidung notwendige Neuordnung. Es sah eine schrittweise Marktöffnung bis 2003 vor. Außerdem verpflichtete es die EVUs zu einem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger: Bis 2005 sollte ihr Anteil an der Stromerzeugung auf drei Prozent angehoben werden. Dazu wurde eine Abnahmepflicht für Regenerativstrom eingeführt. Auch Mindesttarife für dessen Einspeisungen sollten erlassen werden.

Kaum zwei Jahre nach dem ElWOG trat das Energieliberalisierungsgesetz in Kraft. Statt schrittweiser Marktöffnung wurde nun Vollliberalisierung verordnet. Im Gefolge dieser Regelung können sich nun alle drei Millionen österreichischen Stromkunden schon seit Herbst 2001 ihren Elektrizitätslieferanten nach Belieben aussuchen.

Auch in Sachen Ökostrom kam es zu einer Neuregelung: Acht Prozent des Stromverbrauchs sollten nun Kleinwasserkraftwerke (unter zehn Megawatt Leistung) liefern. Weiters wurde festgelegt, dass ab Oktober 2001 ein Prozent des Elektrizitätsverbrauchs aus erneuerbaren Quellen (Photovoltaik, Biomasse, Windenergie...) zu stammen habe. Im Zwei-Jahres-Rhythmus sollte dieser Anteil um jeweils einen weiteren Prozentpunkt angehoben werden, so dass 2007 vier Prozent der Elektrizität aus erneuerbaren Quellen stammt.

Das sind wichtige Impulse, denen manche EVUs aber nur wenig abgewinnen können, weil sie kostensteigernd wirken. Erfüllen die EVUs diese Vorgaben allerdings nicht, haben sie ein Pönale zu entrichten, das in einen Fonds fließt, dessen Mittel zweckgebunden zur Förderung von Ökostrom-Anlagen und Kleinwasserkraftwerken dienen sollen.

Interessenskonflikte

Es ist klar, dass die so massive Neuausrichtung eines vorher privilegierten Wirtschaftszweiges zu enormen Anpassungsschwierigkeiten führen musste - vor allem als es um die Frage ging, wie denn der größte österreichische Stromerzeuger, der Verbund, zukünftig mit den Landesgesellschaften zusammenarbeiten sollte. Letztere haben nämlich ein Interesse daran, ihren Strom möglichst billig auf dem freien Markt zu erwerben, während es dem Verbund darum geht, möglichst viel Ertrag aus dem Elektrizitätsverkauf zu erwirtschaften. Dieser hat somit auch ein Interesse, selbst an Endverbraucher heranzukommen.

Ein erster Anlauf zu einer neuen "Österreich-Lösung" scheitert 1999: Es kommt nicht zu dem von Minister Johannes Fahrnleitner befürworteten Zusammengehen von Verbund, Wienstrom und EVN (Niederösterreich). Das gleiche Schicksal erleidet dann im Jahr darauf das Konzept "Energie Austria", das einen Zusammenschluss von Verbund sowie Energie Steiermark und Oberösterreich vorsieht. Eine Sperr-Minorität in der Verbund Hauptversammlung - EVN, Tiwag und Wienstrom besitzen miteinander 27 Prozent der Verbund-Aktien - verweigern der "Energie-Austria" die Zustimmung. Die große Österreich-Lösung scheint gestorben. Der Verbund geht auf Brautschau ins Ausland. Er einigt sich mit dem deutschen Atomstromriesen E.ON (dieser verfügt über ein Investitionspotenzial von 30 bis 45 Milliarden Euro) darauf, die gemeinsamen Wasserkraftkapazitäten zusammenzulegen. Kritik wird laut: Österreichs Wasserkraft werde ans Ausland verscherbelt.

Aber nicht nur der Verbund hat sich im Ausland umgesehen. Auch einige andere Akteure auf dem österreichischen Strommarkt sind "fremd" gegangen (siehe Grafik): Der französische Atomstromriese EdF steigt in der Steiermark ein, der deutsche Großkonzern RWE in Kärnten, Vorarlberg setzt auf seinen langjährigen Partner EnBW (Baden-Württemberg).

Zu einer Kooperation kommt es hingegen zwischen den EVUs der Ostregion: Wienstrom, EVN, die Linz Strom, die BEWAG (Burgenland) und (im Vorjahr) die EnergieAG (Oberösterreich) schließen sich zur "EnergieAllianz" zusammen. In ihr müssen alle wichtigen Entscheidungen (Geschäfts-, Preis-, Produktpolitik...) einstimmig gefällt werden. Diese Allianz versorgt rund vier Millionen Haushalte, was rund 70 Prozent aller Stromkunden Österreichs darstellt.

Wie gesagt, das endgültige Aus für eine Österreich-Lösung schien gekommen - bis zu dem "Stromgipfel", den die Krone, wie erwähnt, als Schicksalstag für unser Wasser angekündigt hat: Am 13. Februar einigte man sich unter dem Vorsitz von Minister Martin Bartenstein überraschend, es noch einmal mit einer Österreich-Lösung zu versuchen: Steweag, EnergieAllianz und Verbund nehmen einen weiteren Anlauf für eine Kooperation. Die Zusammenarbeit mit E.ON wird bis April auf Eis gelegt. Was dabei herauskommt, steht in den Sternen.

Ein neues Monopol?

Wie die Sache zu beurteilen ist? Schwer zu sagen. Im Grunde genommen hängt es davon ab, welche Energiepolitik Österreich in Zukunft verfolgen will. Geht es künftig nur darum, möglichst billigen Strom bereit zu stellen, so ist es fraglich, ob die jetzt angepeilte Österreich-Lösung dafür gute Voraussetzungen bietet. Sie birgt nämlich die Gefahr in sich, wieder eine Art Monopol auf dem Elektrizitätsmarkt einzurichten. Industriebetriebe wären davon zwar kaum betroffen, denn sie können sich auf den internationalen Märkten versorgen. Betroffen aber könnten die privaten Haushalte sein, deren Mobilität in Sachen Strom doch eher gering ist. Tatsächlich ist es ja keineswegs so einfach, sich einen Überblick auf diesem Markt zu verschaffen. Daher rechnet Walter Boltz, Chef der österreichischen Stromregulierungsbehörde E-Control damit, dass nur drei bis vier Prozent der Haushalte ihren Stromversorger wechseln werden.

Anders wäre eine Österreich-Lösung allerdings zu beurteilen, wenn den Kern einer zukunftsträchtigen Lösung der Stromversorgung stehen sollte. Dazu müsste die Energiepolitik aber ganz gezielt erneuerbare Energieträger, insbesondere Kraft-Wärme-Kopplungen auf der Basis von Biomasse forcieren. Ausländische Großkonzerne, die vor allem den Absatz ihrer Elektrizitäts-Überschusses aus Atomstrom im Auge haben, werden für solche Ansätze sicher nicht die idealen Partner sein.

Damit stehen wir vor der eigentlichen Frage: Welche Schwerpunkte gedenkt Österreich in der Energiepolitik zu setzen? Sollte sie weiter auf ausgetrampelten Pfaden dahintrotten, kann man sich auch die Mühen einer Österreich-Lösung sparen.

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