"Österreich neu denken"

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Peter Mitterbauer, Mehrheitseigentümer des oberösterreichischen Automobilzulieferunternehmens Miba AG, ist der neue alte Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Damit steht er auch für das neue Programm der IV mit dem griffigen Titel: "Österreich neu denken". Für Mitterbauer heißt das "ein von der Engstirnigkeit befreites Denken, ein New Austrian Spirit", der aus Österreich ein Land machen soll, "in dem der Staat nicht mehr bevormundet, sondern zu Eigenverantwortung ermutigt, in dem Leistungsbereitschaft an die Stelle von Versorgungsmentalität tritt, in dem der "Genehmigungsstaat" nicht die ideenreiche Jugend hemmt".

Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist nichts mehr so wie es einmal war. Rasante Veränderungen erfassen alle Bereiche unseres Lebens - die Politik, die Wirtschaft und selbst unser Wertesystem kommen ins Schwanken. Um die gesellschaftlichen Veränderungen in einem positiven Sinn gestalten zu können, müssen wir lernen, das Neue zu akzeptieren. Neben dem Zusammenwachsen Europas prägt das Internet, wie kein anderes Medium, die neuen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Die IV trägt dem in einer eigens dafür eingerichteten Internet-Plattform Rechnung. "Österreich neu denken - www.oesterreich2010.at" ist "kein modisches Etikett sondern die Einladung des neuen Präsidiums Veränderung als permanente Chance zur Verbesserung für Österreich zu begreifen", sagt Mitterbauer anlässlich der Vorstellung des Programms.

Und alle sollen beim "Online-Österreich-Dialog" mitmachen. Derzeit ist auf der Website die persönliche Meinung zur Einführung von Studiengebühren gefragt.

Das komplette neue Programm der Industriellenvereinigung "Österreich neu denken" gibt es auch als Broschüre, oder es kann als pdf-Datei von der Website heruntergeladen werden. Das Papier liefert fundierte Analysen zu zehn zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Zukunft - von der Bildung bis zur Mentalität. Jedes Kapitel wird mit einem konkreten Aufgabenkatalog für Politik, Gesellschaft und Unternehmen abgeschlossen. Hier die Gedanken der Industrie zu zwei der Themen.

Vom Wohlfahrtsstaat zur Wohlfahrtsgesellschaft Die Fakten sind bekannt: Der traditionelle Wohlfahrtsstaat befindet sich in einer finanziellen und sozialen Krise. Die Grundlagen des Sozialsystems - Vollbeschäftigung und Bevölkerungsentwicklung - sind ins Rutschen gekommen. Parallel dazu sind die individuellen und gesellschaftspolitischen Ansprüche an das Sozialsystem immer mehr gestiegen. Der Einzelne hat sich daran gewöhnt, vieles an den Staat delegieren zu können. Fazit: "Der Wohlfahrtsstaat muss neu dimensioniert werden und durch eine starke Wohlfahrtsgesellschaft ergänzt werden", wird vorgeschlagen.

Eine Schlüsselrolle bei der Ergänzung des Wohlfahrtsstaates durch eine starke Wohlfahrtsgesellschaft kommt dabei den Nonprofit-Organisationen zu. Ohne den sogenannten "dritten Sektor", würde unser Sozialsystem heute schon nicht existieren, heißt es. Von den insgesamt 190.000 hauptamtlich Beschäftigten im dritten Sektor ist mehr als die Hälfte im Bereich der sozialen Dienste tätig. Dieser Sektor hat damit auch ein enormes Beschäftigungspotenzial entwickelt. Sein Beitrag zum österreichischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt nach aktuellen Schätzungen zwischen 22,8 und 38 Milliarden Schilling.

Der Strukturwandel in der Wirtschaft ist mit ein Grund für die angespannte Situation am Arbeitsmarkt. Und es heißt weiter: "Angestrebt werden müssen eine rasche Reintegration in den Arbeitsprozess. Vor allem Bildungsmaßnahmen und Maßnahmen mit Wechsel zwischen Tätigkeit und Lernen können hilfreich sein. Lösungsansätze, die den Betroffenen neue Aufgaben stellen und dazu beitragen, Arbeitslosigkeit zu entstigmatisieren, müssen diskutiert und angegangen werden." Als geeignete Arbeiten werden Tätigkeiten genannt, die sonst unerledigt blieben oder für die es keinen Löhne gibt. Die Instrumente, die den Übergang von einer Beschäftigung in eine neue erleichtern, wären Arbeitsstiftungen oder Personalleasing.

Kritisiert werden die derzeit starren, arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Sie seien ein echtes Hindernis für die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Hier wünscht sich die Industrie Regelungen, die sowohl Mitarbeitern als auch Unternehmen "größtmögliche Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen einräumen".

Eine ganz wichtige Reformtätigkeit betrifft die Anpassung der Sozialversicherung an die veränderten Gegebenheiten auf den Arbeitsmärkten. Damit zusammenhängend sollte ein Wechsel zwischen den verschiedenen Erwerbsarten - selbstständig, unselbstständig, gewerblich, landwirtschaftlich... - problemlos möglich sein. Und da angenommen werden kann, dass auch im 21. Jahrhundert gesellschaftliche Integration maßgeblich von der Erwerbsarbeit abhängen wird, sollte der Begriff "sozial" erweitert werden in Bezug auf "Beschäftigung haben und Beschäftigung anbieten können". Kurz gesagt, sozial ist, was Arbeit schafft!

Vom Verwaltungs- zum Leistungsstaat Staatsausgaben wie auch Staatsaufgaben sind in den letzten Jahrzehnten massiv gewachsen. Ende 1999 betrug Österreichs Schuldenstand 1742,6 Milliarden Schilling, das sind zwei Drittel des Brutto-Inlandproduktes (BIP). Dafür mussten im vergangenen Jahr an die 100 Milliarden Zinsen gezahlt werden.

Demgegenüber steht eine veraltete Verwaltung, die das Prinzip der Effizienz - also die Maximierung der Leistung im Verhältnis zu den aufgewendeten Mitteln - nicht berücksichtigt. New Politics im Sinne des neuen IV-Programmes muss den Verwaltungsstaat zum effizienten Leistungsstaat umbauen, sagt Mitterbauer vor Journalisten.

Daraus ergeben sich für die Politik folgende Aufgaben: * Eine seriöse und nachhaltige Budgetpolitik betreiben, das Budgetdefizit ausgabenseitig senken.

* Eine konsequente Aufgaben- und Ausgabenreform durchsetzen.

* Weniger Gesetze erlassen und mehr über Verwaltungshandeln und Vollzugskontrolle tätig werden. Bürokratische Verfahren (zum Beispiel Betriebsanlagenrecht) beschleunigen.

* Wirtschaftliche Managementgrundsätze in der Verwaltung umsetzen sowie * den Wettbewerb mit privaten Anbietern im Bereich nicht-hoheitlich erbrachter Leistungen zulassen und fördern.

* Einen konsequenten Sparkurs im öffentlichen Dienst fahren, Anreize für Leistung schaffen sowie leistungsorientierte Bezahlung entsprechend den Aufgaben im öffentlichen Dienst bieten.

* Die Bundesstaatsreform rasch umsetzen und unnötige Mehrkosten vermeiden bzw. abschaffen.

* Das Wahlrecht reformieren.

* Informations- und Kommunikations-Technologien (IT) in der Verwaltung einsetzen.

Jeder einzelne Österreicher wiederum sollte eine realistische Erwartungshaltung gegenüber dem Umfang der staatlichen Leistungen einnehmen sowie diese fair in Anspruch nehmen; Vorsicht gegenüber "Wahlzuckerl" entwickeln sowie den Leistungsstaat nicht als Bedrohung sondern als Chance begreifen.

Speziell an die Adresse der Unternehmen richten sich die Forderungen * überzeugende Angebote im Wettbewerb zwischen Staat und Privat machen, etwa bei der Erbringung kommunaler Dienstleistungen; * bürokratische Belastungen aufzeigen; * Transfer von Management-Know-how an staatliche Einrichtungen unterstützen und IT im Verkehr mit Behörden einsetzen.

All das sind für Mitterbauer wesentliche Bausteine für ein modernes Österreich, die diskutiert und couragiert umgesetzt werden sollten. "Mit der Initiative "Österreich neu denken - www.oesterreich.at" will die Industriellenvereinigung nicht nur ihre Rolle als moderne, leistungsfähige Interessenvertretung sondern auch ihre Bedeutung als Kristallisationspunkt für Reformen für Österreich unterstreichen. Denn seiner Zukunft sind wir verpflichtet", sagt der neue Präsident der Industriellenvereinigung.

Dieser Beitrag wurde durch einen Druckkostenbeitrag der Industriellenvereinigung unterstützt.

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